Umsetzung der Entsenderichtlinie – Folgen für litauische Unternehmen

Ein Überblick zum aktuellen Gesetzesentwurf der deutschen Regierung vom 21.02.2020 und den möglichen Folgen für litauische Unternehmen.

In Zeiten von „Corona“ rücken schnell zahlreiche andere rechtliche Themen in den Hintergrund, die jedoch spätestens nach der Krise erhebliche Auswirkungen auf die litauische Wirtschaft haben dürften. Eines davon ist die Richtlinie 2018/957/EU, welche u.a. in Deutschland aktuell in ein nationales Gesetz gegossen wird, welches spätestens Ende Juli 2020 in Kraft treten dürfte.

Das Hauptziel der Richtlinienreform war gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“, d.h. die Anwendung gleicher Lohnbedingungen innerhalb eines Mitgliedstaates, unabhängig davon, ob ein einheimischer oder entsandter Arbeitnehmer beschäftigt ist. Viele litauische Unternehmen entsenden regelmäßig Arbeitnehmer nach Deutschland. Vor allem die folgenden wesentlichen Aspekte der Reform dürften deshalb für litauische Unternehmen interessant sein, die regelmäßig Mitarbeiter in das EU-Ausland entsenden:

• Kosten für Unterkunft und Verpflegung sind vom Arbeitgeber zu tragen und müssen den Standards des Gastlandes entsprechen
• Anwendung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen
• Statt – wie bisher – nur der Vorschriften über „Mindestentgelte“ sollen künftig die Vorschriften über alle Elemente der „Entlohnung“ gelten
• im Zweifelsfall wird das gesamte Tagegeld als Entsendezulage und nicht als Teil des Gehalts betrachtet
• im Falle von Entsendungen von mehr als zwölf Monaten gilt das gesamte Arbeitsrecht des Gastlandes

Allerdings gab die Richtlinie den Mitgliedsstaaten einen gewissen Spielraum, u.a. wird Ihnen die Möglichkeit gegeben, nicht nur nationale, sondern auch regionale Tarifverträge für anwendbar zu erklären.

Mindestarbeits- und Beschäftigungsbedingungen

Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage neu ist bei dem Entwurf, dass die nationalen Arbeitsbedingungen nun auch in Bezug auf folgende Aspekte zwingend für Arbeitsverhältnisse zwischen einem litauischen Arbeitgeber und seinen in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern Anwendung finden:

• die Entlohnung (nicht mehr nur den Mindestlohn)
• die Anforderungen an die Unterkunft von Arbeitnehmern, wenn sie vom Arbeitgeber für Arbeitnehmer, die von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt eingesetzt werden, unmittelbar oder mittelbar, entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden
• die Gleichbehandlung der Geschlechter
• die Zulagen oder die Kostenerstattung zur Deckung der Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die aus beruflichen Gründen von ihrem Wohnort entfernt sind

Geltung allgemeinverbindlicher Tarifverträge

Die EU-Richtlinie ermöglicht den Mitgliedsstaaten die Anwendung regionaler Tarifverträge auf entsandte Arbeitnehmer. Der Gesetzesentwurf macht indes keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit. Demnach sollen für die nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer nur bundesweit geltende, für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge gelten – d.h. regionale Tarifverträge wären nicht anwendbar. Dies wäre vorteilhaft für ausländische Unternehmen. Allerdings wird der Entwurf derzeit vor allem von Gewerkschaften heftig kritisiert. Zudem haben sich der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik und der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates in einer Empfehlung vom 23.03.20 für die Anwendbarkeit regionaler Tarifverträge ausgesprochen. Aufgrund der Corona-Krise wurde das Thema Arbeitnehmerentsendegesetz vom Bundesrat verschoben und die Empfehlung daher nicht behandelt. Bisher ist deshalb nicht absehbar, in welche Richtung das letztendliche Gesetz tendieren wird. Klar ist jedoch, dass falls regionale Tarifverträge auf entsandte Arbeitnehmer Anwendung finden sollten, dies erheblche Nachteile für litauische Unternehmen mit sich bringen könnte – regionale Tarifverträge enthalten meist strengere und spezifischere Regelungen, überdies dürfte der Beratungsbedarf steigen, um überhaupt zu erörtern, welche Tarifverträge anwendbar wären.

