Tschechien: Geänderte Rechtsmeinung zur gerichtlichen Minderung von Vertragsstrafen

Die Vertragsstrafe ist ein gängiger vertraglicher Mechanismus, um den Verstoß einer der Vertragsparteien gegen die vereinbarten Pflichten zu ahnden. Andererseits geht es nicht an, dass dem Willen der Parteien bei der Vereinbarung und Durchsetzung von Vertragsstrafen überhaupt keine Grenzen gesetzt sind; das Bürgerliche Gesetzbuch enthält deshalb eine ganze Reihe von Korrekturmechanismen, wozu auch die sog. Moderation (gerichtliche Minderung) der Vertragsstrafe gehört.

Die Vertragsstrafe ist ein relativ häufig anzutreffender vertraglicher Mechanismus, um den Verstoß einer der Vertragsparteien gegen die vereinbarten Pflichten zu ahnden. Generell bleibt es den Parteien überlassen, welche Pflicht sie mit einer Vertragsstrafe belegen möchten, welches Prozedere für deren Durchsetzung sie einrichten, und in welcher Höhe sie die Strafe bestimmen (bzw. die Art und Weise ihrer Berechnung festlegen). Andererseits geht es nicht an, dass dem Willen der Parteien bei der Vereinbarung und Durchsetzung von Vertragsstrafen überhaupt keine Grenzen gesetzt sind; das Bürgerliche Gesetzbuch enthält deshalb eine ganze Reihe von Korrekturmechanismen, wozu auch die sog. Moderation (gerichtliche Minderung) der Vertragsstrafe gehört.

Die sog. Moderation, also die gesetzliche Möglichkeit, ein Gericht um die Herabsetzung einer Vertragsstrafe zu ersuchen, ist in § 2051 BGB-cz geregelt, wonach gilt, dass „das Gericht eine unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe auf Antrag des Schuldners mindern kann, unter Berücksichtigung des Werts und der Wichtigkeit der mit ihr besicherten Pflicht und zwar bis zur Höhe des Schadens, der bis zum Entscheidungszeitpunkt durch die Verletzung der Pflicht verursacht wurde, auf die sich die Vertragsstrafe bezieht. Entsteht später ein Recht auf Schadensersatz, so hat der Geschädigte auf diesen Anspruch bis zur Höhe der Vertragsstrafe“.

Dieser rechtliche Mechanismus ist aus einer Regelung hervorgegangen, die bereits vor dem heute in Kraft befindlichen Bürgerlichen Gesetzbuch existierte. Das frühere Recht, gemäß dem Verträge entweder dem (früheren) Bürgerlichen Gesetzbuch oder dem Handelsgesetzbuch unterworfen waren, sah eine Moderation nur für den Geltungsbereich des Handelsgesetzbuchs vor. Im Geltungsbereich des (damaligen) Bürgerlichen Gesetzbuchs führte eine unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe dazu, dass die fragliche Abrede als absolut nichtig betrachtet wurde, so dass, vereinfacht gesagt, außer der binären Wahl „alles oder nicht“ keine anderen Möglichkeiten bestanden.

Bei der Verabschiedung des (neuen) Bürgerlichen Gesetzbuchs wurde wg. des identischen zugrundeliegenden Konzepts die bis dahin gefestigte ständige Rechtsprechung im Bereich des Handelsrechts mehr oder weniger übernommen.

Diesbezüglich galt für die gerichtliche Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Vertragsstrafe, dass es v.a. auf die Gründe ankam, die zur Vereinbarung der Vertragsstrafe in der zu beurteilenden Höhe führten, und die Begleitumstände dieser Vereinbarung. Wert und Wichtigkeit der besicherten Pflicht waren zwar ebenfalls von Bedeutung, aber eher erst dann, wenn das Gericht prinzipiell auf eine Unverhältnismäßigkeit befand und die Vertragsstrafe also minderte, unter Berücksichtigung eben dieses Werts und dieser Bedeutung. Die persönlichen Verhältnisse und die Vermögenssituation bzw. gesellschaftliche Stellung des Schuldners waren für die Moderation der vereinbarten Vertragsstrafe nicht relevant. Entscheidend waren immer nur diejenigen Umstände, wie sie zum Zeitpunkt der Aushandlung der Vertragsstrafe vorlagen, nicht aber später eingetretene Umstände.

