Geschäftsbedingungen in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik

Anlässlich der kompletten Neufassung des tschechischen Zivilrechts kam das Thema Geschäftsbedingungen immer wieder zur Sprache. Jetzt, nach (fast) 6 Jahren seit Inkrafttreten des neuen BGB, ist die Zeit reif, Rückschau auf die diesbezügliche Rechtsprechung des höchsten Gerichts des Landes zu halten.

Die Erwartungen waren hochgesteckt, was die Frage anbelangte, ob das völlig neue Bürgerliche Gesetzbuch Licht in die Definition des Rechtsbegriffs der „Geschäftsbedingungen“ bringen würde, klären würde, wie solche Bedingungen zum Vertragsbestandteil gemacht werden können, und beantworten würde, ob eine einseitige Änderung der Geschäftsbedingungen ohne die formelle Einwilligung der jeweils anderen Partei rechtens ist.

Diese Erwartungen wurden aber eher enttäuscht. Betreffend die Begriffsbestimmung und die Regeln für die Einbindung der Geschäftsbedingungen in den Vertrag hat der Gesetzgeber einfach im Handelsgesetzbuch „abgeschrieben“. Demgemäß definiert das BGB-cz die Geschäftsbedingungen schlicht als Bestandteil des Inhalts des jeweiligen Vertrags, auf die im Vertrag verwiesen wird (d.h. sie stellen keinen Bestandteil der direkt im Vertrag enthaltenen Bestimmungen dar, sondern verbleiben außerhalb des eigentlichen Wortlauts des Vertrags – außerhalb dessen „Hauptteils“). Die gesetzliche Definition der Geschäftsbedingungen schweigt sich darüber aus, ob nur eine vertragliche Regelung, die von einer der Parteien zum (wiederholten) Gebrauch in diversen Verträgen geschaffen wurde, als Geschäftsbedingungen gelten kann, oder ob jegliche Urkunde außerhalb des eigentlichen Vertrags, die vertragliche Regelungen enthält und von den Parteien eigens für den konkreten Geschäftsfall entworfen wurde, dieser Definition genügt. Mit anderen Worten, die gesetzliche Definition unterscheidet nicht klar zwischen Geschäftsbedingungen und „gewöhnlichen“ Anlagen zum Vertrag.

Auch weiterhin bleibt es dabei, dass die Einbindung von AGB in den Vertrag voraussetzt, dass der Vertrag auf die AGB Bezug nimmt und die AGB dem Vertrag beigefügt oder den Parteien bekannt sind. Ob und unter welchen Umständen es ausreichen mag, die AGB zur Einsichtnahme im Ladengeschäft aufzulegen oder auf dem Kassenzettel auf deren elektronische Fassung im Internet zu verweisen, und wie die „Beiheftung“ der AGB im Falle eines elektronischen (Fern-)Vertragsschlusses aussehen soll, über all das schweigt sich das Gesetz aus.

Dieser Gruppe von bereits früher aufgeworfenen Fragen zum Thema AGB, die im Tagesgeschäft von Unternehmen eine Rolle spielen, ist vom neuen BGB-cz um weitere Fragen erweitert worden. So sieht das BGB-cz z.B. einen Schutz der Parteien vor Überraschungsklauseln in den AGB vor, sowie Regeln zur Klärung des Konflikts zwischen voneinander abweichenden Geschäftsbedingungen der beiden Parteien, und Regeln für „nicht verhandelte Verträge“ (Formularverträge). Die letztgenannten Regeln stellen höhere Anforderungen an Klauseln, die in Formular- bzw. Musterverträgen außerhalb des Hauptteils eingebunden werden sollen (also z.B. ABG). Darüber hinaus greifen die Regeln zum Formularvertrag generell überall dort, wo „Formulare oder ähnliche Instrumente“ für den Vertragsschluss genutzt werden. Zu diesen gehören typischerweise AGBs, die von einer der Parteien für alle ihre Vertragsbeziehungen von jeweils ähnlichem Typ verwendet werden (Standardwortlaut).

Mit anderen Worten, obwohl die Geschäftsbedingungen zum grundlegenden Rüstzeug der kommerziellen Praxis gehören, werfen sie bisher ungeklärte rechtliche Fragen auf. Im Folgenden wollen wir der Entscheidungspraxis des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik in diesem Bereich nach Inkrafttreten des neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs nachgehen.

