Tschechien: Die Beglaubigung elektronischer Signaturen in der juristischen Praxis

Kann eine beglaubigte Unterschrift durch eine beglaubigte elektronische Signatur ersetzt werden? Was erlaubt die juristische Praxis, und wie sieht die Realität betreffend elektronische Beglaubigungen aus?

Das Rechtsinstitut der amtlichen Beglaubigung von Unterschriften bedarf keiner näheren Erläuterung; ich wage nicht zuviel, wenn ich behaupte, dass ihm wohl jeder unter den Lesern bereits irgendwann einmal begegnet ist. Schließlich ließe sich ohne beglaubigte Unterschrift keine Immobilienübereignung (und keine Übertragung von Vermögen, zu dem u.a. Immobilien gehören) erfolgreich vollziehen, keine der grundlegendsten Erklärungen betreffend juristische Personen abgeben (egal ob als Geschäftsführer einer GmbH oder Mitglied des Ausschusses einer Wohnungseigentümerversammlung). Beglaubigte Unterschriften werden außerdem oft als eine „höherrangige Form der Unterschrift“ herangezogen, wo Parteien eines Rechtsgeschäfts einander nicht ausreichend vertrauen; sie sind ein wesentlicher Part bestimmter Verwaltungsverfahren (typischerweise im Falle von Generalvollmachten).

Die Praxis ist einfach genug: der Unterzeichner findet sich beim Beglaubiger ein (d.h. typischerweise ein Notar, oder ein Rechtsanwalt oder der Beamte einer CzechPOINT-Filiale) und unterschreibt das Dokument eigenhändig vor der Beglaubigungsperson (bzw. bestätigt eine bestehende Unterschrift als seine eigene); daraufhin versieht der Beglaubiger das Dokument mit einer entsprechenden Beglaubigungsklausel und legt einen internen Eintrag über die vorgenommene Unterschriftenbeglaubigung an. Ein wirklich einfacher und schneller Vorgang in der Praxis.

Im Zuge des technischen Fortschritts kennen wir nun aber bereits seit geraumer Zeit elektronische Unterschriften (genauer: Signaturen) und nehmen diese als alltäglichen Bestandteil unseres Lebens wahr. Manchmal werden solche Unterschriften vermittels kryptographischer Schutzmechanismen erzeugt (mit Hilfe sog. Token oder USB-„Schlüsselanhänger“ und entsprechender Zertifikate; ein anderes Mal mag es sich um eine eingescannte Kopie eines physisch auf Papier unterzeichneten Dokuments handeln; wieder ein anderes Mal haben wir es einfach mit dem Namen am Ende einer E-Mail-Nachricht zu tun. Die eIDAS-Verordnung der EU definiert denn auch die elektronische Signatur (vereinfacht gesprochen) als jegliche elektronischen Daten, die die Identifikation des Unterzeichners ermöglicht (also im genannten Fall der Name am Ende einer E-Mail) und anderen elektronischen Daten (hier: die eigentliche E-Mail-Nachricht) beigefügt oder logisch mit diesen verbunden ist.

Wie kann nun aber eine solche Unterschrift in denjenigen Fällen verwendet werden, in denen eine offizielle (amtliche) Beglaubigung erforderlich ist?

Der grundlegende rechtliche Rahmen für den Einsatz dieses Rechtsinstituts wurde bereits vor einer Reihe von Jahren angelegt. Ähnlich lange kennen wir den Kreis der zur Beglaubigung autorisierten Personen (wie bereits erwähnt: Notare, Anwälte und das CzechPOINT-Netzwerk, sowie ein automatisierter Vorgang, der auf das Informationssystem der öffentlichen Verwaltung zurückgreift). Der Grundgedanke leuchtet unmittelbar ein und entspricht der Beglaubigung „im wirklichen Leben“: der Unterzeichner legt ein elektronisch unterzeichnetes Dokument vor, woraufhin der Beglaubiger (oder ein automatisierter Prozess) die Identität des Unterzeichners prüft und eine Beglaubigungsklausel beifügt. Damit wird eine Urkunde geschaffen, deren Beglaubigungsniveau dem der physischen Beglaubigung entspricht, nur eben mit dem einzigen Unterschied der elektronischen Form.

Allerdings begegnet man diesem Mechanismus nur selten in der Praxis; der Grund hierfür ist, dass die praktische Umsetzung erheblich zu wünschen übrig lässt und eigentlich nicht wirklich existiert.

In dieser Hinsicht sind die Notare sowohl theoretisch als auch praktisch am weitesten „fortgeschritten. Sie sind in der Lage, elektronische Unterschriften nicht nur im persönlichen Beisein, sondern auch fernmündlich per Videokonferenz zu beglaubigen (wobei der Teilnehmer dann z.B. mit Hilfe der sog. Bankidentität – Bank iD – identifiziert wird), können sowohl auf der Eingangs- als auch der Ausgangsseite mit PDF-Dokumenten arbeiten, verlangen für diesen Akt eine mit 70 Kronen sehr fair bepreiste Gebühr, und stellen an die elektronische Signatur die einzige Voraussetzung, dass diese sichtbar sein bzw. auf anerkannten Zertifikaten beruhen muss. Auf den ersten Blick scheint es damit so, als ob die Nöte all derjenigen erhört wurden, die sich im Ausland aufhalten, keine tschechische Botschaft besuchen können, aber eine beglaubigte Unterschrift brauchen. Leider endet damit die Aufzählung der Positivaspekte. In der Praxis hapert es daran, dass kaum ein Notar diese Dienstleistung anbieten will. Ein konkretes Beispiel: der Autor dieses Artikels arbeitet mit fünf verschiedenen Notariaten auf regelmäßiger Basis zusammen, und kein einziges davon bietet die elektronische Beglaubigung von Unterschriften an (bzw. ist es vielmehr so, dass sich alle ausdrücklich weigern, diese Leistung zu erbringen).