Vergütung und Entsendezulagen

Entlohnung im Sinne des Entwurfs sind alle Bestandteile der Vergütung, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in Geld oder als Sachleistung für die geleistete Arbeit erhält. Zur Entlohnung zählen insbesondere die Grundvergütung sowie Zulagen und Zuschläge, einschließlich Überstundensätze. Erhält der Arbeitnehmer von seinem im Ausland ansässigen Arbeitgeber für die Dauer der in Deutschland geleisteten Arbeit eine Zulage (Entsendezulage), kann diese grundsätzlich mit dem Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers verrechnet werden. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn die Entsendungszulage zur Erstattung der durch die Entsendung tatsächlich entstandenen Kosten (Entsendungskosten) betrachtet wird. Solche Entsendungskosten sollten insbesondere Reise-, Unterbringungs- und Aufenthaltskosten umfassen. Wenn jedoch in den für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen nicht eindeutig geregelt ist, welche Bestandteile einer Entsendezulage zur Erstattung der Entsendungskosten betrachtet werden und welche Teil des Arbeitsentgelts sind, muss im Zweifelsfall davon ausgegangen werden, dass die gesamte Entsendezulage als Erstattung der Entsendungskosten betrachtet wird. Dies wird höchstwahrscheinlich dazu führen, dass der in Litauen per Gesetz geregelte pauschale Tagegeldsatz nicht mehr, wie bisher, auf den deutschen Mindestlohn angerechnet werden könnte; stattdessen würde er als Erstattung der Entsendungskosten behandelt werden.

Langfristig entsandte Arbeitnehmer

Im Grundsatz gilt nach dem Entwurf: Wird ein Arbeitnehmer von einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber mehr als zwölf Monate in Deutschland beschäftigt, finden auf dieses Arbeitsverhältnis nach zwölf Monaten Beschäftigungsdauer im Inland alle Arbeitsbedingungen Anwendung, die am Beschäftigungsort in Rechts- und Verwaltungsvorschriften und in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorgeschrieben sind. Ausnahmen stellen lediglich die Verfahrens- und Formvorschriften und Bedingungen für den Abschluss oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, einschließlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote, sowie die Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung dar.

Nach schriftlicher Mitteilung des Arbeitgebers an die zuständige Behörde (unter Angabe der Gründe für die Überschreitung der 12-monatigen Beschäftigungszeit) kann dieser Zeitraum auf bis zu 18 Monate verlängert werden.

Ersetzt ein Unternehmen einen entsandten Arbeitnehmer durch einen anderen entsandten Arbeitnehmer, der die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort ausübt, so gilt für die Berechnung der genannten Fristen von 12 oder 18 Monaten die Summe der Entsendungszeiträume der einzelnen betroffenen entsandten Arbeitnehmer – z.B. wird der genannte Zeitraum von 12 Monaten erreicht, wenn 2 Arbeitnehmer für jeweils 6 Monate am gleichen Ort die gleiche Tätigkeit erbracht haben.

Mögliche Auswirkungen auf litauische Unternehmen

Die Auswirkungen auf litauische Unternehmen könnten enorm sein:

• Litauische Tagegelder werden voraussichtlich nicht mehr als Teil des ausländischen Mindestlohns akzeptiert
• Entsendungen könnten verwaltungstechnisch komplizierter werden, da von Anfang an eine intensivere Prüfung der geltenden Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erforderlich sein wird
• Die Unterkunft und Verpflegung muss den Standards des Gastlandes entsprechen, wenn ein Arbeitnehmer in ein EU-Land mit höherem Lebensstandard entsandt wird, kann dies die Kosten erheblich erhöhen
• Es besteht ein höheres Risiko einer falschen Einstufung und Anwendung der Rechtsvorschriften und Tarifverträge des Aufnahmemitgliedstaats
• Im Falle von Entsendungen von mehr als einem Jahr für denselben Arbeitsplatz, unabhängig vom einzelnen Arbeitnehmer, wird es notwendig sein, im Voraus alle anwendbaren Gesetze und bürokratischen Anforderungen des Gastlandes zu prüfen

Verstärken könnten sich die Auswirkungen, wenn, anders als vom Gesetzesentwurf vorgesehen, auch regionale allgemein verbindliche Tarifverträge auf entsandte Arbeitnehmer anwendbar wären.

Quellen: 

• Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen
• Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen
• Empfehlungen des Ausschusses für Arbeit, Integration und Sozialpolitik und des Wirtschaftsausschuss, Drucksache 84/1/20
• Bundesrat, Plenarprotokoll 988

Newsletter abonnieren

Wenn Sie den Newsletter abonnieren, stimmen Sie zugleich unseren Datenschutzbedingungen zu.