Nichtigkeitserklärung der Hauptversammlung vs. Befristung der Ergänzung von Tagesordnungspunkten durch einen qualifizierten Aktionär

In seinem neuen Urteil 27 Cdo 3620/2020 präzisiert der Oberste Gerichtshof der Tschechischen Republik die Bedingungen und Einschränkungen, unter denen der qualifizierte Aktionär Tagesordnungspunkte nachreichen kann, die von der Hauptversammlung verhandelt werden sollen.

In einer Aktiengesellschaft, die von zwei Anteilseignern, M.P. und K.S., zu jeweils 50% gehalten wurde, wobei M.P. und K.S. zugleich Vorstandsposten bekleideten, wurde auf Wunsch des Aktionärs M.P. vom 17.07.2018 die Hauptversammlung vom Vorstandsmitglied M.P. auf den 3.5.2018 einberufen. Die ursprüngliche Tagesordnung umfasste vier Punkte; im Mittelpunkt stand die Wahl der Organe der Hauptversammlung und die Genehmigung einer Ergänzung der Managerverträge für die Vorstandsmitglieder um einen Artikel betreffend die persönlichen Angaben zum Vorstandsmitglied in den Punkten 1, 2, 3. Am 27.4.2018 freilich wurde der Gesellschaft ein Gesuch des qualifizierten Aktionärs M.P. zugestellt, wonach die Tagesordnung um einen weiteren Punkt ergänzt werden sollte: „Abberufung des Vorstandsmitglieds K.S. von seinem Gesellschaftsamt wegen Verstoß gegen seine Pflichten als Vorstandsmitglied“, von dem der Aktionär K.S. sowie das weitere Vorstandsmitglied erst am Tag des Stattfindens der Hauptversammlung selbst, also am 3.5.2018, also unmittelbar vor Beginn der Hauptversammlung erfuhren. Letztere waren mit der Aufnahme des Punkts in die Tagesordnung nicht einverstanden; das Vorstandsmitglied M.P. tat dies aber trotzdem. Mit der Stimme des Aktionärs M.P. verabschiedete die Hauptversammlung eine Entscheidung über die Abberufung des Aktionärs K.S. vom Amt des Vorstandsmitglieds; der Aktionär K.S. übte sein Stimmrecht nicht aus. Gegen diese Entscheidung legte der Aktionär K.S. Protest ein; die Aufnahme des betreffenden Tagesordnungspunkts habe im Widerspruch zu den Fristen gestanden, die in § 369 Abs. 2 (nunmehr Abs. 3) des Kapitalgesellschaftsgesetzes in seiner bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung festgesetzt waren.

Das erstinstanzliche Gericht, dessen Spruch vom Berufungsgericht bestätigt wurde, ging von der Entscheidung 8 Cmo 199/2019-144 aus, wonach eine Hauptversammlung, an der sämtliche Aktionäre teilnehmen, nicht allein wg. gesetzwidriger Einberufung der Hauptversammlung für nichtig erklärt werden kann, zumal es qualifizierten Aktionären ermöglicht wird, um die Aufnahme von Tagesordnungspunkten auch innerhalb einer Frist von weniger als fünf Tagen nachzusuchen. Die Gründe für die Abberufung des Revisionsklägers von der Geschäftsführung wurden vom Gericht für stichhaltig erachtet.

In seinem Urteil stützte sich der Oberste Gerichtshof auf Art. 6 der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007, über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (die „Richtlinie“). Die Einberufung der Hauptversammlung dient der Verwirklichung des Rechts der Aktionäre, an der Hauptversammlung teilzunehmen; dass die Einladung den Anforderungen an die korrekte Form, den Inhalt und die Fristen genügt, ist unabdingbarer Bestandteil dieses Rechts. Teilt die Gesellschaft ihren Aktionären keine ausreichenden Informationen mit, so wird es diesen verunmöglicht, sich ordentlich und eingehend auf die Hauptversammlung vorzubereiten und damit ihr Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung in vollem Umfang auszuüben. Das Kapitalgesellschaftsgesetz ermöglicht es dem qualifizierten Aktionär zwar, auch nach der Einberufung der Hauptversammlung noch um eine Erweiterung der Tagesordnung nachzusuchen. Könnte er dies jedoch ohne jegliche inhaltliche oder zeitliche Begrenzung tun, würde diese Praxis den o.g. Zielen der Richtlinie zuwiderlaufen. Die Bekanntgabe der Ergänzung der Tagesordnung sollte von daher innerhalb der in § 369 Abs. 2 (nunmehr Abs. 3) des Kapitalgesellschaftsgesetzes gesetzten Fristen stattfinden. Insofern als die gesetzlichen Fristen im vorliegenden Fall nicht eingehalten wurden und die Tagesordnung außerdem nicht förmlich um den neuen Punkt ergänzt wurde, konnte dieser auch nicht zur Verhandlung bzw. Entscheidung anstehen. Damit ist der Beschluss über die Abberufung des Revisionsklägers vom Vorstandsamt widerrechtlich.

 

Quelle:
Urteil AZ 27 Cdo 3620/2020 des Obersten Gerichtshofs

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