Tschechien: Endlich Schluss mit der gesetzwidrigen Praxis? Einige Anmerkungen zur amtlichen Übersetzung fremdsprachiger Vollstreckungstitel

Es ist über die Jahre zur üblichen Praxis für die tschechischen Gerichte geworden, vor der Anordnung der Vollstreckung mit ausländischem Element vom Berechtigten u.a. die Vorlage einer amtlichen Übersetzung des innerhalb der EU ergangenen Vollstreckungstitels in die tschechische Sprache zu verlangen. Nun aber scheint es so, dass das Bezirksgericht in Brno endlich gegen diese – es muss betont werden: gesetzwidrige! – Praxis vorgeht.

Im vorliegenden Fall hatte der Gerichtsvollzieher (auf Weisung des mit der Vollstreckung befassten Gerichts) den Antrag auf Vollstreckung abgewiesen, mit der Begründung, es sei zwar der Vollstreckungstitel (hier: das Urteil eines österreichischen Gerichts) im Original vorgelegt worden, jedoch ohne amtliche Übersetzung ins Tschechische, obwohl das Gericht hierzu aufgefordert hatte.

Unsere Kanzlei begegnet immer wieder einer eingebürgerten Praxis, wonach die Gerichte von uns als Vertreter unserer Mandantschaft verlangen, neben der Vollstreckungsbescheinigung außerdem auch eine amtliche Übersetzung der in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidung zur Vollstreckung zu verlangen, bevor sie den Gerichtsvollzieher mit der Einleitung der Vollstreckung beauftragen. Wir glauben, dass diese Vorgehensweise mit dem geltenden Recht nicht vereinbar ist und unseren Mandanten unnötig zusätzliche Kosten aufbürdet; deshalb verwahrten wir uns im vorliegenden Fall gegen das gerichtliche Verlangen und legten gegen die Entscheidung des Gerichtsvollziehers Berufung ein.

Unsere Argumentation basierte v.a. auf der Tatsache, dass der Antrag auf Vollstreckung ordnungsgemäß sämtliche Anlagen enthielt, die nach nationalem und europäischem Recht erforderlich sind. Neben dem Vollstreckungstitel im Original legte der Antragsteller eine Bescheinigung in tschechischer Sprache vor, die den Inhalt des Vollstreckungstitels wiedergab und die darin enthaltenen Angaben bestätigte, im Einklang mit Art. 42 Abs. 1 Buchst. (b) der Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates.

Gemäß Art. 42 Abs. 3 der zit. Verordnung ist das Gericht zwar berechtigt, eine Übersetzung der Bescheinigung gemäß Art. 54 zu verlangen, nicht aber der Entscheidung selbst. Vielmehr kann eine Übersetzung des Vollstreckungstitels erst verlangt werden, wenn das Gericht ohne eine solche das Verfahren nicht fortsetzen könnte (vgl. Art. 42 Abs. 4 der Verordnung). Im Übrigen genügt die vorgelegte Entscheidung sämtlichen formellen und inhaltlichen Anforderungen, um die Einleitung der Vollstreckung ohne Weiteres vorzunehmen.

Das Bezirksgericht in Brno folgte unserer Argumentation und führte ergänzend aus: “Das Gericht im Staat der Vollstreckung kann zwar tatsächlich im weiteren Verlauf die Vorlage einer solchen Übersetzung (der Entscheidung) vom Antragsteller verlangen; das Berufungsgericht ist aber der Überzeugung, dass jede diesbezügliche Initiative sich auf ein späteres Verfahrensstadium konzentrieren sollte, und zwar nur dann, falls dieses überhaupt eintritt – sprich, das Gericht sollte eher auf (etwaige) diesbezügliche prozessuale Schritte der verpflichteten Partei reagieren.”

Dieser Rechtsmeinung des Gerichts können wir nur beipflichten. Falls der Fall in die Revision gehen sollte, werden wir die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten.

Quelle:
Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

Beschluss AZ 20 Co 117/2024 des Bezirksgerichts in Brno vom 10.05.2024

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