Das Schuldanerkenntnis in freundlicherem Gewand, oder: Unser Sieg vor dem Verfassungsgericht

Gemäß dem früheren Bürgerlichen Gesetzbuch war das Schuldanerkenntnis eine fürchterlich in Formalismen befangene Angelegenheit. Wir haben jetzt erfolgreich vor dem Verfassungsgericht die Parteienautonomie für dieses Rechtsinstitut auch in Altfällen durchgesetzt.

Schuldanerkenntnisse, die noch zu Zeiten des alten Bürgerlichen Gesetzbuchs (Ges. Nr. 40/1964 Slg.) zustande kamen, richten sich auch nach diesem. Dies ist nicht nur etablierte Praxis, sondern entspricht auch dem von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (insbesondere in 21 Cdo 292/2018) gezogenen Fazit – stellt aber häufig ein grundlegendes Problem für all diejenigen dar, die über eine vor dem Jahr 2014 entstandene Forderung gegenüber einem Schuldner verfügen, der sich nicht allzu kooperativ gebärdet.

Warum ist das so? Weil das Schuldanerkenntnis gemäß dem „alten“ BGB-cz ein formalistisches Rechtsinstitut war; nur selten konnte man sich darauf verlassen, über ein geltendes Schuldanerkenntnis zu verfügen, es sei denn, man hielt direkt ein Dokument in den Händen, welches im Titel als „Schuldanerkenntnis“ bezeichnet war und im Wortlaut präzise dem Gesetz und der Rechtsprechung folgte.

In unserem Fall hatte unser Mandat eine Forderung gegenüber dem Schuldner aus dem Rechtsgrund von Verträgen, die als „Darlehensverträge“ bezeichnet waren. Die Forderung war älteren Datums und damit theoretisch längst verjährt. 2015 kam es jedenfalls zwischen den Parteien zum Abschluss einer Vereinbarung über den Erlass der geschuldeten Zinsen. Unser Mandant ging davon aus, dass er „im Gegenzug“ für den Verzicht auf die Zinsen vereinbarungsgemäß sein Geld zurückerhalten würde. Als die Zahlung ausblieb, übernahmen wir die Rechtsvertretung und reichten 2017 beim Stadtbezirksgericht für Prag 10 Klage wg. Zahlung des Schuldbetrags ein. Der Schuldner machte daraufhin im Verfahren die Einrede der Verjährung geltend.

Die ordentlichen Gerichte befanden, die Vereinbarung aus dem Jahre 2015 sei tatsächlich einzig und allein eine Vereinbarung über den Erlass der Zinsen gewesen, und wiesen unsere Argumentation zurück, wonach die Vereinbarung zugleich die an ein Schuldanerkenntnis gestellten Anforderungen erfüllte (und damit den Lauf einer neuen zehnjährigen Verjährungsfrist auslöste), weil sie faktisch dem Grund und der Höhe nach ein Schuldanerkenntnis darstellte und sich aus den Umständen eindeutig ergab, dass der Schuldner beabsichtigte, seine Schuld zu tilgen.

Diese oberflächliche Würdigung seitens der ordentlichen Gerichte ist nun aber vom Verfassungsgericht resolut zurückgewiesen worden: „Wo das Gericht im Gerichtsverfahren einen zwischen den Verfahrensbeteiligten geschlossenen Vertrag beurteilt, hat es an diesen keineswegs so heranzutreten, dass dieser Vertrag makellos zu sein hat, sondern so, dass der Einzelne in diesem (und durch diesen) zum Ausdruck bringt, was er erzielen will (bzw. wollte).“

Das Verfassungsgericht spricht in seiner Entscheidung von einer Pflicht der Gerichte, bei der Schlichtung von Rechtsstreitigkeiten den wirtschaftlichen Zweck des geschlossenen Vertrags zu identifizieren und sich um den Erhalt seiner wirtschaftlichen Rolle zu bemühen. Im vorliegenden Fall hätten die Gerichte demnach feststellen müssen, dass beide Parteien beabsichtigten, den Schuldner zur Zahlung seiner ausstehenden Schuld zu verpflichten, wofür der Gläubiger ihm den vertraglich vereinbarten Zins erlassen würde.

Soweit in der Vereinbarung über den Erlass der Zinsen ausdrücklich auf die ursprünglichen Darlehensverträge verwiesen wird, bekennt sich der Schuldner nach Auffassung des Verfassungsgerichts mit seiner Unterschrift auf der Verzichtsvereinbarung erneut zu diesen Darlehensverträgen, in denen die Pflicht des Schuldners zur Rückzahlung der Darlehenssumme vereinbart war. Diese Pflicht zur Rückzahlung des aufgenommenen Darlehens blieb von der Vereinbarung über den Erlass der Zinsen unberührt.

Das Verfassungsgericht konzedierte, dass es mit dieser Auslegung von der bisherigen Praxis abweicht, was das Verständnis des Schuldanerkenntnisses gemäß Ges. Nr. 40/1964 Slg. anbelangt. Es hielt dieses Vorgehen allerdings angesichts der Umstände für angemessen – insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Schuldner selbst die Vereinbarung über den Erlass der Zinsen freiwillig unterzeichnet hatte. Der Vollständigkeit halber führte das Gericht aus, dass der Schuldner mit seiner freiwilligen Unterschrift auf der Vereinbarung eine begründete Erwartung auf Seiten des Gläubigers auslöste, er werde sein Geld zurückerlangen.

Das Verfassungsgericht hob deshalb sämtliche früheren Entscheidungen der ordentlichen Gerichte auf; die Sache steht nun zu einer neuen (und besseren) Entscheidung seitens des erstinstanzlichen Gerichts an.

Quelle:
Entscheidung des Verfassungsgerichts III. US 392/20 vom 10.03.2020

 

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