Tschechien: Änderungen im tschechischen und deutschen Staatsangehörigkeitsrecht im Jahre 2024

In beiden Ländern sind Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht im Laufe des Jahres 2024 geplant. Während in der Tschechischen Republik Emigranten von den Änderungen profitieren sollen – leider werden viele nicht davon profitieren -, bleibt die übertriebene tschechische Bürokratie das größte Hindernis für Antragsteller. Die Notwendigkeit, Bier zu trinken, ist weiterhin keine Voraussetzung für den tschechischen Pass.

„Ich glaube, dass Sie in der Tschechischen Republik nur dann einen Pass bekommen, wenn Sie Bier trinken.“ (Lukas Hradecky, finnischer Torwart (mit slowakischen Wurzeln) von Bayer Leverkusen, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 10./11.2.2024)

In beiden Ländern sind Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht im Laufe des Jahres 2024 geplant. Während in der Tschechischen Republik Emigranten von den Änderungen profitieren sollen – leider werden viele nicht davon profitieren -, bleibt die übertriebene tschechische Bürokratie das größte Hindernis für Antragsteller. Die Notwendigkeit, Bier zu trinken, ist weiterhin keine Voraussetzung für den tschechischen Pass.

In Deutschland werden nur Ausländer, die schon länger in Deutschland leben (in Deutschland wohnen gegenwärtig ca. 12 Millionen Ausländer!), von den Änderungen profitieren. Auch in Deutschland werden die bürokratischen Anforderungen immer umfangreicher, schon jetzt sind die Ämter mit der Bearbeitung der Einbürgerungsanträge überfordert, die Bearbeitungszeiten steigen weiter an.

Tschechische Republik

Die geplanten Änderungen in §§ 31 und 33 des Staatsbürgerschaftsgesetzes (Gesetz Nr. 186/2013 Slg.) erfolgen auf Druck von tschechischen Gerichtsverfahren (die bisher alle wie das Hornberger Schießen, d.h. erfolglos, ausgingen), aber auch wegen Protests von jüdischen und anderen Emigranten-Organisationen im Ausland, die schon lange darauf hingewiesen haben, dass das tschechische Staatsbürgergesetz viel zu restriktiv ist: bisher war die Einbürgerung bei § 31 auf Kinder und Enkel von Emigranten beschränkt, obwohl es mittlerweile auch viele Urenkel gibt, die Interesse am tschechischen Pass hätten (nur bei § 32 gibt es diese Beschränkung nicht; der Unterschied ist, dass bei § 31 ein Verlust eingetreten war, bei § 32 der Vorfahre die tschech(oslowak)ische Staatsbürgerschaft nie verloren hatte). Jetzt wird der Anspruch im Erklärungsverfahren nach § 31 auf die Urenkel, d.h. die vierte Generation, erweitert. Außerdem gab es immer noch Hürden aus kommunistischer Zeit für Emigranten mit dem Geburtsdatum zwischen 1949 und 1969 (insbesondere bei § 32); die sollen jetzt aufgehoben werden:

In den Fällen, in denen die erste Generation der Emigranten die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft nie verloren hat, soll geändert werden, dass solche Kinder von Emigranten, die bisher keine Chance hatten, die Staatsbürgerschaft zu erlangen, weil sie zwischen 1949 und 1969 im Ausland geboren wurden und wegen diskriminierender Regelungen kommunistischer Provenienz die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft nicht erlangen konnten, weil sie einen ausländischen Elternteil hatten, jetzt eine Chance haben sollen. Bisher war es so, dass dann, wenn nicht beide Elternteile tschechoslowakische Staatsbürger waren und ein Kind im Ausland zwischen 1949 und 1969 geboren worden war und für dieses Kind nicht innerhalb eines Jahres nach dessen Geburt ein Antrag bei der Botschaft der Tschechoslowakei oder dem zuständigen kommunistischen Amt im Inland auf Einbürgerung gestellt worden war, dieses Kind nicht automatisch tschechoslowakischer Staatsbürger wurde. Diese diskriminierenden Regelungen sollten Emigrantenkinder, die nach 1949 geboren wurden, von der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft ausschließen, weil deren Eltern als Emigranten den Kommunisten als politisch unzuverlässig galten. Diese Regel wird bis heute unreflektiert angewandt.

Nun soll auch die Unlogik zwischen § 31, § 32 und § 33 des Gesetzes 186/2013 Slg. beseitigt werden, nach der es für die Antragsteller besser war, wenn ein Emigrant irgendwann die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren hatte – dann ist meist ein Erklärungserwerb nach § 31 schon jetzt möglich – , während er oft unmöglich ist, wenn der Emigrant die tschech(oslowak)ische Staatsbürgerschaft nie verloren hatte. Denn dann war meist der Erklärungserwerb nach § 32 ausgeschlossen, insbesondere wegen des Versäumens der einjährigen Frist nach § 33 Abs. 1 letzter Satz, die schon Ende 2014 ausgelaufen war. Diese Befristung soll jetzt aufgehoben werden.

