Litauen: Kann ein Tarifvertrag positiv sein…für den Arbeitgeber?

Probleme bei Tarifverhandlungen in Litauen. Werden sie angegangen und gelöst? (Teil 1)

Allgemein

In der internationalen Gesetzgebung, insbesondere im Übereinkommen und den Veröffentlichungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), werden Tarifverträge als ein Instrument dargestellt, das einen reibungslosen sozialen Dialog garantiert. Die Erfahrungen der europäischen Länder zeigen einen klaren Trend dahingehend, dass Tarifverträge als ein wirksames und effizientes ergänzendes Instrument zur Regelung der Arbeitsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern anzusehen sind.

Vor allem die Gewerkschaften in Litauen haben sich lautstark für den Nutzen, die Notwendigkeit und die Bedeutung von Tarifverträgen für Unternehmen ausgesprochen. Jedoch besitzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer recht unterschiedliche Auffassungen über deren Nutzen.

Das Arbeitsgesetzbuch der Republik Litauen (im Folgenden als „Arbeitsgesetz“ bezeichnet) legt fest, dass Arbeitgeber und/oder Gewerkschaften Tarifverhandlungen einleiten und Tarifverträge abschließen können. Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieses Recht, Tarifverträge zu initiieren, auszuhandeln und zu unterzeichnen, auf Arbeitnehmerseite ausschließlich den Gewerkschaften übertragen ist, während andere Arbeitnehmervertreter (Betriebsräte oder Treuhänder der Arbeitnehmer) dieses Recht nicht besitzen.  Aus diesem Grund stellen die Gewerkschaften auch die lauteste Stimme dar. Ihre Hauptbotschaft ist, dass Tarifverträge in jedem Unternehmen notwendig sind, aber Arbeitgeber sind skeptisch hinsichtlich deren Notwendigkeit, möchten diese nicht unterzeichnen, und verzögern die Verhandlungen. Dies ist einer der Gründe, warum der soziale Dialog im Land kaum Fortschritte macht.

Das Problem der Anreize bei Tarifverhandlungen.

Das Wesen eines Tarifvertrags besteht darin, eine Vereinbarung zu schließen, mit der sich die beiden Parteien des Arbeitsverhältnisses auf eine günstigere Regelung des Arbeitsverhältnisses einigen, die den besonderen Bedingungen des Unternehmens oder des Betriebs Rechnung trägt und einen Interessenausgleich gewährleistet.  Eine solche Vereinbarung kann daher ein hervorragendes ergänzendes Instrument für beide Parteien des Arbeitsverhältnisses sein. Es sollte auch erwähnt werden, dass das Arbeitsgesetzbuch zwischen mehreren Arten von Tarifverträgen unterscheidet, – auf nationaler (branchenübergreifender), regionaler, Branchen-, Arbeitgeber- und Betriebsebene. Die Tarifverträge können sich inhaltlich unterscheiden.

Die Gewerkschaft als Vertreterin der Arbeitnehmer und mit Initiativrecht übt dieses Recht normalerweise aus, indem sie dem Arbeitgeber vorschlägt, den Abschluss eines Tarifvertrags zu initiieren. In der Realität kann eine solche Initiative jedoch aus mehreren Gründen kompliziert sein:

1) In einem Unternehmen oder einer Einrichtung kann es eine große Anzahl von Gewerkschaften geben (theoretisch fast unbegrenzt). Sind diese sich nicht einig oder wollen diese keine gewerkschaftliche Vertretung bilden, kommt es nicht zu einer Tarifvertragsinitiative auf Arbeitgeberebene. Oder aber der Arbeitgeber schließt nur mit der aktivsten Einzelgewerkschaft einen Tarifvertrag ab, der jedoch nicht wirklich sein Ziel erreicht;

2) Wenn es im Unternehmen keine Gewerkschaft gibt und die Arbeitnehmer von einem Betriebsrat vertreten werden, und das Unternehmen nicht unter nationale, sektorale oder regionale Vereinbarungen fallen und die Hauptversammlung der Arbeitnehmer die sektorale Gewerkschaft nicht ermächtigt hat, einen Tarifvertrag auf Arbeitgeberebene auszuhandeln, haben sie nicht einmal die theoretische Möglichkeit, einen Tarifvertrag zu initiieren.

Meine Einschätzung

Daher bin ich davon überzeugt, dass wir neben der Frage der Initiative bei Tarifverhandlungen auch die Frage der angemessenen Vertretung der Arbeitnehmer aufwerfen können – warum hat ein starker Betriebsrat in einem Unternehmen nicht das Initiativrecht, dem Arbeitgeber einen Tarifvertrag vorzuschlagen?

Die Autorin hat noch nie von einem Fall gehört, in dem ein Tarifvertrag vom Arbeitgeber oder den Arbeitgeberverbänden initiiert wurde, obwohl der Gesetzgeber ihnen das Recht dazu gegeben hat.

Eine gut vorbereitete Initiative des Arbeitgebers zur Aufnahme von Tarifverhandlungen kann zu einem guten Ergebnis führen.  Es sei daran erinnert, dass eine Partei, die ein Angebot zur Aufnahme von Verhandlungen erhält, kein Recht besitzt, die Teilnahme an solchen Verhandlungen abzulehnen.

Eine solche Initiative umfasst auch klar formulierte Forderungen an die andere Partei. Bei der Abfassung dieser Forderungen ist es wichtig, darauf zu achten, welche Art von Tarifvertrag initiiert wird und welche Forderungen gestellt werden. So sieht der Tarifvertrag vor, dass in einem nationalen, regionalen oder Branchentarifvertrag Lohnfragen und in einem Tarifvertrag auf Arbeitgeberebene die Lohnbedingungen erörtert werden können, während in allen Arten von Tarifverträgen „andere Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsbedingungen, die für die Parteien von Bedeutung sind“.

Da ein Tarifvertrag auf Arbeitgeberebene keine Bestimmungen enthalten darf, die von den zwingenden Vorschriften des Arbeitsgesetzbuches abweichen, kann man sich ohne anwaltliche Hilfe durchaus im Unklaren darüber befinden, ob die Forderungen der anderen Partei mit den zulässigen Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches  konform sind.

Die vom Arbeitgeber beauftragten Anwälte können die Initiative von Verhandlungen für Tarifverträge gründlich vorbereiten, so dass Tarifverträge für Arbeitgeber nicht nur ein notwendiges Übel sondern wirklich ein fruchtbares Instrument für den sozialen Dialog im eigenen Unternehmen sind. Des Weiteren sind wir auch gern bereit, Arbeitgeber in Tarifverhandlungen konstruktiv zu vertreten.

(Fortsetzung im nächsten Teil)

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