Stellt die aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs eine Bedrohung für das Recht von Mietern auf Mietzinsminderung dar?

Der Oberste Gerichtshof hat unlängst entschieden, einem Mieter entstehe kein Anspruch auf Mietzinsminderung, wenn er (und sei es nur teilweise) zur Entstehung des Mangels beigetragen hat. Ist diese kontroverse Entscheidung angesichts der aktuellen rechtlichen Vorschriften haltbar? Wie sehen die gesetzlichen Bedingungen aus, unter denen der mieterseitige Anspruch auf Mietzinsminderung entsteht und geltend gemacht werden kann? 

In seiner kürzlichen Entscheidung (Urteil AZ 26 Cdo 527/2017 vom 11.10.2018) hat der Oberste Gerichtshof die Position bezogen, ein Mieter könne keine Mietpreisminderung wg. Mängeln am Mietobjekt fordern, falls er zum Mangel (auch nur teilweise) beigetragen hat. (Im vorliegenden Fall war es um die Mitverantwortung des Mieters für Schimmelbefall wg. unzureichender Lüftung der angemieteten Räumlichkeiten gegangen.)

Das Gericht befand, Mieter dürften den Mietzins für angemietete Räumlichkeiten nicht auf der Grundlage eines vorgebrachten offensichtlichen Mangels kürzen, welcher die Nutzung der Räumlichkeiten zum vertraglich vereinbarten Zweck ganz oder teilweise unmöglich macht, wenn sie selbst in irgendeiner Weise zu diesem Mangel beigetragen haben; in einem solchen Fall sind sie zur Zahlung des Mietzinses in voller unveränderter Höhe an den Vermieter verpflichtet. Laut OGH ist dabei das Ausmaß, zu dem der Mieter zur Mangelentstehung beigetragen hat, ebenso ohne Belang wie die Verschuldensfrage (d.h. es soll ohne Belang bleiben, ob der Mieter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat).

Die Urteilsbegründung ist in der Fachwelt auf scharfe Kritik gestoßen. Konsequent fortgedacht würden die vom OGH gezogenen Schlüsse in den absurden Befund münden, dass ein Mieter selbst dann nicht Anspruch auf Mietzinsminderung hat, wenn der Mangel des Mietobjekts vorsätzlich vom Vermieter verschuldet wurde, solange mieterseitig eine an sich völlig geringfügige Beteiligung besteht (z.B. weil der Mieter es nachlässig versäumt hat zu handeln).

Wir sind der Auffassung, dass die hier gewählte Lösung im Widerspruch zu den Prinzipen der Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit steht.

Die Entscheidung basiert auf dem gesetzlichen Rahmen, der noch bis zum Ende des Jahres 2013 in Kraft war. Damit stellt sich die Frage, ob die gezogenen Schlüsse im Lichte der heutigen Gesetzeslage überhaupt herangezogen werden können. Das neue Bürgerliche Gesetzbuch verlangt in seinem § 2208 nämlich nicht (wie im zwischenzeitlich außer Kraft getretenen alten Bürgerlichen Gesetzbuch), dass der Mangel nicht vom Mieter verursacht worden sein darf, wenn ein Anspruch auf Mietzinsminderung entstehen soll. Darüber hinaus verweist die kritisierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs größtenteils auf den Wortlaut des Gesetzes (nämlich § 673 des BGB 1964, welches nicht mehr in Kraft ist). Von daher sind die Schlüsse des OGH wohl zu vernachlässigen, wo Fälle zur Entscheidung anstehen, die nach heutiger Rechtslage zu beurteilen sind.

In diesen Fällen sollte der Mieter berechtigt sein, die Mietzinsminderung selbst dann zu fordern, wenn sie zu einem gewissen Grad an der Entstehung des Mangels am Mietobjekt beteiligt waren. Allerdings gilt, dass dieser Anspruch (im Wege der analogen Anwendung von § 2918 BGB) gekürzt werden wird, wenn der Mangel auf fahrlässiges bzw. vorsätzliches Handeln des Mieters zurückzuführen ist, und zwar in einem Verhältnis entsprechend dem Grad des Mitverschuldens des Mieters.

Abschließend sei erwähnt, dass die erfolgreiche Durchsetzung eines Anspruchs auf Mietzinsminderung wg. eines Mangels am Mietgegenstand außerdem noch an weitere Bedingungen geknüpft ist. Vor allem muss der Mangel zur Kategorie von Mängeln gehören, die der Vermieter zu beseitigen verpflichtet ist. Des Weiteren muss der Mieter den Mangel ordnungs- und fristgemäß beim Vermieter angezeigt haben, der den Mangel trotz rechtzeitiger Inkenntnissetzung nicht beseitigt hat. Der Anspruch auf Mietzinsminderung entsteht nur, falls der Mangel die Nutzung des Mietgegenstands durch den Mieter erheblich erschwert bzw. verunmöglicht. Er unterliegt einer besonderen Verjährungsfrist von sechs Monaten, die an dem Tag zu laufen beginnt, an dem der Mieter den Mangel festgestellt hat (bzw. hätte feststellen können).

Quelle:
Urteil des Obersten Gerichtshofs AZ 26 Cdo 527/2017 vom 11.10.2018 Ges. Nr. 40/1964 Slg., Bürgerliches Gesetzbuch Ges. Nr. 89/2012 Slg., Bürgerliches Gesetzbuch

 

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