Inhalte von Geschäftsbedingungen in B2C-Beziehungen

In einer Reihe von Entscheidungen aus jüngerer Zeit hat sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage befasst, welche Inhalte in AGB zulässig sind, wenn der zugrunde liegende Vertrag zwischen einem Vollkaufmann und einem Verbraucher geschlossen wird (also ein sog. „B2C-Vertrag“ ist).

Mit der Frage, welche Art von Inhalten in Geschäftsbedingungen untergebracht werden darf, wurde im Jahre 2014 zunächst einmal vom Verfassungsgericht beantwortet, welches zu klären hatte, ob eine Vertragsstrafe auch in den AGB mit Verbrauchern rechtsgültig vereinbart werden kann. Die Richter verneinten dies, gingen aber verblüffenderweise noch weiter und stellten Erwägungen an, was alles in die Geschäftsbedingungen eines Vertrags mit Verbrauchern gehört bzw. nicht gehört. Sie befanden, die „Verbraucher-AGBs“ dürften nicht dazu dienen, „Vereinbarungen, die für den Kunden nachteilig sind, hinter unübersichtlichem und schwerverständlichem Kleingedruckten zu verstecken, in der Erwartung, der Verbraucher werde so nicht auf sie aufmerksam werden“. Im Gegenteil sollen AGB „primär dem Zweck dienen, technische und erläuternde Bestimmungen nicht immer wieder in jeden Vertrag im vollen Wortlaut einarbeiten zu müssen“. Diese pauschalisierenden Betrachtungen des Verfassungsgerichts stießen bei Rechtstheoretikern auf Kritik und verursachten in der Anwendungspraxis manche Sorgenfalte (Verfassungsgerichtsurteil I. ÚS 3512/11d). Leider übernahm der Oberste Gerichtshof im Jahre 2007 die Betrachtungsweise des Verfassungsgerichts im Wesentlichen unverändert und befand erneut, Vertragsstrafen, welche in „Verbraucher-AGBs“ vereinbart wurden, seien ungültig, unter Verweis auf die weitergehenden Auslassungen des Verfassungsgerichts betreffend die statthaften bzw. nicht statthaften Inhalte von Geschäftsbedingungen (Urteil des Obersten Gerichtshofs 32 ICdo 86/2015).

In einem anderen Urteil vom Mai dieses Jahres befand der Oberste Gerichtshof über die Möglichkeit, in den Geschäftsbedingungen zwischen einem Telekommunikationsdienstleister und seinem Kunden als Verbraucher eine „Strafe“ für die vorzeitige Vertragsbeendigung im Falle von Flatrate-Verträgen mit einer festen Laufzeit zu vereinbaren. In der Vergangenheit erlaubten Mobilfunkbetreiber diesen Vertragsausstieg grundsätzlich nicht bzw. verlangten, der Kunde solle die Flatrate-Gebühr bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit fortzahlen. Das Gesetz über elektronische Kommunikation hat diese Strafe gedeckelt und schreibt fest, dass der Betrag der Vertragsstrafe ausdrücklich im Vertrag zu nennen ist. In dieser Entscheidung zitierte der Oberste Gerichtshof zwar erneut das Verfassungsgericht, befand aber dieses Mal, die Gebühr für die vorzeitige Vertragskündigung könne nicht als Vertragsstrafe gelten (insofern als die frühe Kündigung kein Vertragsbruch, sondern die Wahrnehmung eines Rechts ist) und unterfalle deshalb nicht dem Anwendungsbereich des genannten Verfassungsgerichtsurteils. In der Begründung des (OHG-)Urteils wird erneut auf die Erwägungen des Verfassungsgerichts zum „statthaften“ Inhalt von AGB Bezug genommen, dieses Mal aber unter Setzung des Schwerpunkts auf den Begriff vorrangig (Urteil des Obersten Gerichtshofs 32 ICdo 86/2015), womit sich der Weg für eine Interpretation eröffnet, wonach „Verbraucher-AGBs“ nicht notwendigerweise und überall von technischem oder erläuterndem Charakter sein müssen und nicht jede Bestimmung in AGBs, die dem Verbraucher zum Nachteil gereichen, automatisch verboten ist.

Fortsetzung folgt… Beim nächsten Mal wird es um die Rechtsprechung in Sachen Einbindung der AGB in den Vertrag und in Sachen einseitige Änderung der AGB gehen.

 

Quelle:
Rechtsprechung des Tschechischen Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts, BGB-cz

 

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