Der deutsche gesetzliche Verzugszins für ausstehende Steuerschulden beträgt 0,5% pro Monat und somit 6% pro Jahr. In zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat der Bundesfinanzhof (BFH) 2018 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Zinssatzes für Verzinsungszeiträume seit dem 1.4.2012 geäußert. Der BFH stufte die Bemessung dieses Zinssatzes als realitätsfern ein. Nach seiner Ansicht verletze sie den im Grundgesetz verankerten allgemeinen Gleichheitssatz, da er den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich überschreite. Das Bundesfinanziministerium hat im Dezember 2018 reagiert und für die fraglichen Zeiträume die Aussetzung der Vollziehung per Rundschreiben ermöglicht.
Die Aussetzung erfolgt allerdings nicht automatisch. Voraussetzung ist jedenfalls, dass der Steuerpflichtige seinen auf Verzugszinsen laufenden Steuerbescheid fristgemäß, also innerhalb von einem Monat ab Zugang, anficht und die Aussetzung der Vollziehung aktiv beantragt. Über den Rahmen des deutschen Steuerrechts hinaus ist der Vorgang auch deswegen interessant, weil der deutsche gesetzliche Verzugszinssatz für ausstehende Sozialabgaben 1% pro Monat und somit 12% jährlich beträgt. Hier sind die Unterschiede zwischen der Bemessung und der wirtschaftlichen Realität noch ausgeprägter. Es bleibt abzuwarten, ob auch gegen diese Verzugszinsen von den Gerichten Bedenken erhoben werden.
Quelle: BFH, AZ. IX B 21/18 und VIII B 15/18, § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO