Tschechien: Hat ein Vormieter Anspruch auf Erstattung wg. Übernahme seines Kundenstamms durch den neuen Mieter?

In einer kürzlichen Entscheidung (26 Cdo 3644/2022-139 vom 14.03.2023) befasste sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob ein neuer Mieter verpflichtet ist, dem Vormieter für die Übernahme dessen Kundenstamms eine Abfindung zu zahlen.

Author: Jitka Krocová, paralegal

Die Klägerin (Vormieterin) hatte im vorliegenden Fall eine Abfindung von der Beklagten (Nachmieterin) für die Übernahme des Kundenstamms eingeklagt, welcher von ihr geschaffen worden war. Sie begründete ihren Anspruch damit, sie habe sich während des Bestehens des Mietverhältnisses zu dem ihr vermieteten (städtischen) Gebäude einen Kundenstamm in den vermieteten Räumlichkeiten erarbeitet, den die Beklagte als neue Mieterin des Gebäudes (nach Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung seitens des Vermieters) übernehmen konnte und somit einen Vorteil errang, für den sie der Klägerin gemäß § 2315 BGB-cz Erstattung leisten muss.
Nachdem das erstinstanzliche Gericht die Klage abwies, legte die Klägerin beim höherinstanzlichen Gericht Berufung ein; dieses bestätigte aber das Urteil erster Instanz. Die Klägerin hatte als Mieterin mit der Stadt als Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag geschlossen, der auch ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung einer vierjährigen Kündigungsfrist gekündigt werden konnte. Im Laufe des Mietverhältnisses vermietete die Klägerin die Räumlichkeiten auf unternehmerischer Basis an Dritte weiter. Kurz nach Ablauf des Mietvertrags nach vorheriger Kündigung durch die Stadt ging letztere mit der Beklagten einen neuen Mietvertrag ein. In der Zwischenzeit hatte die Klägerin damit begonnen, mit der Beklagten sog.
Vereinbarungen über die Sicherstellung eines reibungslosen Betreiberwechsels für das örtliche Einkaufszentrum zu schließen, gemäß denen die bestehenden Untermieter mit der Beklagten jeweils bis zu einem bestimmten Datum neue Untermietverträge schließen sollten, und zwar zu denselben Bedingungen, wie sie mit ihnen ursprünglich die Klägerin ausgehandelt hatte.

Das Berufungsgericht gelangte anhand der festgestellten Tatsachen zu dem Schluss, der Beklagten ermangele es im Rechtsstreit wg. Zahlung einer Abfindung für die Übernahme des Kundenstamms gemäß § 2315 BGB-cz der materiellen Passivlegitimation. Es hob hervor, dass der bisherige Mieter von Gewerberäumen eine solche Abfindung nur von seinem früheren Vermieter verlangen kann, nicht aber vom neuen Nachmieter – dies deshalb, weil der Rechtsanspruch vertraglich, nicht gesetzlich begründet ist; es liegt in der Natur der Sache, dass Vertragsparteien keine Dritten binden können. Deshalb gilt ungeachtet dessen, ob der mit der Übernahme des Kundenstamms verbundene Vorteil vom Vermieter selbst oder vom neuen Mieter erlangt wurde, dass die Pflicht zur Zahlung einer solchen Abfindung nur den früheren Vermieter berühren kann.

Gegen das Urteil der Berufungsinstanz legte die Klägerin beim Obersten Gerichtshof Revision ein, in der Überzeugung, die Pflicht zur Zahlung einer Kompensation an den gekündigten Mieter müsse denjenigen treffen, der im Grunde „ohne einen Finger zu rühren“ von den oft jahrelangen Bemühungen des Vormieters profitiert, sich in den vermieteten Räumlichkeiten einen Kundenstamm anzulegen, der ihm die erhofften Einkünfte verschafft, weswegen auch dieser neue Mieter der Gewerberäume passiv legitimiert sein sollte, die Abfindung für den übernommenen Kundenstamm zu leisten, soweit gerade er aus dieser Übernahme einen Vorteil erlangt hat.

Der Oberste Gerichtshof argumentierte u.a. damit, dass § 2315 BGB-cz mit der Annahme arbeitet, dass der vom Mieter im Rahmen seiner Unternehmenstätigkeit in den vermieteten Räumlichkeiten geschaffene Kundenstamm ein wirtschaftlich nutzbares Gut darstellt, dessen Übernahme je nach Sachlage eine anschließende finanzielle Auseinandersetzung begründen kann. Ein Abfindungsverhältnis kommt konkret dann zustande, wenn (1) der Mieter in den vermieteten Räumlichkeiten einen Kundenstamm geschaffen hat, (2) das Mietverhältnis durch Kündigung seitens des Vermieters beendet wird (und zwar nicht wg. einer groben Pflichtverletzung seitens des Mieters), (3) der kündigende Vermieter oder der neue Mieter der Räumlichkeiten durch die Übernahme des Kundenstamms vom gekündigten Mieter einen Vorteil erlangt.

Der Oberste Gerichtshof führte des Weiteren aus, es bestehe zwar kein Zweifel daran, dass es sich beim gekündigten Mieter um den Berechtigten aus dem genannten Erstattungsverhältnis handelt; das Gesetz benenne jedoch nicht explizit den Verpflichteten. Da es sich vorliegend um ein Schuldrechtsverhältnis handelt, sind lediglich die Vertragsparteien gebunden; diese können keinen Dritten ohne dessen Einwilligung verpflichten. Folgerichtig schloss der Oberste Gerichtshof, dass die Pflicht zur Zahlung der Abfindung für die Übernahme des Kundenstamms ausschließlich gegenüber dem (früheren) Vermieter greift, denn der Anspruch ist aus dem (erloschenen) Mietverhältnis zwischen ihm und dem gekündigten Mieter hervorgegangen – der Mieter ist berechtigt, seinen Anspruch gemäß § 2315 BGB-cz im Rahmen des bestehenden Schuldrechtsverhältnisses gegenüber dem Subjekt geltend zu machen, welches zum Zeitpunkt der Beendigung der Miete der Vermieter war, nicht aber gegenüber einem Subjekt, mit dem er zum Zeitpunkt der Beendigung der Miete (sowie auch später) in keinem Rechtsverhältnis stand (d.h. gegenüber dem neuen Mieter). Mit dieser Begründung wies der Oberste Gerichtshof die Revision der Klägerin ab.

Abschließend sei noch folgendes Fazit erwähnt: soweit ein Kundenstamm als wirtschaftlich nutzbares Gut zu betrachten ist, welches ausschließlich mit der in den vermieteten Räumlichkeiten betriebenen Unternehmenstätigkeit des Mieters verbunden ist, so lässt sich der Aufbau dieses Kundenstamms als eine Art Wertsteigerung der vermieteten Räumlichkeiten betrachten, weshalb die Kompensation für den sich hieraus ergebenden Vorteil gerade derjenige an den ehemaligen Mieter leisten sollte, dessen Räumlichkeiten während der Mietdauer in dieser Weise aufgewertet wurden – und dies ist wiederum der Vermieter (im vorliegenden Falle also die Stadt).

Quelle:
Urteil des Obersten Gerichtshofs, AZ 26 Cdo 3644/2022, vom 14.03.2023

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