Tschechien: Zur Parallelführung von fristloser Kündigung und ordentlicher Kündigung

Die gängige Praxis von Arbeitgebern, bereits fristlos gekündigten Arbeitnehmern der guten Ordnung halber auch noch die reguläre Kündigung auszusprechen, macht sich nicht unbedingt bezahlt.

Ein Großteil der Arbeitgeber kommt im Laufe des Geschäftslebens damit in Berührung, dass Arbeitnehmer ihre Pflichten verletzen, welche sich aus den Rechtsvorschriften in Bezug auf die vom Arbeitnehmer zu leistende Arbeit ergeben. Der Arbeitgeber hat dann zu entscheiden, wie er die Situation lösen möchte, und ob das Vergehen des Arbeitnehmers als derart schwerwiegend zu werten ist, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht wünschenswert ist. Je nach Schwere des Pflichtverstoßes seitens des Arbeitnehmers steht dem Arbeitgeber die Wahl offen, das Beschäftigungsverhältnis entweder mit sofortiger Wirkung zu lösen oder dem Arbeitnehmer die (ordentliche) Kündigung auszusprechen.

In der Praxis kann es sich schwierig gestalten, die Intensität einer Verletzung von Arbeitspflichten zu beurteilen; der Arbeitgeber kann sich vor die Tatsache gestellt finden, dass er sich nicht sicher ist, welche Schweregrad eines Pflichtverstoßes vorliegt. In der Praxis gehen deshalb einige Arbeitgeber den Weg, dem Arbeitnehmer fristlos zu kündigen und ihm gleichzeitig und aus denselben Gründen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen; so wollen sie dem Risiko begegnen, das sich daraus ergibt, dass ein Gericht womöglich die fristlose Kündigung annulliert. Sollte sich die fristlose Kündigung als nichtig herausstellen, so die Hoffnung des Arbeitgebers, dann greift die ordentliche Kündigung und das Arbeitsverhältnis des pflichtvergessenen Arbeitnehmers endet spätestens mit Ablauf der (ordentlichen) Kündigungsfrist.

Allerdings ist allen Arbeitgebern von dieser Vorgehensweise abzuraten, und zwar insbesondere im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung. Bereits 2019 befand der Oberste Gerichtshof, in einer Situation, in der der Arbeitgeber die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstrebt, sei es nicht statthaft, „zur Sicherheit“ auch noch die ordentliche Kündigung auszusprechen, und zwar aus denselben Kündigungsgründen. Nach Auffassung des OGH führt die parallele fristlose und ordentliche Kündigung dazu, dass der Beginn der Kündigungsfrist aufgeschoben wird, in Abhängigkeit von einem ungewissen Ereignis, dessen Eintreten (bzw. Zeitpunkt des Eintretens) nicht bekannt ist. Vom Lauf der Kündigungsfrist ist aber u.a. wiederum die Frist zur gerichtlichen Einrede der Ungültigkeit der Kündigung abhängig. Da diese Bestimmungen zwingender und unabdingbarer Natur sind, schloss der Oberste Gerichtshof, eine Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses, die mit einem weiteren Rechtsgeschäft bedingt ist, sei nichtig. Sprich: wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung beendet und ihm zugleich „zur Sicherheit“ die Kündigung ausspricht, so ist diese Kündigung nichtig. Stellt sich heraus, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtens war, kann man sich nicht auf die „der guten Ordnung halber“ ausgesprochene Kündigung verlassen – denn diese ist nichtig – und das Beschäftigungsverhältnis dauert damit fort.

Von daher sollten Arbeitgeber, die sich mit der Notwendigkeit konfrontiert sehen, die Intensität eines arbeitnehmerseitigen Verstoßes gegen Arbeitspflichten zu beurteilen, Acht geben und sorgfältig erwägen, ob das Vorgehen des Arbeitnehmers tatsächlich eine besonders grobe Pflichtverletzung darstellt, die den Arbeitgeber zur sofortigen Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses berechtigt. Ist sich der Arbeitgeber bezüglich der Intensität der Pflichtverletzung unsicher, so bietet sich aus Vorsichtsgründen die „sicherere“ Variante an, d.h. die ordentliche Kündigung anstelle der fristlosen Kündigung. Sollte sich der Arbeitnehmer mehrere Verstöße zuschulden haben kommen lassen, so ließe sich über eine fristlose Kündigung aus dem Rechtsgrund nur des einen oder anderen Verstoßes nachdenken, um die übrigen Verstöße für eine etwaige ordentliche Kündigung „zurückzubehalten“. Alternativ dazu könnte man über die umgekehrte Reihenfolge von Disziplinarmaßnahmen nachdenken, wonach dem Arbeitnehmer vorrangig die Kündigung erteilt wird; später erfolgt dann die fristlose (und im Idealfall mit einem inhaltlich verschiedenen Tatbestand begründete) Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses.

Die Auflösung von Beschäftigungsverhältnissen sollte in jedem einzelnen Fall mit Bedacht angegangen werden, unter Berücksichtigung sämtlicher Möglichkeiten und der sorgfältigen Beweiskrafterwägung bei der Führung des Nachweises, dass der Arbeitnehmer Arbeitspflichten verletzt hat. Je nach Unternehmensgegenstand werden Pflichtverstöße bei verschiedenen Arbeitgebern sehr unterschiedliche Konsequenzen und damit Schweregrade haben; deshalb ist es im Zweifelsfalle in Hinblick auf den gesetzlichen und gerichtlichen Arbeitnehmerschutz angebracht, eher die mildere Form der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu wählen. Die bessere Variante bleibt stets die Trennung im Einvernehmen.

Quelle:
Arbeitsgesetzbuch (Ges. Nr. 262/2006 Slg.)
Urteil AZ 21 Cdo 3541/2019 des Obersten Gerichtshofs vom 11.12.2019

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