Werden in Tschechien Umweltschutzverbände künftig endgültig von der Teilnahme an Planfeststellungs- und Baugenehmigungsverfahren ausgeschlossen sein?

Ein Änderungsgesetz von 2017 zum Natur- und Landschaftsschutzgesetz schloss mit Wirkung zum 1.1.2018 Umweltschutzverbände von der Beteiligung an Bauleitplanungs- und Baugenehmigungsverfahren aus. Nach fast vier Jahren hat das Verfassungsgericht diese Regelung nun für verfassungskonform befunden und damit bestätigt, dass ökologische Bürgervereinigungen nicht auf Grundlage des Natur- und Landschaftsschutzgesetzes zu Verfahrensbeteiligten an Planfeststellungsverfahren und Baugenehmigungsverfahren werden können; allerdings betonte das Gericht, dass dies in keiner Weise das Recht solcher Vereine und Verbände berührt, einen einmal erlassenen Bauleitplan bzw. eine ergangene Baugenehmigung vor den Verwaltungsgerichten auf dem Klageweg anzufechten.

Bürgervereinigungen (Vereine), deren zentrale Mission gemäß der eigenen Satzung im Natur- und Landschaftsschutz besteht, konnten bis Ende 2017 auf der Grundlage des Natur- und Landschaftsschutzgesetzes an Bauleitplanungs- und Baugenehmigungsverfahren teilnehmen, soweit davon auszugehen war, dass diese womöglich die gemäß dem o.g. Gesetz geschützten Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes berühren. Mit dem zum 1.1.2018 in Kraft getretenen Änderungsgesetz zum Natur- und Landschaftsschutzgesetz wurde der Kreis der Verfahren, in denen diesen Vereinen eine Beteiligung zugestanden wird, enger gezogen, und erstreckt sich nunmehr nur noch auf gemäß dem Natur- und Landschaftsschutzgesetz geführte Verfahren. Mit dieser Änderung wurden u.a. Umweltschutzverbände von der Teilnahme an Bauleitplanungs- und Baugenehmigungsverfahren unter Berufung auf das Natur- und Landschaftsschutzgesetz ausgeschlossen.

Eine Gruppe von Senatoren reichte gegen dieses Änderungsgesetz zum Natur- und Landschaftsschutzgesetz Verfassungsbeschwerde ein. Nach fast vier Jahren hat nun das Verfassungsgericht über den Antrag auf Aufhebung des Änderungsgesetzes entschieden (AZ Pl. ÚS 22/17, Entscheidung vom 26. Januar 2021), und zwar abschlägig. Mit anderen Worten, das Verfassungsgericht hat die Verfassungskonformität der o.g. Rechtsvorschrift bestätigt, wonach der vom Natur- und Landschaftsschutzgesetz begründete Anspruch auf Verfahrensbeteiligung für Umweltverbände sich nur auf gemäß diesem Gesetz geführte Verfahren beschränkt.

Das Verfassungsgericht gelangte zu dem Schluss, es sei an der Einschränkung des Statuts eines Verfahrensbeteiligten für Vereine gemäß dem Natur- und Landschaftsschutzgesetz einzig und allein auf gemäß diesem Gesetz geführte Verfahren aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts auszusetzen. Die von der Verfassung geschützten und garantierten Grundrechte verpflichten den Staat nicht, Vereine und Vereinigungen pauschal an allen Verwaltungsverfahren teilhaben zu lassen. Gemäß Art. 36 Abs. 1 der Deklaration der Grundrechte und -freiheiten gilt zwar, dass jeder auf die gesetzlich festgesetzte Art und Weise die unabhängigen Gerichte bemühen kann, um seine Rechte wahrzunehmen – für andere Organe und Institutionen gilt dies aber nur dort, wo das Gesetz es vorsieht. Es steht damit dem Gesetzgeber frei, die Ausübung dieses Rechts im Falle von Verwaltungsverfahren an Bedingungen zu knüpfen und im Einzelnen zu regeln. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber nicht nur im Natur- und Landschaftsschutzgesetz, sondern auch in weiteren Gesetzen eine Teilnahme von Vereinen an den jeweiligen Verwaltungsverfahren als Verfahrensbeteiligte vorgesehen (so im Wassergesetz, im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Gesetz über die integrierte Prävention).

