Litauen: Entsendungen Drittstaatsangehöriger aus der Schweiz

Die Entsendung von Drittstaatsangehörigen aus der Schweiz nach Litauen ist nun endlich mit größerer Rechtssicherheit möglich, da ein Fehler im Gesetz korrigiert wurde.

Die vorübergehende grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung ist in der EU durch die Dienstleistungsfreiheit geschützt und darf grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Das führt auch dazu, dass Drittstaatsangehörige, die in dem Unternehmen eines Mitgliedsstaats legal angestellt sind und zur vorübergehenden Dienstleistungserbringung in einen anderen Mitgliedsstaat entsendet werden, keiner weiteren Arbeitserlaubnis dieses zweiten Mitgliedsstaates bedürfen – so bereits entschieden 1994 durch den EuGH in seiner sogenannte Vander-Elst-Entscheidung.

Dennoch versuchen, Mitgliedsstaaten seit jeher, gewisse Kontrollmechanismen aufrechtzuerhalten, um insbesondere zu prüfen, ob die Dienstleistungserbringung tatsächlich nur vorübergehend ist oder ob sich das entsendente Unternehmen missbräuchlich auf die Dienstleistungsfreiheit beruft, um die Migrationsregeln des Mitgliedsstaates, in den der Arbeitnehmer entsandt werden soll, zu umgehen.

Hier ist beispielsweise Deutschland zu nennen, das mit seinem sogenannten Vander-Elst-Visum eine strenge Vorabprüfung durchführt (siehe https://bnt.eu/de/legal-news/lithuania-posting-third-country-nationals-to-germany-is-complicated-but-feasible/). Litauen geht dagegen deutlich liberaler vor. Es legt fest, dass Unternehmen aus EU- oder EFTA-Mitgliedsstaaten (darunter auch die Schweiz), die Drittstaatsangehörige nach Litauen entsenden, von der Notwendigkeit der Einholung einer litauischen Arbeitserlaubnis ausgenommen sind. Als Nachweis, dass keine Arbeitserlaubnis benötigt wird, reicht die Vorlage einer A1- oder E101-Bescheinigung aus dem Herkunftsmitgliedsstaat, die nachweist, dass der Arbeitnehmer dort sozialversichert ist und für die vorübergehende grenzüberschreitende Dienstreise auch bleibt. Grundlage hierfür ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, welche u.a. regelt, wann, wie und vor allem wo Arbeitnehmer bei grenzüberschreitender Arbeit sozialversichert sind.

Diese pragmatische Lösung hatte ihren Reiz, denn mit der Ausstellung der A1-Bescheinigung prüft der Herkunftsmitgliedsstaat im Grunde bereits, ob der Arbeitnehmer im Herkunftsmitgliedsstaat ordnungsgemäß beschäftigt und lediglich vorübergehend nach Litauen entsendet wird.

Die Sache hatte allerdings einen Haken: den Sonderfall Schweiz, den der litauische Gesetzgeber offenbar übersehen hatte.

Zwar sind nach dem „Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit“ sowohl die Dienstleistungsfreiheit als auch die damit verbundene Vander-Elst-Rechtsprechung in eingeschränktem Maße auch auf die Schweiz anwendbar und auch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gilt in der Schweiz, sodass A1-Bescheinigungen grundsätzlich ausgestellt werden können. Ein entscheidendes Detail fehlt allerdings. Die Schweiz hat die Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 vom 24. November 2010 nicht umgesetzt, welche die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und damit die Möglichkeit der Ausstellung der A1-Bescheinigung zusätzlich zu EU-Bürgern auch auf Drittstaatsangehörige ausdehnt. Das bedeutet, dass zwar Drittstaatsangehörige, die aus der Schweiz entsendet wurden, keine zusätzliche Arbeitserlaubnis in Litauen benötigten und deshalb auch keine ausgestellt bekamen. Andererseits hätten sie vor Ort aber keine Möglichkeit gehabt, nachweisen zu können, dass sie legal in Litauen arbeiten.

Was erforderlich war, war eine Odysee durch die verschiedenen litauischen Behörden (Sozialversicherungsbehörde Sodra, die staatliche Arbeitsagentur Užimtumo tarnyba sowie die litauische Migrationsbehörde), weil sich keine der Behörden imstande und zutändig dafür fühlte, eine Bestätigung auszustellen, dass der jeweilige Drittstaatsangehörige trotz fehlender A1- oder E101-Bescheinigung legal in Litauen arbeiten durfte.

Doch auch in diesem Fall ging Litauen einmal mehr pragmatisch vor und ergänzte im Juni 2024, innerhalb weniger Monate nachdem das Problem erstmals aufkam, den entsprechenden Artikel 58 des Gesetzes über den rechtlichen Status von Ausländern, um den Satz:

„Wenn die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht auf den ausländischen Staatsangehörigen anwendbar ist, muss er eine Bescheinigung vorlegen, die von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation ausgestellt wurde, die für die Bestimmung des anwendbaren Rechts gemäß der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zuständig ist, und in der bestätigt wird, dass er in dem EU- oder EFTA-Mitgliedstaat sozialversichert ist, in dem das Unternehmen, das ihn zur Arbeit entsendet, seinen Sitz hat.“

Schweizer Unternehmen, die Drittstaatsangehörige nach Litauen entsenden, wird das Leben dadurch deutlich leichter gemacht, da sie sich nicht mehr in jedem einzelnen Fall an die litauischen Behörden wenden müssen, um sich bestätigen zu lassen, dass der Dittstaatsangehörige vorübergehend legal in Litauen arbeiten darf. So reicht eine Bestätigung der Schweizer Ausgleichskasse, dass der Arbeitnehmer regulär in der Schweiz versichert ist. Offen ließ der litauische Gesetzgeber dagegen weiterhin, in welcher Form diese Bescheinigung im Einzelfall vorgesezeigt werden muss. Vorsichtshalber empfiehlt es sich daher, dem Arbeitnehmer für die Reise nach Litauen zumindest eine Kopie nebst Übersetzung in litauische Sprache mitzugeben.

Quelle:

Gesetz der Republik Litauen über die Rechtsstellung von Ausländern

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