Ist die neue Form der Urlaubsanspruchsbestimmung wirklich gerechter?

Die lang erwartete Novellierung des Arbeitsgesetzbuchs hat eine Neuregelung beim Arbeitnehmerurlaub gebracht. Erklärte Hauptziele waren eine gerechtere Anspruchsberechnung und gerechtere Bedingungen für die Inanspruchnahme des Urlaubs. Was wird nun also ab Januar gelten?

Den Sommer und damit die Hauptreisezeit haben wir hinter uns – aber angesichts der besonderen Situation in diesem Jahr, bedingt durch die Coronavirus-Pandemie, sehnen sich viele von uns bereits jetzt danach, erneut die Gelegenheit zu haben, zu verreisen und auszuspannen.

Unter den wesentlichen inhaltlichen Änderungen, die im jüngsten Änderungsgesetz zum Arbeitsgesetzbuch enthalten sind, spielt das neue Urlaubskonzept eine wichtige Rolle. Der Gesetzgeber wollte die Berechnung des Urlaubsanspruchs einfacher und vor allem präziser ausgestalten und für mehr Gerechtigkeit bei der Inanspruchnahme von Urlaub durch alle Arbeitnehmergruppen sorgen, vermittels Bedingungen, die auf vergleichbar abgeleisteten Wochenarbeitsstunden basieren und nicht auf der Verteilung der Arbeitszeit über die einzelnen Schichten.

Die derzeitige Methode der Urlaubsberechnung, die auf abgearbeiteten Tagen beruht, ist tatsächlich in gewisser Hinsicht nicht immer fair: zwei Arbeitnehmer, von denen die selbe Anzahl an Arbeitsstunden im Kalenderjahr erwartet wird, haben wegen der Umrechnung in Tage womöglich nicht gleich viel Urlaub – etwa weil der eine von ihnen eine längere Schicht (z.B. 12 Stunden) als der andere (mit bloß sechs Stunden) an dem Tag abgeleistet hätte, an dem sie auf Urlaub gehen. Der Unterschied kann enorm ausfallen, sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber.

Das neue Urlaubskonzept, das ab Januar 2021 gelten wird, belässt den Mindesturlaub von vier Wochen unverändert. Die Berechnung des Urlaubsanspruchs des einzelnen Arbeitnehmers soll aber nicht mehr auf geleisteten Arbeitstagen basieren, sondern auf den wöchentlichen Arbeitsstunden, von denen sich der Urlaubsanspruch herleitet. Die Inanspruchnahme von Urlaub wiederum ist an eine fixe Anzahl von Stunden gebunden, und nicht an den tatsächlichen Wochenarbeitsplan. Die Anzahl der Jahresurlaubsstunden soll die Anzahl der vom Arbeitnehmer tatsächlich abgeleisteten Stunden widerspiegeln.

Weil nunmehr angeordnete und abgeleistete Arbeitsstunden als neue Zeiteinheit für die Urlaubsberechnung herangezogen werden, gibt es keinen „Urlaub für geleistete Arbeitstage“ mehr. Ab Januar wird bei den Urlaubskategorien nur noch zwischen dem (gegebenenfalls anteiligen) Kalenderjahresurlaub und zusätzlichem Urlaub unterschieden.

Arbeitnehmer erlangen den Anspruch auf Kalenderjahresurlaub, indem sie (während des Bestehens ihres Beschäftigungsverhältnisses bei ein und demselben Arbeitgeber) die gesetzlich vorgegebene Anzahl an Wochenarbeitsstunden (bzw. die vertraglich vereinbarte geringere Anzahl an Wochenarbeitsstunden) über die 52 Wochen des Kalenderjahrs abgearbeitet haben, die auf jede dieser 52 Wochen im Durchschnitt entfällt (also z.B. 40 Stunden pro Woche). Die Dauer des Kalenderjahresurlaubs entspricht dann der Dauer der Wochenarbeitszeit des jeweiligen Arbeitnehmers multipliziert mit der Anzahl der Wochen des zugesprochenen Urlaubs.

Um dies an einem praxisnahen Beispiel zu verdeutlichen: ein Arbeitnehmer, der 40 Stunden pro Woche arbeitet und den Mindestanspruch von vier Wochen zugesprochen bekommen hat, hat Anspruch auf 160 Stunden Jahresurlaub (40 Stunden mal 4 Wochen).

Arbeitnehmer, denen kein Anspruch auf den gesamten Jahresurlaub entsteht, haben Anspruch auf einen entsprechenden Teil des Gesamturlaubs, solange sie beim selben Arbeitgeber im selben Arbeitsverhältnis wenigstens vier Wochen im Umfang der gesetzlichen (bzw. ggfs. vertraglich verkürzten) Wochenarbeitszeit abgeleistet haben. Für jede „Wochenarbeitseinheit“, die solcherart abgearbeitet wurde, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf 1/52 des Jahresurlaubs.

Ein wichtiger Bestandteil des neuen Konzepts für die auf Stunden anstelle von Tagen basierende Urlaubsberechnung sind die Änderungen betreffend die Urlaubskürzung. Bisher war es so, dass Arbeitgeber den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern wg. unerlaubter Fehlzeiten und wg. Arbeitshindernissen kürzen konnten. Künftig soll die Streichung von Urlaub nur noch möglich sein, wenn der Arbeitnehmer unerlaubt der Arbeit ferngeblieben ist, und auch dann nur im Umfang der dadurch versäumten Arbeitsstunden. Arbeitshindernisse werden gegebenenfalls (aber nicht notwendigerweise) auf die geleistete Wochenarbeitszeit angerechnet, und beeinflussen somit indirekt den Urlaubsanspruch insgesamt.

Wir halten die Neuregelung für eine Verbesserung, die zu einem ausgewogeneren Kompromiss zwischen den berechtigten Interessen auf Arbeitnehmerseite und Arbeitgeberseite beitragen dürfte. Zugleich aber bedeutet sie einen umwälzenden Eingriff in die eingespielte und etablierte Personalführung. Von daher ist Arbeitgebern nur zu empfehlen, sich rechtzeitig und gründlich auf die neue Gesetzeslage vorzubereiten, und zwar konkret durch eine Aktualisierung der unternehmensinternen Personalsysteme und eine eingehende Beschäftigung mit den neuen Berechnungsschlüsseln.

Quelle:
Arbeitsgesetzbuch (Ges. Nr. 262/2006 Slg., in der Fassung des Änderungsgesetzes Nr. 285/2020 Slg.)

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