Wegen den neuen ungarischen Verfahrensregeln ist die Klageerhebung schwerfälliger und die Streitschlichtung vor staatlichen Gerichten langsamer geworden.
Am 1. Januar 2018 ist in Ungarn die Zivilprozess-Novelle in Kraft getreten.
Ein ausdrückliches Ziel des Gesetzgebers war die Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren. Leider zeigen die Erfahrungen, dass die Auswirkungen bislang gegenteilig sind. Im Interesse der Beschleunigung führt die Novelle zwei wesentliche Neuerungen ein.
Das bislang einheitliche Verfahren wurde zweigeteilt: es wurden das Vorverfahren und die mündliche Verhandlung eingeführt.
Ziel des Vorverfahrens ist, dass innerhalb kurzer Frist (grundsätzlich 45, höchstens jedoch 90 Tage) nach Klageerhebung die Klageanträge, die Tatsachen- und Rechtsbehauptungen, Beweisanträge endgültig gestellt werden, damit in der mündlichen Verhandlung zur Sache nur noch Beweise erhoben und die Entscheidung getroffen werden müssen. Der Gesetzgeber sah nämlich – im Übrigen nicht unbegründet – den Hauptgrund der Verzögerungen der Prozesse darin, dass die Parteien im Zuge des Verfahrens ihre Tatsachen- und Rechtsbehauptungen, Klageanträge im Wesentlichen frei ändern konnten. Daher änderte sich auch die Richtung der Beweisführung und deren Umfang ständig, mithin führte das zu erheblichen Verzögerungen.
Neben der Einführung des geteilten Prozessaufbaus ist die andere wesentliche Neuerung die außerordentlich detaillierte Regelung dessen, welche Dokumente (Klageschrift, Klageerwiderung, Antwort, Rückantwort, Vorbereitungsschriftsatz, Widerklage, Aufrechnungsschriftsatz), in welcher Form, bzw. mit welchem Inhalt während des Verfahrens eingereicht werden müssen, bzw. können. Letztere Neuerung – das Vorschreiben des Inhaltes der Dokumente in einer bislang im ungarischen Verfahrensrecht nicht bekannten Detailliertheit – führt zu den Schwierigkeiten bei der Klageerhebung.
In einer außerordentlich hohen Anzahl wurden nämlich Klageschriften aus Gründen formeller Fehler zurückgewiesen und dessen Gründe können oft nicht aus dem Gesetz hergeleitet werden. Uns ist ein Fall bekannt, in dem beispielsweise das Gericht wegen des angeblichen Fehlers des Formats der vom anwaltlichen Vertreter angegebenen Telefonnummer die Klageschrift zurückgewiesen hat. Demgegenüber schreibt das Gesetz nur die Angabe der Telefonnummer vor. Leider weicht auch die Rechtsauslegung der Gerichte ab, sodass es unberechenbar ist, was ein Gericht zur Akzeptanz der Klageschrift erwartet. Zwar kann eine zurückgewiesene Klageschrift nach Ausbesserung erneut eingereicht werden, jedoch gestaltet sich das auch nicht immer einfach. Der Zurückweisungsbeschluss muss nämlich nicht alle Mängel nennen. Es kann vorkommen – und es erfolgt auch oft –, dass dieselbe Klageschrift wegen eines anderen vermeintlichen oder tatsächlichen formellen Fehlers ein zweites Mal zurückgewiesen wird.
Wegen der Erhöhung der Anzahl der Zurückweisungen wurden zwar die Verfahren statistisch gesehen beschleunigt – da ein Großteil der Angelegenheiten wegen der Zurückweisung innerhalb von 30 Tagen endet. Das bedeutet aber nicht die schnellere Erledigung der Rechtsstreitigkeiten.
Eine Lösung für dieses Problem wird ausschließlich die Zeit bringen. Es ist zu erwarten, dass die vereinheitlichende Wirkung der Tätigkeit der oberen Gerichte auf die Praxis in den nächsten Monaten bereits zu spüren sein wird, sodass die Unsicherheiten bei der Klageerhebung entfallen. Danach wird es sich herausstellen, ob das neue Gesetz die Streitschlichtung vor den staatlichen Gerichten tatsächlich beschleunigt.
Bis dahin raten wir unseren Mandanten, nach Möglichkeit alternative Streitschlichtungsforen in Anspruch zu nehmen (z.B. Mediation, Schiedsgerichtsverfahren, etc.) oder das Entfallen der durch das neue Gesetz verursachten Unsicherheiten abzuwarten.