Zu den Voraussetzungen für die Einräumung des Notwegerechts

Der Oberste Gerichtshof hat sich erneut mit den Voraussetzungen für die Einräumung eines Notwegerechts befasst, und zwar insbesondere in Bezug auf die Parameter der etwa vorhandenen Verbindung der fraglichen Liegenschaft mit dem öffentlichen Wegenetz unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Immobilieneigners.

Das Amtsgericht in Semily sowie in nächster Instanz das Bezirksgericht in Hradec Králové entsprachen einer Klage auf Bestellung eines Notwegerechts in Form einer Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht), obwohl die Liegenschaft der Klägerin bereits über einen auf ihr Grundstück führenden Fußpfad mit dem öffentlichen Wegenetz verbunden war.

Die Beklagten legten daraufhin beim Obersten Gerichtshof Revision ein. In ihrem Schriftsatz formulierten sie u.a. die folgenden Fragen:

  1. Ist es statthaft, das Grundrecht des Eigentümers einer Anrainerimmobilie zu beschneiden, um besseren Zugang zu einem Grundstück von einer öffentlichen Straße her zu schaffen?
  2. Können die persönlichen Verhältnisse eines Klägers (Eigentümers einer Liegenschaft) die Bestellung einer Dienstbarkeit in Form eines Geh- bzw. Fahrrechts an einer (dienenden) Drittimmobilie (dem Nachbargrundstück) zugunsten des Klägers und sämtlicher weiterer Eigentümer der herrschenden Immobilie rechtfertigen?

Bezüglich der ersten Frage rief der Oberste Gerichtshof in Erinnerung, dass die gesetzliche Voraussetzung für die Einräumung eines Notwegerechts nicht darin besteht, dass überhaupt keine Verbindung zwischen der gegebenen Liegenschaft und dem öffentlichen Wegenetz besteht, sondern nur darin, dass keine ausreichende Verbindung besteht, die die ordentliche Bewirtschaftung der Liegenschaft ermöglicht.

Die Beurteilung, ob eine etwa bereits bestehende Verbindung in diesem Sinne ausreichend ist, oder ob die Klage lediglich auf die Erlangung einer bequemeren Verbindung abzielt, ist sodann Ermessenssache der Richter. Im vorliegenden Falle befanden die Gerichte nicht zuletzt aufgrund einer Inaugenscheinnahme im Rahmen eines Ortstermins, der bestehende Fußpfad, der wg. des komplizierten Geländeverlaufs nicht in einen mit Kraftfahrzeugen zu befahrenden Weg überführt werden konnte, sei nicht als ausreichend zu bezeichnen. Der Fußpfad ermöglichte nämlich noch nicht einmal die elementarste Bewirtschaftung der klägerischen Immobilie (in Form einer Personenbeförderung oder der Anlieferung von Einkäufen oder Heizmaterial).

Mit diesen Parametern des Fußpfads hing sodann die vom OGH gewählte Lösung der zweiten o.g. Frage zusammen. Das Gericht rief den Revisionsklägerin in Erinnerung, dass es bereits in früheren Entscheidungen befunden hatte, die persönlichen Verhältnisse einer Partei, die um ein Notwegerecht nachsucht, müssten unter Berücksichtigung der objektiv bestehenden Umstände im Einzelfall bewertet werden, da das Gemeinwesen sich nicht nur aus Menschen durchschnittlichen Alters und durchschnittlicher Gesundheit zusammensetzt, sondern auch aus Senioren, Behinderten oder Familien mit kleinen Kindern.

Im vorliegenden Fall war die Klägerin eine in ihrer Bewegungsfreiheit teilweise eingeschränkte Person im Rentenalter, für die der vorhandene Fußpfad über unwegsames Gelände nach Auffassung der ordentlichen Gerichte keinesfalls eine ausreichende Verbindung zum öffentlichen Wegenetz darstellen konnte.
Da das Bezirksgericht ansonsten in den o.g. Fragen nicht von der Entscheidungspraxis des OGH abgewichen war und in seiner Entscheidung der Klage auch anderweitig nicht gefehlt hatte, wies der Oberste Gerichtshof die Revisionsklage als unzulässig ab.

Quelle:
Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 13.12.2021 (22 Cdo 752/2021-488)

Newsletter abonnieren

Wenn Sie den Newsletter abonnieren, stimmen Sie zugleich unseren Datenschutzbedingungen zu.