Tschechien: Kurzüberblick über das Erbrecht in der Tschechischen Republik

Das aktuelle tschechische Erbrecht ist im tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuch, Gesetz Nr. 89/2012 Slg. (im Weiteren nur „NeuesBGB-cz“), geregelt, und zwar in den §§ 1475-1720, und das erstaunlicherweise als Teil des Sachenrechts.

Das aktuelle tschechische Erbrecht ist im tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuch, Gesetz Nr. 89/2012 Slg. (im Weiteren nur „NeuesBGB-cz“), geregelt, und zwar in den §§ 1475-1720, und das erstaunlicherweise als Teil des Sachenrechts. Es hat ab 1.1.2014 das Erbrecht des alten Bürgerlichen Gesetzbuches (Gesetz Nr. 40/1964 Slg., im Weiteren nur „AltesBGB-cz“) ersetzt. Das Erbrecht war bis Ende 2013 in den §§ 460-487 altesBGB-cz nur rudimentär geregelt. Die Übergangsregeln zwischen beiden Gesetzen sind dabei klar – nach § 3069 NeuesBGB-cz ist für die Frage, welches Gesetz Anwendung findet, der Todestag entscheidend. §§ 3070-3072 NeuesBGB-cz regeln weiterhin übergangsweise, nach welchem Recht sich Testamente richten, wenn sie vor dem Jahre 2014 erstellt wurden, aber danach relevant werden, d.h. wenn der Erbfall nach dem 1.1.2014 eintritt: dann unterliegt alles dem neuen Recht, d.h. dem NeuemBGB-cz.

Das neue tschechische Erbrecht bringt das tschechische Recht im Prinzip wieder auf den Rechtszustand von vor 1950 zurück, d.h. auf den des österreichischen ABGB, das seit 1811 in den böhmischen, mährischen und schlesischen Ländern galt – bis 1.1.1950. Nach dem neuen Recht gibt es ab 1.1.2014 sechs Erbklassen (cf. § 1633 Neues BGB-cz) – in der ersten Klasse erben Kinder und der überlebende Ehegatte zu gleichen Teilen (§ 1635 Abs. 1 Neues BGB-cz), und in der zweiten Klasse, wenn es keine Kinder gibt, der Ehegatte und die Eltern des Erblassers zu gleichen Teilen, der Ehegatte aber mindestens die Hälfte. In der sechsten Erbklasse erben die Neffen und Nichten bzw. die Onkel und Tanten des Erblassers, und wenn es auch die nicht gibt, erbt der Staat als gesetzlicher Erbe (§ 1634 NeuesBGB-cz); nach dem alten Erbrecht im AltenBGB-cz erbte der Staat schon nach der damaligen letzten, heute der vierten Klasse – dieses Recht gilt immer noch so in der Slowakei (cf. §§ 462, 475a AltesBGB-cz und §§ 462 ff Slowakisches BGB, Gesetz Nr. 40/1964 Slg.); d.h. es gibt in der Slowakei kein Erbrecht von Nichten und Neffen oder Vettern und Basen. Dazu gibt es jetzt im Neuen BGB-cz ein dem deutschen BGB vergleichbares Pflichtteilsrecht, allerdings nur zugunsten von Kindern, nicht von Ehegatten, und das noch dazu in einer zum BGB unterschiedlichen Höhe: bei minderjährigen Erben drei Viertel des gesetzlichen Erbteils (§ 1644 Abs. 1 Neues BGB-cz), und bei schon volljährigen Kindern nur ein Viertel des gesetzlichen Erbteils.

Weiterhin regelt das neue Erbrecht im Neuen BGB-cz die Erbfähigkeit, die Annahme und den Widerruf der Erbschaft, das Testament, das Vermächtnis, die Enterbung, den Anfall der Erbschaft, neuerdings auch den Erbvertrag, und traditionell die Testamentsvollstreckung, neuerdings aber auch den Erbverkauf. Zuständig für das Erbverfahren sind die Notare als gerichtliche Kommissionäre, dies ist in einem speziellen Gesetz für besondere Verfahren geregelt, nicht in der tschechischen Zivilprozessordnung.

Welches Recht, z.B. das tschechische, deutsche oder slowakische, überhaupt anwendbar ist – und diese Frage muss vorrangig, d.h. vor einer Prüfung des materiellen tschechischen Erbrechts geprüft werden -, regelt sich nach dem tschechischen Internationalen Privat- und Prozessrecht, Gesetz Nr. 91/2012 Slg. (IPR-Gesetz-cz), das auch am 1.1.2014 in Kraft trat. Dessen Bestimmung § 73a verweist auf die Europäisches Erbrechtsverordnung Nr. 650/2012/EU, die ab dem 17.8.2015 in der ganzen EU außer Dänemark und Irland sowie, ohnehin schon vor dem Brexit Anfang 2020, außer dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland (UK) die Zuständigkeit regelt. Die EuErbVO hat auch einige bilaterale Erbabkommen innerhalb der EU aufgehoben. Wenn es um die Tschechische Republik und einen Drittstaat der EU oder Irland und Dänemark geht, ist die Frage der Anwendbarkeit des Rechts in §§ 74 IPR-Gesetz-cz geregelt (z.B. bei einer Immobilie eines Erblassers aus der Türkei, den USA oder dem UK, die in Prag gelegen ist).

