Litauen: Am 20 Mai 2015 verabschiedete das Europäische Parlament die Änderungen der Europäischen Verordnung über das Insolvenzverfahren Nr. 1346 (Verordnung).
Die Änderungen:
- Einfacher Zugang zu nationalen Insolvenzregistern: eine neue Datenbank (Europäisches Justizportal) gibt den Gläubigern, Investoren, Geschäftspartnern, Juristen und anderen eine einzigartige Möglichkeit, sich darüber zu erkundigen, ob ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Geschäftspartners eröffnet wurde;
- Definition von MHIS: während in der früheren Version die Verordnung eine Definition von MHIS (Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses des Schuldners) nicht vorgesehen war, wird MHIS nun als der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist. Es bleibt bei der Vermutung zugunsten der eingetragenen Firmenadresse;
- Einschränkungen des Forum Shoppings: die frühere Praxis des Niederlassungswechsels kurz vor der Insolvenz, die dazu diente sich einer vorteilhafteren Insolvenzordnung zu unterwerfen, wurde eingeschränkt. Findet ein Niederlassungswechsel in einem Zeitraum von 3 Monaten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt, greift die Vermutung der eingetragenen Firmenadresse nicht. Im Ergebnis steigt Beweislast erheblich. Jedoch bleibt in gewissen Fällen nach wie vor die Möglichkeit bestehen, 3 Monate abzuwarten und erst dann den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Die letztgenannte Möglichkeit wirft allerdings die Frage auf, wie effektiv die Einschränkung des Missbrauchs eines Forum Shopping in der Praxis tatsächlich sein wird.
- Breiterer Anwendungsbereich: Die Verordnung umfasst mehr Arten von Unternehmens- und Privatinsolvenzverfahren, die alle im Anhang aufgelistet sind (zum Beispiel das italienische Sanierungsplanverfahren).
- Mehr Umstrukturierungsmöglichkeiten: Die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren wird beschränkt. Außerdem führt das Sekundärinsolvenzverfahren nicht mehr zwingend zu einem Liquidationsverfahren.
- Mehr Möglichkeiten zur Rettung einer Unternehmensgruppe: Eine neue Pflicht zur Zusammenarbeit für Gerichte und Amtsträger bei internationalen Insolvenzen wurde eingeführt. Dies soll die Chancen erhöhen, Unternehmensgruppen als Ganzes zu retten.
Die geänderte Verordnung (EG) 2015/848 wurde am 5. Juni 2015 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und wird am 26. Juni 2017 – mit mehreren Ausnahmen – in Kraft treten.