Coronavirus – ein Fall Höherer Gewalt nach deutschem Recht?

Deutschland: Können sich Vertragspartner auf das Coronavirus als Fall Höherer Gewalt nach deutschem Recht berufen?Das Coronavirus- COVID 19 – zieht national und international immer größere Kreise. Vermehrt berufen sich Kunden oder Lieferanten wegen verzögerter Abrufe oder Lieferungen auf Höhere Gewalt und sind der Auffassung, dass sie aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus von ihren Pflichten befreit sind.

Grundsätzlich können Krankheiten und Epidemien einen Fall von „Höherer Gewalt“ (force majeur) darstellen. Allgemein wird „Höhere Gewalt“ definiert als ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis. Als Folge wird die betroffene Partei vorübergehend oder sogar dauerhaft von ihrer vertraglichen Pflicht befreit, ohne dass die andere Vertragspartei deswegen Schadensersatz verlangen könnte.

Es spricht viel dafür, dass das die Auswirkungen des Coronavirus zumindest in einigen Gebieten als Höhere Gewalt angesehen werden kann. Dies betrifft z.B. Gebiete, in welchen konkrete behördliche Maßnahmen wie Ausgangssperren, Einschränkungen des Verkehrs oder sonstige Quarantäne-Maßnahmen verhängt wurden.

Allerdings ist wichtig zu wissen, dass ein Berufen auf Höhere Gewalt nicht zwangsläufig Rechtsfolgen nach sich zieht. So kennt z.B. das deutsche Recht „force majeur“ als allgemeinen Grundsatz eigentlich nicht. Nur in Bezug auf wenige Spezialfälle gibt es hierzu gesetzliche Regelungen.

Andere Rechtsordnungen enthalten hingegen durchaus explizite Regelungen dazu, wie z.B. das Internationale Kaufrecht (Art. 79 CISG) oder einige nationale Gesetze. Auch das chinesische Recht kennt den Grundsatz der „Höheren Gewalt“. Zudem gehören Vertragsklauseln zur „force majeur“ zu den üblichen Inhalten internationaler Handelsverträge.

Insofern hängen jedoch auch die Folgen der Berufung auf Höhere Gewalt von den jeweiligen konkreten vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen ab. In der Regel sind folgende Konsequenzen
üblich:

  • temporäre Befreiung von Vertragspflichten (z.B. Lieferung oder Abnahme)
  • dauerhafte Befreiung
  • Möglichkeit zur Vertragsauflösung (meist nach einer bestimmten Zeitspanne). 

Im Ergebnis kann daher die Frage, ob sich ein Vertragspartner zu Recht auf einen Fall Höherer Gewalt beruft, nur im Einzelfall geklärt werden. In der Praxis empfehlen wir daher, derartige Argumentationen jedenfalls kritisch zu hinterfragen und die genauen Umstände des Falles ebenso wie die konkreten vertraglichen oder gesetzlichen Rechtsfolgen zu überprüfen.

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