Mehrarbeiten in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik

Czech Republic: Obwohl Mehrarbeiten regelmäßig auf der Grundlage einer entsprechenden Abrede zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer erbracht werden, wird dem Auftragnehmer der Anspruch auf deren Erstattung von der ständigen Rechtsprechung nicht selten verwehrt – der Auftragnehmer kann die Leistung noch nicht einmal aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung erwirken.

Im Rahmen der Umsetzung von Bauvorhaben ist es gang und gäbe, dass Arbeiten notwendig werden, die über den vereinbarten Umfang des Werks hinausgehen; solche über den vertraglichen Leistungsumfang hinausgehende Leistungen werden als Mehrarbeiten bezeichnet. Allerdings werden diese oft informell und ad hoc vereinbart, und die Frage, ob und in welcher Höhe der Auftragnehmer berechtigt ist, die Erstattung des Preises für diese Mehrarbeiten zu fordern, ist eine der häufigsten Ursachen für Streitigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Nicht zuletzt deswegen ist die Frage in der Vergangenheit bereits mehrfach vor den Obersten Gerichtshof der Tschechischen Republik gelangt.

Gemäß dem Handelsgesetzbuch gilt, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Preis für das Werk zu zahlen hat, der im Werkvertrag (entweder in konkreter Höhe oder in Form einer Berechnungsformel) vereinbart wurde (§ 546). Eine Minderung oder Anhebung des Werkpreises kommt nur dann in Frage, wenn sich die Parteien nach Abschluss des Werkvertrags auf eine Erweiterung, Einschränkung oder Änderung des Werks einigen, ohne die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den Werkpreis ausgehandelt zu haben (§ 549). In einem solchen Fall hat der Auftragnehmer kraft Gesetzes Anspruch auf Zahlung eines angemessen erhöhten Preises (im Falle einer Erweiterung des Werks) bzw. (im Falle einer Änderung des Werks) eines Preises, der im Hinblick auf den geänderten Leistungsumfang bzw. auf die mit der geänderten Ausführung des Werks einhergehenden, zweckmäßig aufgewandten Kosten angehoben wurde. Voraussetzung für die Anwendung des § 549 HGB ist aber gemäß der Auffassung des Obersten Gerichtshofs, dass der Auftraggeber und der Auftragnehmer bereits im Vorfeld eine Vereinbarung über die eigentliche Erweiterung bzw. qualitative Änderung des Werks getroffen haben – mit anderen Worten, eine Vereinbarung über die Änderung des Werkvertrags (vgl. z.B. AZ 29 Odo 214/2003).

In der Praxis steht der Anwendung des § 549 HGB (und damit der Entstehung des auftragnehmerseitigen Rechtsanspruchs auf Erstattung des Preises für geleistete Mehrarbeit) nicht selten eine im Werkvertrag verankerte Klausel entgegen, in der die Vertragsparteien vereinbaren, dass Vertragsänderungen lediglich in Schriftform möglich sind. Selbst wenn der Auftragnehmer die Mehrarbeit nach Absprache und gemäß Vereinbarung mit dem Auftraggeber vornimmt, gehen die Gerichte in derartigen Fällen recht formalistisch vor und sprechen Auftragnehmern bei Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses regelmäßig den Anspruch auf Erstattung der Mehrarbeiten (wg. Nichtigkeit der bloß mündlich vereinbarten Änderung) ab – und zwar auch in den Fällen, in denen im Verfahren nachgewiesen werden konnte, dass der Auftraggeber tatsächlich um die Erbringung der Mehrarbeiten nachsuchte und diese erwiesenermaßen erbracht wurden.

Um die Sache noch schlimmer zu machen, ist dem Auftragnehmer außerdem verwehrt, die Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherung geltend zu machen, denn nach dem Obersten Gerichtshof stellt die Leistung „nicht vereinbarter“ Mehrarbeiten weder eine Erfüllungsleistung ohne Rechtsgrund noch eine Erfüllungsleistung auf der Grundlage eines nichtigen Rechtsgeschäfts dar (AZ 23 Cdo 1146/2007).

Der Vollständigkeit halber muss auf ein Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts hingewiesen werden, welches die Möglichkeit konzediert, einen schriftlichen Vertrag mit Klausel des Schriftformvorbehalts auch auf andere Art und Weise (also z.B. vermittels mündlich getätigter Rechtsgeschäfte) zu ändern, soweit nicht rechtzeitig deren relative Nichtigkeit eingewandt wird (AZ I. ÚS 1264/11). Im Sinne dieser Rechtsprechung ließe sich ein Werkvertrag also gültig auch in nichtschriftlicher Form ändern, wodurch der Weg zur Anwendung des § 549 HGB-cz frei würde. Allerdings respektiert die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik diese Schlussfolgerung bisher nicht.

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist Auftragnehmern abschließend zu empfehlen, jegliche Änderungen am Werk nur auf der Grundlage einer expliziten, am besten in Schriftform getroffenen Abrede mit dem Auftraggeber auszuführen.

Tereza Chalupová, Rechtsanwaltskonzipientin

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