Nach Auffassung des Verfassungsgerichts stellt die angefochtene Regelung auch keinen Übergriff in das Recht auf gesunde Umwelt dar, denn Umweltverbände können auch weiterhin an denjenigen Verwaltungsverfahren teilnehmen, in denen tatsächlich die Möglichkeit gegeben ist, eine reale und ernste Beeinträchtigung des Natur- und Landschaftsschutzes zu identifizieren – neben Verfahren gemäß dem Natur- und Landschaftsschutzgesetz handelt es sich insbesondere um Verfahren gemäß dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (EIA), dem Wassergesetz, und dem Gesetz über die integrierte Prävention. Das Verfassungsgericht hält die angefochtenen Bestimmungen des Natur- und Landschaftsschutzgesetzes außerdem nicht mit der Aarhus-Konvention für unvereinbar, denn auch diese garantiert der Öffentlichkeit nach Auffassung des Verfassungsgerichts keine Beteiligung an allen Entscheidungsprozessen.

Nach Äußerung des Verfassungsgerichts ist außerdem von grundlegender Bedeutung, dass das angefochtene Gesetz eben nicht dazu führt, dass das von der Verfassung geschützte Grundrecht von Umweltverbänden auf gerichtlichen Schutz ausgehöhlt wird. Verbände, die das Gefühl haben, ihre Rechte und Freiheiten seien von der Entscheidung einer Verwaltungsbehörde verletzt worden, können sich nämlich an die Verwaltungsgerichte wenden. Bedingung für die Aktivlegitimation ist hier nämlich nicht, Verfahrensbeteiligter am Verwaltungsverfahren gewesen zu sein, in dem die fragliche Entscheidung erging. Auch wenn die Beteiligung von Bürgervereinigungen an Planfeststellungs- und Baugenehmigungsverfahren ausgeschlossen ist, hindert sie nichts daran, Verwaltungsklage gegen einen Flächennutzungsplan oder eine Baugenehmigung einzureichen.

Bürgervereinigungen (Vereine), deren zentrale Mission gemäß der eigenen Satzung im Natur- und Landschaftsschutz besteht, können also nicht auf der Grundlage des Natur- und Landschaftsschutzgesetzes an Bauleitplanungs- und Baugenehmigungsverfahren teilnehmen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass ihnen auf der Grundlage anderer Rechtsvorschriften gegebenenfalls der Status eines Verfahrensbeteiligten zukommt – insbesondere ist hier das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung zu nennen. Darüber hinaus schließt der Umstand, dass Umweltverbände nicht automatisch an Bauleitplanungs- oder Baugenehmigungsverfahren beteiligt sind, für sich genommen nicht das Recht solcher Verbände aus, den behördlichen Bescheid anschließend im Verwaltungsgerichtszug per Klage anzufechten. Dies heißt aber: der Ausschluss von Bürgervereinigungen als Verfahrensbeteiligte am Bauleitplanungs- oder Baugenehmigungsverfahren stellt für Bauherren und Investoren nur eine vorgebliche Verbesserung der bisherigen Situation dar, denn Umweltschützer können gerade auch in der Spätphase der gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsbescheiden neue Tatsachen vorbringen und auf Mängel der behördlichen Entscheidung hinweisen. Deshalb wird der Ausschluss von Bürgervereinigungen als Beteiligte am Planfeststellungs- und Baugenehmigungsverfahren diese Verfahren nicht notwendigerweise beschleunigen. Paradoxerweise kann es geradezu zu einer Verlängerung des Genehmigungsprozesses kommen.

Quelle:
Entscheidung des Verfassungsgerichts AZ Pl. ÚS 22/17 vom 26. Januar 2021

Newsletter abonnieren

Wenn Sie den Newsletter abonnieren, stimmen Sie zugleich unseren Datenschutzbedingungen zu.