Vor nicht allzu langer Zeit hat auch das Filialnetz von CzechPOINT ein System für die Beglaubigung elektronischer Signaturen gestartet. In der Praxis erfordert der Vorgang, dass das fragliche Dokument zunächst in ein speziell für diesen Zweck geschaffenes Repositorium hochgeladen werden muss. Soweit, so gut. Die darauffolgenden Schritte machen diese Beglaubigungsmethode jedoch völlig unbrauchbar für den Praktiker. Das System generiert ein Zertifikat für den Unterzeichner, in dem die Hinterlegung des Dokuments bestätigt wird; der Unterzeichner muss dieses Zertifikat persönlich auf einer CzechPOINT-Filiale vorlegen und sich mit einem offiziellen Ausweispapier ausweisen, woraufhin ihnen das elektronisch beglaubigte Dokument herausgegeben wird. Dies hält dem Vergleich mit der „Beglaubigung in Papierform“ in keiner Weise stand, insofern als hiermit gerade denjenigen Situationen nicht Rechnung getragen wird, in denen die elektronische Beglaubigung am meisten gewünscht ist, d.h., dann, wenn der Unterzeichner nicht persönlich bei einer CzechPOINT-Filiale vorbeischauen kann oder will.

Im Falle von Rechtsanwälten steckt das ganze Konzept noch immer in der theoretischen Phase. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind längst geschaffen, aber Rechtsanwendern fehlen sowohl die Methodik (die von der Tschechischen Rechtsanwaltskammer bereitgestellt werden müsste) als auch die technischen Grundlagen. Mit anderen Worten: der Rechtsanwalt Ihres Vertrauens würde Ihnen gerne entgegenkommen – kann es aber nicht.

Nicht anders sieht es bei der automatischen Zertifizierung vermittels des Informationssystems der öffentlichen Verwaltung aus. Wie im Falle der Rechtsanwaltschaft besteht auch hier die rechtliche Grundlage, aber es fehlt an der Technologie. (Allerdings wird allgemein davon ausgegangen, dass es sich um eine ins sog. Bürgerportal zu integrierende Komponente handeln wird, vermittels derer der Unterzeichner – z.B. per Bank iD – automatisch identifiziert wird. Wie auch immer: zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das alles graue Theorie.)

Eine recht interessante Möglichkeit, die sich von den bisher beschriebenen Varianten abhebt, besteht darin, das Profil des Unterzeichners im Bürgerportal (bzw. im Bürgerregister) mit der laufenden Nummer des Zertifikats zu verknüpfen, welches der Unterzeichner ansonsten für elektronische Signaturen verwendet. Diese Möglichkeit ist auf strengerere Formen der elektronischen Signaturen beschränkt, die unter dem Begriff „qualifizierte Zertifikate“ bekannt sind, d.h., die eingescannte Kopie einer handschriftlichen Unterschrift genügt hier nicht. Auf der anderen Seite gelten diese Unterschriften (mit geringfügigen Ausnahmen) als „automatisch beglaubigt“. Dies bedeutet in der Praxis: amtlich beglaubigt ohne eine Beglaubigungsperson, ohne eine Beglaubigungsklausel, ohne Eintrag in einem Unterschriftenbuch, und vor allem ohne die Notwendigkeit, zu reisen, sich irgendwo einzufinden, irgendwelche Arrangements zu treffen (um es vereinfacht auszudrücken). Die Erstellung der besagten Verknüpfung ist ausgesprochen einfach: der Unterzeichner loggt sich in sein persönliches Profil auf dem Bürgerportal ein, fügt die Nummer des Zertifikats dem Profil hinzu, und fertig ist die Sache. Diese Signatur wird von den Behörden generell akzeptiert werden, obwohl ich persönlich empfehle, die Unterschrift mit einem angemessenen Zusatz zu ergänzen (der z.B. so lauten könnte: „Dem Erfordernis der amtlichen Beglaubigung der Unterschrift wurde gemäß § 6 Abs. 2 Ges. Nr. 12/2020 Slg., über das Recht auf digitale Dienstleistungen und die Änderung bestimmter Gesetze, idgF, Rechnung getragen“). Auch sollte man darauf vorbereitet sein, dass die Behörden (also auch z.B. das Registergericht) im Einzelfall die Vorlage eines Auszugs aus dem Bürgerregister verlangen können.

Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten lässt sich zusammenfassen: die Beglaubigung elektronischer Signaturen hat in der modernen juristischen, verwaltungstechnischen und vertraglichen Praxis sicherlich ihre Daseinsberechtigung. Die tragende Idee hinter dem Mechanismus macht Sinn und entspricht dem gewünschten Zweck, nämlich dem, eine größere Zusicherung zu bieten, dass die handelnde (und zeichnende) Person auf der anderen Seite auch die ist, die sie zu sein vorgibt. Allerdings ist die Umsetzung dieser Idee einfach furchtbar und für reale Bedürfnisse praktisch unbrauchbar, und dies wird wohl noch einige Zeit so bleiben. Damit werden wir auch künftig gezwungen sein, auf provisorische Ersatzlösungen zurückzugreifen, wie etwa die Konversion von Papierdokumenten in die elektronische Form (und umgekehrt) – vergleichbare, aber eben nicht immer ideale Mechanismen. Ob sich die Situation zum Besseren wenden wird, steht leider noch in den Sternen.

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