Tür und Tor offen für Sekundärinsolvenzverfahren in Litauen

Litauen: bnt Rechtsanwälte vertreten deutschen Insolvenzverwalter in Präzedenzfall für grenzüberschreitende Insolvenzen.

In dem Fall ging es darum, ob die Merkmale einer „Niederlassung“ i.S.d. Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) vorlagen, was litauischen Gerichten die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmens erlaubte, gegen das bereits in Deutschland ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

Gerichte in einem Mitgliedstaat dürfen Sekundärverfahren gegen einen Schuldner eröffnen, der den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in einem anderen Mitgliedstaat hat, selbst wenn in dem anderen Mitgliedstaat bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. Ein Sekundärverfahren darf nur eröffnet werden, wenn der Schuldner eine „Niederlassung“ in dem Mitgliedstaat hat, in dem die Eröffnung eines Sekundärverfahrens angestrebt wird. Gläubiger des Schuldners in diesem Staat dürfen die Eröffnung beantragen. Die Wirkungen des Sekundärverfahrens beschränken sich auf das Vermögen des Schuldners in diesem Mitgliedsstaats. Gläubiger können ihre Forderungen im Hauptverfahren und im Sekundärverfahren anmelden. Sekundärverfahren sind interessant für lokale Gläubiger, da das ihnen bekannte lokale Recht Anwendung findet. Auch können sie in ihrer Sprache kommunizieren.

Das litauische Berufungsgericht eröffnete das Sekundärverfahren 16 Monate nach Eröffnung des Hauptverfahrens in Deutschland. Es befand, dass die deutsche Gesellschaft eine „Niederlassung“ i.S.d. EuInsVO in Litauen hatte, einen „Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt“.

Die maßgebliche Frage für das Gericht war, wann eine Niederlassung existieren muss. Das Gericht meinte, es reicht aus, wenn die Niederlassung bei Eröffnung des Hauptverfahrens besteht und nicht später bei dem Antrag auf Eröffnung der Sekundärinsolvenz. Das Gericht wich damit von der Rechtsprechung deutscher und englischer Gerichte ab.

Diese Entscheidung hat das Tor weit geöffnet für Sekundärverfahren in Litauen, da es oft leicht sein wird zu zeigen, dass der ausländische insolvente Schuldner bei Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens eine Niederlassung in Litauen hat. Man wird sehen, ob dieser retrospektive Maßstab die Interessen lokaler Gläubiger schützt oder ob einige lokale Gläubigern diese Präzedenzentscheidung missbrauchen, um das Hauptverfahren zu torpedieren und eine bevorzugte Behandlung zu „verhandeln“.

Quelle: Entscheidung Litauisches Berufungsgericht, 7.8.2015, Zivilsache Nr. 2-1420-281/2015

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