Tschechien: Interessenkonflikt und Auskunftspflicht in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs

Was muss der Geschäftsführer tun, wenn bei ihm ein Interessenkonflikt vorliegt, und was hat die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs diesbezüglich zu sagen?

Das letzte Jahr war reich an Entscheidungen des tschechischen OGH zum Thema Abschluss von Verträgen zwischen einer Körperschaft und einem Mitglied eines ihrer gewählten Gremien – sprich, im Regelfall, zwischen einer Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer. In dieser Situation befindet sich der Geschäftsführer in einem Interessenkonflikt.

Wenn das Mitglied eines gewählten Gremiums mit „seiner“ Gesellschaft einen Vertrag eingehen möchte, verlangt das Kapitalgesellschaftsgesetz, dass die betreffende Person von ihrem Vorhaben (und von den beabsichtigten vertraglichen Konditionen) die übrigen Gremiumsmitglieder verständigt, sowie das Aufsichtsgremium, soweit bei der betreffenden Gesellschaft ein solches eingerichtet ist, bzw. ansonsten die Gesellschafterversammlung. Typischerweise bedeutet dies, dass der Geschäftsführer die übrigen Geschäftsführer sowie die Gesellschafterversammlung davon informieren muss, dass er den Abschluss eines Vertrags mit der Gesellschaft plant. Falls die Gesellschafterversammlung befindet, dass der Abschluss des Vertrags nicht im Interesse der Gesellschaft ist, kann sie dem Geschäftsführer die Unterzeichnung des Vertrags untersagen. Dieselben Regeln gelten auch für Verträge zwischen der Gesellschaft und einer dem Geschäftsführer nahestehenden Person bzw. einer unter dem Einfluss oder der Kontrolle des Geschäftsführers stehenden Gesellschaft.

Damit die Gesellschafterversammlung überhaupt in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob der Abschluss des fraglichen Vertrags angemessen ist, muss der Geschäftsführer ihr ausreichend Auskünfte bereitstellen. Wird der Vertrag im gesamten Wortlaut offengelegt, so gilt diese Pflicht stets als erfüllt; nach Ansicht des OGH reicht es allerdings, nur die relevanten Passagen vorzulegen bzw. sogar nur die geplanten Inhalte auszugsweise vorzustellen. Findet die Gesellschafterversammlung die geleisteten Auskünfte unzulänglich, so kann sie weitere Informationen bzw. im Bedarfsfall die Offenlegung des gesamten Vertragswortlauts fordern. Die Auskunftspflicht gilt regelmäßig als nicht erfüllt, falls der Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung vertragliche Konditionen verschwiegen hat, bezüglich derer die Gesellschafterversammlung nicht davon hätte ausgehen können, sie würden Bestandteil des Vertrags sein.

Im Laufe des letzten Jahres hat sich der Oberste Gerichtshof in einer Reihe von bahnbrechenden Entscheidungen zum Thema geäußert. Laut Entscheidung 27 Cdo 1206/2022 kann in bestimmten Fällen von der (ansonsten gesetzlich vorgeschriebenen) rechtsförmigen Auskunft gegenüber der Gesellschafterversammlung abgewichen werden; anstelle dessen soll es ausreichen, dass der Geschäftsführer die Gesellschafter (außerhalb der GV) verständigt hat. Laut OGH soll die Auskunftspflicht in Ausnahmefällen auch dann als erfüllt gelten, wenn der „Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sämtliche Gesellschafter mit dem Inhalt des beabsichtigten Vertrags vertraut gemacht hat und die Gesellschafter entweder ihre Zustimmung zum Vertragsschluss erklärt haben oder doch zumindest das Vorhaben zur Kenntnis genommen haben, unter Verzicht auf ihr Recht, die Angelegenheit von der Gesellschafterversammlung ordentlich verhandeln (und den Vertragsschluss gegebenenfalls verbieten zu lassen), selbst wenn diese Feststellung für eine vollumfängliche rechtliche Würdigung der Angelegenheit unverzichtbar ist“.

In einer späteren Entscheidung (27 Cdo 3160/2022), ging der OGH noch einen Schritt weiter: unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falls schloss er, der Auskunftspflicht sei bereits dadurch Genüge getan gewesen, dass der Geschäftsführer (der zugleich Gesellschafter war), den anderen Gesellschafter verständigt hatte, welcher dem Vorhaben des Vertragsschlusses zustimmte und nicht auf einer Einberufung der Gesellschafterversammlung bestand).

Zugleich gilt, dass der OGH nicht klar abgrenzt, wann von den gesetzlichen Anforderungen abgewichen werden darf. Wer „auf Nummer sicher gehen will“, ist deshalb auch künftig gut beraten, die gesetzlichen Bestimmungen sorgfältig zu befolgen. Jedenfalls ist für die Zukunft damit zu rechnen, dass die Gerichte bei der Beurteilung der Frage, ob der Geschäftsführer seiner Auskunftspflicht nachgekommen ist, einen weniger formalistischen Maßstab anlegen werden.

Quelle:
Kapitalgesellschaftsgesetz (Ges. Nr. 90/2012 Slg., über Gesellschaften und Genossenschaften)
Entscheidung AZ Cdo 2699/2021
Entscheidung AZ 27 Cdo 2699/2021
Entscheidung AZ 27 Cdo 2699/2021

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