Die geplante Novelle, die im Parlament steckengeblieben ist, wird nicht alle Probleme lösen:

a) es bleibt beim Ausschluss von vielen Emigranten jüdischer Herkunft, aber deutscher (und ungarischer) Muttersprache, die die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft wegen des Benesch-Dekrets Nr. 33/1945 Slg. vom 2. August 1945 schon im Jahre 1945 verloren hatten. Dieses Dekret wird immer noch angewandt, es ist keineswegs erloschen, und es schließt z. B. die meisten Nachkommen der sog. Winton-Kinder, die 1938/39 von Sir Nicholas Winton in Kindertransporten aus Prag vor ihrer Ermordung gerettet wurden, von der Beantragung der tschechischen Staatsbürgerschaft aus. Daran ändert die vorgeschlagene Novelle nichts. Zwar stehen auf dem Prager Hauptbahnhof gleich zwei Denkmäler für diese Kinder, das aktuelle tschechische Recht, auch nach der geplanten Novellierung, lässt diese Kinder und deren Nachkommen aber im Regen stehen. Damit die Nachkommen der Winton-Kinder den tschechischen Pass erhalten könnten, müsste dieses Benesch-Dekret gar nicht aufgehoben werden (dann würde angeblich dem Tschechischen Staat dessen Fundament entzogen), sondern es würde ausreichen, die Frist in § 2 des Benesch-Dekrets, die am 10. Februar 1946 abgelaufen ist, wieder einzusetzen. Dann könnten Opfer und Verfolgte des Naziregimes und deren Nachkommen, die diese Frist 1946 verpasst hatten, einen Ausschluss von der Anwendung des Benesch-Dekrets Nr. 33/1945 Slg. beantragen. Sie müssten nachweisen, dass sie oder ihre Vorfahren ihrerseits Opfer des Nationalsozialismus waren (was die Winton-Kinder waren, weil sie jüdisch waren; die meisten Kinder haben ihre Eltern im Holocaust verloren). Der Mechanismus des § 2 hat ohnehin nie funktioniert, denn die meisten Anträge nach § 2 wurden abgelehnt oder gar nicht entschieden, weil die Tschechoslowakei zwischen 1946 und 1948 kein Rechtsstaat war. Kein Problem mit dem Dekret Nr. 33/1945 Slg. haben die tschechischen und slowakischen Emigranten nichtjüdischer Herkunft und / oder nicht deutscher oder ungarischer Muttersprache; denen schadet auch nicht, wenn sie aus Familien kommen, die bis 1945 mit den Nationalsozialisten kollaboriert haben;

b) es bleibt nach der geplanten Novelle dabei, dass bewiesen werden muss, dass der tschechoslowakische Emigrant kein slowakischer Staatsbürger wurde oder immer noch ist; das mag logisch erscheinen wegen der Gesetzeslage ab 1969, als sich tschechoslowakische Staatsbürger entscheiden mussten, ob sie tschechische oder slowakische Staatsbürger werden wollten. Allerdings ist dieses Erfordernis sehr fragwürdig, weil viele Emigranten schon ab 1938 emigriert waren und weil diejenigen Emigranten, die schon slowakische Staatsbürger geworden sind, in den seltensten Fällen noch zusätzlich einen tschechischen Pass haben wollen. Außerdem wird die doppelte Staatsbürgerschaft zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei seit dem Jahre 2014 sowohl nach tschechischem, aber auch seit 2022 nach slowakischem Recht erlaubt (das war von 1969 bis 2014 anders).
Weil diese sinnlose Regelung auch nach der Novellierung 2024 aufrechterhalten werden soll, ergibt sich folgendes: wenn ein Emigrant 1938 aus Prag z.B. nach London oder Palästina emigrierte, muss er nun in Bratislava ein Feststellungsverfahren zur Frage, ob er slowakischer Staatsbürger ist, absolvieren. Nicht zu unterschätzen ist der Aufwand, dies nachzuweisen: denn es reicht keine sog. Ehrenerklärung, im Gegenteil: es muss ein offizielles slowakisches Papier aus dem zuständigen slowakischen Allgemeinem Amt in Pressburg (Bratislava) („Obecni urad Bratislava“) in Prag bei der Matrika in Prag 1 vorgelegt werden. Da die slowakischen Botschaften in London und Prag, um es euphemistisch auszudrücken, dysfunktional sind und auch nicht mit der Matrika Prag 1 kooperieren, ist ein Feststellungsverfahren direkt beim „Obecni Urad“ in Bratislava notwendig. Alle Unterlagen, d.h. Geburts-, Heirats-, Einbürgerungs- und Meldeunterlagen etc., müssen auch in Bratislava im Original, mit Apostille und mit einer beglaubigten Übersetzung ins Slowakische eingereiht werden. Die einzige Erleichterung ist, dass eine beglaubigte Übersetzung ins Tschechische in Bratislava und eine beglaubigte Übersetzung ins Slowakische auch in Prag akzeptiert werden. Der administrative Aufwand für ein solches zusätzliches Verfahren ist aber horrend – und vom Ergebnis absolut sinnlos, weil eine slowakische Staatsbürgerschaft ohnehin nie festgestellt wird.

