Litauen: Welche Entscheidungen der Geschäftsführung bedürfen der Genehmigung durch die Hauptversammlung?

Das Oberste Gericht Litauens hat eine Entscheidung zur Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführer und Hauptversammlung getroffen.

Bisher gab es Uneinigkeit, ob die Befugnisse des Geschäftsführers beschränkt werden konnten, d.h. in welchen Fällen für die Entscheidungen des Geschäftsführers zwingend die Zustimmung der Hauptversammlung eingeholt werden muss. Der Hintergrund war, dass das litauischen Aktiengesellschaftsgesetz (AktGG) eine Liste von Beschränkungsmöglichkeiten vorgab. Unklar war jedoch, ob diese Liste als abschließend zu betrachten ist oder ob in der Satzung weitere, nicht im Gesetz genannte, Beschränkungen festgelegt werden konnten.

Im vor dem Obersten Gerichts verhandelten Fall ging es darum, dass in einer neuen Fassung der Satzung vorgesehen wurde, dass für bestimmte Handlungen des Geschäftsführers, wie z.B. für die Erörterung und Genehmigung der Führungsstruktur und der Stellen im Unternehmen, für Entscheidungen über die Gründung oder Beteiligung an anderen juristischen Personen sowie für Entscheidungen über die Errichtung von Zweigniederlassungen oder Repräsentanzen stets die vorherige Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich sei.
Es war die Frage zu klären, inwieweit solche Beschränkungen der Befugnisse des Geschäftsführers den Bestimmungen des litauischen Zivilgesetzbuches und des AktGG widersprächen. Nach dem AktGG kann die vorherige Zustimmung der Hauptversammlung in der Satzung der Gesellschaft nur für die im Gesetz genannten Fällen verlangt werden (auflistet im Artikel 34 Absatz 4 Punkten 3, 4, 5 und 6 AktGG), die vom Geschäftsführer der Gesellschaft getroffen werden, falls kein Vorstand gebildet wird.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs handelt es sich bei den im AktGG aufgeführten Fällen um keine abschließende Auflistung. In der Satzung könnten demnach auch andere Fälle vorgesehen werden. Neben der Rechtsprechung des Revisionsgerichtshofs nahm das Gericht dabei auch Bezug auf die Bestimmungen des deutschen GmbH-Gesetzes und das von der Europäischen Expertengruppe für Gesellschaftsrecht im Jahr 2017 ausgearbeitete europäische Modellgesetz im Kapitalgesellschaftsrecht der European Model Company Act (EMCA).
Die Zustimmung bedeute nach Ansicht des Gerichts auch nicht, dass die Hauptversammlung die Kompetenz des Geschäftsführers (Vorstandes) übernimmt, sondern dass sie (die Hauptversammlung) am Beschlussfassungsprozess der Gesellschaft teilnimmt, indem sie ein Verfahren für die Beschlussfassung des Geschäftsführers (Vorstandes) festlegt. Auch wenn der Geschäftsführer (Vorstand) die Zustimmung einholen muss, bleibt er für seine Entscheidungen und die Folgen der Entscheidungen verantwortlich. Die Zustimmung bedeutet nicht die Beschränkung der Befugnisse des Geschäftsführers, sondern die Festlegung der Ordnung für Beschlussfassung.

Quelle: Urteil des litauischen Obersten Gerichtes vom 2. Dezember 2021 in der Zivilsache Nr. e3K-3-300-313/2021

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