Mit der aktuellen Gesetzesinitiative zur Neufassung der Zivilprozessordnung würden zahlreiche Verfahrensinstitute tiefgreifend geändert. Hie und da lässt sich sicherlich von einem Fortschritt sprechen – aber gilt das auch für die geplante Neuregelung der Revision?
In kurzen Stellungnahmen haben sich bereits der Oberste Gerichtshof und der Richterverband zur vorgeschlagenen Änderung der Revisionsregelung geäußert, und zwar dahingehend, dass hiermit weder die Rechtssicherheit gestärkt noch das Zivilverfahren beschleunigt wird, und zwar gleich aus mehreren Gründen heraus.
Am schwersten ins Gewicht fallen würde die Reinterpretation der Revision als ordentliches Rechtsmittel. Denn damit würden mit der Einlegung der Revision die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils des Berufungsgerichts aufgeschoben. Diese Änderung muss zum einen ein Gefühl des Misstrauens gegenüber den seitens der Berufungsgerichte ergangenen Entscheidungen erwecken, als ob diese aus Vorsichtsgründen „zunächst“ einmal weder rechtskräftig noch vollstreckbar sein sollten; zum anderen würde sie sehr wahrscheinlich dazu führen, dass Zivilverfahren noch länger und damit für die Verfahrensbeteiligten noch aufwändiger werden.
Unter Beibehaltung der vier bisherigen Kriterien soll die Zulässigkeit der Revision künftig vom Streitwert abhängen. Bei Streitigkeiten mit einem Verfahrenswert von 50.000,- CZK bis 100.000,- CZK soll das Berufungsgericht selbst über die Zulässigkeit der Revision entscheiden (und das Revisionsgericht an diese Entscheidung gebunden sein). Damit wird das Berufungsgericht zumindest unter diesem Gesichtspunkt zum „Richter in eigener Sache“. Man bedenke: weicht das Berufungsgericht in der Sachentscheidung etwa von der Entscheidungspraxis des Obersten Gerichtshofs ab und schließt sodann, das eigene Urteil sei nicht revisionsfähig, so wird damit der Weg zu einer Prüfung durch das Revisionsgericht verstellt!
Als Schritt zurück nimmt die Fachwelt die Einführung eines zweiten Revisionsgrunds wahr, und zwar der der eingewandten Nichtigkeit. Davon war in der Vergangenheit angesichts der unverhältnismäßigen Auslastung des Obersten Gerichtshofs schon einmal abgesehen worden. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass das vorhandene Institut der Nichtigkeitsklage zur Prüfung etwaiger Nichtigkeitsmängel völlig ausreicht.
Eine geradezu bizarre Änderung stellt die Einführung einer Geldstrafe wg. Willkür in einer Höhe von bis zu 100.000,- CZK dar, die den Rechtsvertreter des Revisionsführers treffen soll, wenn das Gericht befindet, dass die Revision willkürlich eingelegt bzw. mit ihr eine Verfahrensverschleppung in der Sache beabsichtigt wurde. Zwar sind eine Verfahrensbeschleunigung und eine Prävention des Missbrauchs von Rechtsmitteln sicherlich begrüßenswert. Völlig unangebracht ist es aber, hierfür den Rechtsanwalt finanziell belangen zu wollen, insbesondere wenn man bedenkt, dass der Gesetzesvorschlag keine Ermessenskriterien zur Beurteilung der Willkür zur Hand gibt. Wenn Anwälte dieses Risiko zu zeitigen hätten, könnte es einerseits dazu kommen, dass Mandanten lange suchen müssen, bevor sie einen Rechtsvertreter finden, der willens ist, sie vor dem Revisionsgericht zu vertreten; andererseits würde diese spezifische Rechtsdienstleistung auch sehr viel teurer werden.
Die Neuregelung der Revision als Verfahrensinstitut befindet sich derzeit im Stadium eines allgemeinen Konsultationspapiers. Vertreter der Fachwelt hoffen, dass die Idee bereits in diesem Stadium verworfen wird, und zwar gerade aufgrund der in diesem Beitrag genannten Erwägungen.
Quelle:
Gesetzesinitiative (Konsultationspapier) zur Änderung der Zivilprozessordnung
Stellungnahme des Richterverbands der Tschechischen Republik vom 29.06.2018
Communiqué des Obersten Gerichtshofs vom 13.12.2017