In jüngerer Zeit ist aber der Oberste Gerichtshof von dieser gefestigten Rechtsprechung zu einem wesentlichen Teil abgewichen und hat neue Regeln festgesetzt, wie die Moderation seitens der Gerichte künftig aussehen soll.
Vor allem sollen die Gerichte künftig nicht die Unverhältnismäßigkeit der Abrede über die Vertragsstrafe (als Bestandteil des Vertrags) prüfen, sondern stets die Unverhältnismäßigkeit des vom Gläubiger geltend gemachten Anspruchs auf die Vertragsstrafe im konkreten Einzelfall. Anstelle eine allgemein gehaltene Vertragskonstruktion zu beurteilen, die bei der Aushandlung des Vertrags zustande kam, wird der Schwerpunkt nunmehr auf den konkreten Anspruch in konkreter Höhe für die konkrete Verletzung einer vertraglich festgesetzten Pflicht gelegt.

Des Weiteren soll die Verhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe künftig danach beurteilt werden, auf welche Art und Weise und unter welchen Umständen die Pflichtverletzung eingetreten ist und zu welchem Ausmaß sie die Interessen des Gläubigers berührt. In Beurteilung der Verhältnismäßigkeit soll das Gericht künftig nicht nur die Umstände berücksichtigen, die bereits bei der Aushandlung der Vertragsstrafe bekannt waren, sondern auch die Umstände, die zum Zeitpunkt des Verstoßes gegen die vertragliche Pflicht herrschten, sowie die Umstände, die danach eintraten (soweit sie unzweifelhaft auf diese Vertragsverletzung zurückzuführen sind und zum Zeitpunkt der Vertragsverletzung vorhersehbar waren).
All dies soll in drei aufeinanderfolgenden Schritten geschehen.

Im ersten Schritt stellt das Gericht unter Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregeln fest, welche Funktion die Vertragsstrafe erfüllen sollte. Hier geht es insbesondere um die Unterscheidung zwischen der pauschalisierenden und der bestrafenden Funktion einer Vertragsstrafe (also darum, ob die Vertragsstrafe eher den umständlichen Nachweis des real entstandenen Schadens ersetzen oder eher den Schuldner für sein Fehlverhalten belangen soll).

Im nächsten Schritt soll sich das Gericht unter Berücksichtigung der solcherart festgestellten Funktion der Vertragsstrafe mit allen konkreten Umständen des Falls befassen; wie bereits erwähnt, betrifft dies die bei Abschluss der Vertragsstrafklausel bekannten Umstände, die Umstände, welche im Moment des Verstoßes gegen die vertragliche Pflicht bestanden, sowie gegebenenfalls später eingetretene Umstände. Auf der Grundlage dieser Umstände beantwortet das Gericht sodann die Frage, ob die Höhe der Vertragsstrafe angesichts der verletzten Interessen des Gläubigers, welche die Vertragsstrafe hätte schützen sollen, angemessen ist.

Gelangt das Gericht im vorausgegangenen Schritt zu dem Schluss, dass die Vertragsstrafe nicht unverhältnismäßig ist, oder gelingt es ihm auf der Grundlage der Beweisaufnahme nicht, das Ausmaß der Folgen des Verstoßes gegen die Vertragspflicht in der Sphäre des Gläubigers zu klären, um den juristischen Schluss auf Unverhältnismäßigkeit des Anspruchs auf die Vertragsstrafe ziehen zu können, so darf es den Anspruch des Gläubigers auf die Vertragsstrafe nicht beschneiden. Im gegenteiligen Fall wird das Gericht in diesem dritten Schritt die Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag herabsetzen, unter Berücksichtigung der von ihr zu erfüllenden Rolle und des Werts und der Bedeutung der mit ihr besicherten Pflicht.

Fazit

Der o.g. dreistufige Test und die umfassende Neugewichtung der Anforderungen an das Gericht bei der Herabsetzung der Vertragsstrafe ist zweifellos insofern bahnbrechend, als hiermit ein über Jahre hinweg herausgebildetes Prinzip aufgegeben und durch ein grundlegend anderes ersetzt wird; diesbezüglich hat die Änderung bereits ihre begeisterten Befürworter und kritischen Gegner gewonnen. Aus praktischer Sicht ist damit zu rechnen, dass jeder geltend gemachte Anspruch auf eine Vertragsstrafe einer sorgfältigeren Kontrolle und (gerichtlichen) Analyse als bisher unterworfen werden wird, was einerseits eine Entscheidung ermöglicht, die den Umständen des jeweiligen Einzelfalls besser Rechnung trägt; auf der anderen Seite stellt eine solche Entscheidung sehr viel höhere Ansprüche an die Beweislage (sowohl was die Parteienanträge als auch was das gerichtliche Beweisverfahren betrifft), und bedeutet größeren Druck auf die Beteiligten sowie auf den mit der Entscheidung des Falls betrauten Richter.

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