Was die Zuständigkeit innerhalb der EU betrifft, ist dies für Erbfälle ab dem 17.8.2015 einschließlich durch die EuErbVO geregelt. Danach ist die Zuständigkeit für Erbverfahren ausschließlich für Gerichte (nicht für Gerichte, sondern Notare als Gerichtskommissionäre z.B. in Österreich, Ungarn, der Slowakei und der Tschechischen Republik) am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers gegeben.

Dies bedeutet, dass nur noch ein einziges Erbverfahren in der EU für alles in der EU belegenes Vermögen notwendig ist. Alle anderen Gegenstände im Nachlass in der EU (Bankkonten, Immobilien, Schiffe etc. in der EU) werden mit Hilfe des Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) auf die Erben umgeschrieben.

Geburts- und Heiratsurkunden aus der EU, die bei einer Beantragung eines ENZ, einer Erbausschlagung oder Annahme einer Erbschaft vorgelegt werden müssen, können nach der EU-Verordnung 1191/2016/EU im Herkunftsstaat, d.h. in Deutschland, als Duplikate ausgestellt werden, dann sind keine Übersetzung und keine Apostille in anderen EU-Staaten mehr erforderlich. Alternativ können solche Urkunden in den meisten EU-Staaten (die meisten alten EU-Staaten wie Frankreich, Spanien, Deutschland), aber auch zusätzlich in der Schweiz, in dem ehemaligen Jugoslawien (in der EU nur Kroatien und Slowenien), aber auch in der Türkei sowie sogar auf Kap Verde und in der Moldau (Moldawien), gemäß dem Internationalen Abkommen von 1976 ohne Übersetzung und Apostille ausgestellt werden.

Das ENZ ersetzt dann, wenn es ausgestellt wurde, den nationalen Erbschein, d.h. es macht wirtschaftlich keinen Sinn, den Erbschein und gleichzeitig das ENZ zu beantragen. Im EU-Ausland muss das ENZ nicht apostillisiert, aber es muss amtlich beglaubigt übersetzt werden (wobei sich das nicht klar aus der EuErbVO ergibt, aber in den meisten EU-Ländern so gefordert wird). Im Prinzip lässt sich im EU-Ausland, das von der EuErbVO abgedeckt ist, auch ein nationales Erbdokument, z.B. ein deutscher Erbschein oder eine österreichische Verlassenschaftsentscheidung, verwenden, d.h. z.B. bei einem Registergericht oder einem Grundbuch- oder Katasteramt kann auch eine solche Urkunde vorgelegt werden (cf. Erw.-Pkt. 69 a.E., Art. 39 EuErbVO), aber das funktioniert ohneweiteres nicht in allen EU-Staaten. Das ENZ allerdings funktioniert auch nicht besonders gut, z.B. wenn in ihm keine Vermögensgegenstände wie Immobilien oder Bankkonten eingetragen sind, aber das nationale Kataster- oder Bankrecht dies so vorschreibt (z.B. gibt es große Schwierigkeiten bei der Geltendmachung von ENZ ohne Vermögensangaben u.a. in der Tschechischen Republik, der Slowakei, in Litauen und in Ungarn).
Bei problematischen Erbverhältnissen kann das ENZ auch durch eine notarielle Erbauseinandersetzung ersetzt werden, die dann ihrerseits nach der EuErbVO ausgefertigt und amtlich beglaubigt übersetzt wird.

Zu beachten ist bei Expats folgendes: wenn ein Erblasser kein Testament errichtet hat, er aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland begründet hat und dann dort stirbt, ist im Erbfall nicht mehr das Erbrecht gemäß seiner Staatsbürgerschaft anwendbar, sondern das Erbrecht des Landes, in dem der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt dessen Ablebens lag. Dies abzugrenzen ist nicht immer ganz einfach, z.B. bei Personen mit mehreren Wohnsitzen (nach der EuErbVO gibt es aber nur einen „gewöhnlichen Aufenthalt“) oder bei z.B. demenzkranken Pensionären, die in einem anderen EU-Land ihren Lebensabend verbracht haben.

Bei einem gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Erbfalls in Irland, in Dänemark, in der Schweiz, im UK, der USA, der Türkei oder in anderen Ländern außerhalb der EU sollte unbedingt ein Experte in diesen Ländern aufgesucht werden, und das insbesondere im Falle von Immobilien oder Bankkonten in der EU außer Dänemark und Irland im Nachlass solcher Erblasser. Denn dann muss für diese Immobilien ein Nebenerbverfahren in dem Land durchgeführt werden, wo diese Nachlassgegenstände belegen sind. Das gilt umgekehrt auch bei einem Erbfall in der EU, wenn Nachlassvermögen in Irland oder Dänemark oder EU-Drittländer belegen ist; dann muss in diesen Ländern ein Nebenerbverfahren durchgeführt werden.

Newsletter abonnieren

Wenn Sie den Newsletter abonnieren, stimmen Sie zugleich unseren Datenschutzbedingungen zu.