Tschechien: Wer hat die Vertretungsmacht für ausländische juristische Personen, und in welchem Umfang?

In seiner Entscheidung vom 23.11.2022 befasste sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, welches Recht auf die innere Verfassung einer im Ausland eingetragenen juristischen Person anzuwenden ist.
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Die Revisionsklägerin, eine im U.S.-Bundesstaat Nevada zugelassene juristische Person, war als Verkäuferin mit einer tschechischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung einen notariell beurkundeten Kaufvertrag eingegangen, der die Übertragung von Grundstücken im Wert von 209.600.000,- CZK zum Gegenstand hatte. Der notariellen Niederschrift war als Anlage u.a. die Satzung der Revisionsklägerin beigefügt, aus der hervorging, dass sie von zwei „Managern“ („Manager 1“ und „Manager 2“) vertreten wird. Gemäß dem Operating Agreement der Gesellschaft wird diese von zwei gemeinsam handelnden Geschäftsführern vertreten, soweit sich aus dem Vertrag nichts anderes ergibt. Allerdings war Manager 1 gemäß Operating Agreement u.a. nur berechtigt, über Vermögen zu verfügen, dessen Wert 100.000,- USD nicht übersteigt. Bei Abschluss des Kaufvertrags namens der Revisionsklägerin hatte Manager 1 allein gezeichnet (später unterzeichneten beide Manager einen inhaltlich identischen Vertrag).

Das Gericht erster Instanz und das Berufungsgericht hatten sich mit einer ganzen Reihe von Teilfragen zu befassen; der Oberste Gerichtshof beschränkte sich aber einzig und allein auf die Beurteilung der Ausgangsfrage: welchem Recht ist in der beschriebenen Situation die innere Verfassung der Revisionsklägerin als ausländischer juristischer Person unterworfen, wenn sie in der Tschechischen Republik Rechtsgeschäfte tätigt? Die daran anknüpfenden Punkte der ursprünglichen Klage sind bis dato noch nicht gerichtlich entschieden, weshalb der vorliegende Artikel sich lediglich mit dem Problemkreis befasst, dem sich der Oberste Gerichtshof gewidmet hat.

Das erstinstanzliche Gericht ging von der Regelung gemäß der tschechischen Rechtsordnung aus. Dieser zufolge sind interne Geschäftsbeschränkungen von Personen, die die statutarische Vertretungsmacht für eine juristische Person innehaben, im Außenverhältnis nur dann wirksam, wenn diese Tatsache den jeweiligen Dritten bekannt war; aus der Satzung der Revisionsklägerin war die Einschränkung der Geschäftsführerkompetenzen jedenfalls nicht ersichtlich. Darüber hinaus befand das Gericht, der zweite Geschäftsführer (Manager) habe den Kaufvertrag späterhin mit seiner Unterschrift auf der Neufassung des Kaufvertrags „abgesegnet“. Das Berufungsgericht folgte der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts.

Der Oberste Gerichtshof hingegen verwies auf die Bestimmung des § 30 Abs. 1 des Gesetzes über das internationale Privatrecht („IPR-Gesetz“), wonach die Rechtspersönlichkeit einer juristischen Person derjenigen Rechtsordnung unterworfen ist, in der sie zustande kam, und zwar auch, was ihre innere Verfassung, Fragen der Vertretungsmacht usw. betrifft. In diesem Zusammenhang erklärte der Oberste Gerichtshof, hierin komme das sog. Inkorporationsprinzip zum Ausdruck, welches von der These ausgeht, dass die Rechtsordnung, nach der eine juristische Person entsteht, ihr Rechtspersönlichkeit und Geschäftsfähigkeit verleiht, und dass sich nach dieser Rechtsordnung u.a. auch weitere, in § 30 IPR-Gesetz beispielhaft aufgelistete Fragen richten, also auch die, wer für die juristische Person als statutarischer Vertreter handelt und zeichnet.

Gemäß den Nevada Revised Statutes sind Instrumente und Aufzeichnungen, mit denen Vermögen der Gesellschaft erworben oder belastet oder anderweitig über dieses verfügt wird, für die Gesellschaft dann gültig und verbindlich, wenn sie von einem oder mehreren ihrer Manager unterzeichnet wurden, es sei denn, die Satzung oder der Gesellschaftervertrag (also das Operating Agreement) bestimmen etwas anderes. In Verbindung mit § 30 IPR-Gesetz haben die vorstehend beschriebenen Regelungen des Rechts des Staates Nevada betreffend die Übertragung von Vermögen juristischer Personen damit Auswirkungen auch auf die vorliegend zu beurteilende Situation.

Der vom Berufungsgericht gezogene Schluss hinsichtlich der Beschränkung der Geschäftsführerbefugnisse ist damit nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs unrichtig. Mit seiner Entscheidung vom 23.11.2022 hob der Oberste Gerichtshof die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur Neuverhandlung an selbiges. Das Berufungsgericht wird sich dabei v.a. mit dem Inhalt der einschlägigen rechtlichen Regelung des Staates zu befassen haben, in dem die Revisionsklägerin als juristische Person eingetragen ist.

Quelle:
Urteil des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republic vom 23.11.2022 (AZ 27 Cdo 1803/2021-599)

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