c) Wenn durch die slowakische Eskapade bereits das Verfahren verdoppelt wird, verdreifacht sich das Verfahren, weil Voraussetzung des tschechischen Verfahrens bei der Matrika bei Prag 1 ist (für Antragsteller im Ausland, leider gibt es keine eigene spezialisierte Behörde für diese Verfahren, die Matrika 1 ist heillos überlastet), dass der Antragsteller eine Bescheinigung vorlegen muss, dass der Emigrant, z.B. Vater oder Großvater, tschechoslowakischer Staatsbürger zum Zeitpunkt der Geburt des Antragstellers oder dessen Vaters / Mutter war. Dieses Verfahren wird dort geführt, wo der Emigrant, z.B. 1938 oder 1949, sein sog. „Heimatrecht“ (das altösterreichische, 1949 abgeschaffte „domovské právo“) hatte. Das herauszufinden ist aber Sache des Antragstellers, nicht der tschechischen Behörde, und das Verfahren ist nicht integriert bei der Matrika 1, sondern vorgeschaltet. Dies bedeutet: wenn der letzte Wohnsitz in Ostrava war, muss dort dieser Antrag gestellt werden, und erst wenn dort die Bescheinigung, dass der Emigrant tschechoslowakischer Staatsbürger war, ausgestellt worden ist, kann der Antrag bei der Matrika, wieder mit allen Unterlagen, auch der slowakischen Bescheinigung, eingereicht werden; wenn aber nicht klar ist, wo genau der letzte Wohnsitz des Emigranten oder dessen Heimatrecht war (z.B. ob in Prag 10, Prag 12 oder in Karlsbad oder Reichenberg) oder das Heimatrecht z.B. in der Karpatho-Ukraine war (z.B. in Mukačevo), dann muss der Antragsteller das selbst herausbekommen, die Matrika in Prag 1 rührt dazu keinen kleinen Finger; das Verzeichnis der Bürger („Evidence obyvatelů“) ist erst ab ca. 1970 vollständig und gibt Privatpersonen ohnehin keine Auskunft, sondern nur Gerichten oder der zuständigen Matrika, die aber nicht bekannt ist, denn das soll gerade herausgefunden werden,. Die Archive haben trotz allgemein hervorragender Verzeichnisse und Organisation (eine Abfrage kostet ca. 20-40 EUR und dauert nur zwei-drei Monate), nicht immer alle Angaben parat.

Im Ergebnis ist festzustellen: an dem bürokratischen Marathon durch tschechische und slowakische Ämter, der schon jetzt erforderlich ist, ändert die Novelle gar nichts, und beim zentralen Problem des Benesch-Dekrets ändert sie auch nichts, weil die tschechische Politik nicht bereit ist, irgendetwas an diesem Dekret zu ändern – weil es „erloschen“ sei. Aber das Dekret wird sehr wohl noch angewandt. Das Dekret Nr. 33/1945 Slg., d.h. die heilige Kuh, hätte für die Winton-Kinder nicht einmal teilweise geschlachtet, sondern es hätte lediglich umgangen werden müssen, und dies wäre über den Weg der Fristverlängerung bzw. Entfristung in § 2 des Dekrets möglich. Trotzdem kann die vorliegende Novelle für einige Antragsteller, z.B. die, die die einjährige Frist des § 33 Abs. 1 verpasst hatten oder die durch die Begrenzung auf Kinder und Enkel in § 31 bisher von einem Antrag ausgeschlossen waren, die Lage verbessern. Leider ändern sich aber nicht die übertriebenen bürokratischen Anforderungen und die quasi Verdreifachung des Verfahrens durch die Bescheinigung über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft des Emigranten und die Notwendigkeit, einen negativen Bescheid aus der Slowakei zu erbringen.

Das Fazit, ganz nach Viktor Stepanowitsch Tschernomyrdin, weiland Russischer Premierminister in den 90er Jahren, könnte für die Novelle lauten: „Gut gedacht, aber es endete wie immer“ (Russisch: “Хотели как лучше, а получилось как всегда“). Bisher ist die Novelle nicht einmal verabschiedet worden.

Bundesrepublik Deutschland

Durch die Novelle zum Staatsangehörigkeitsgesetz, die am 27. Juni 2024 in Kraft tritt, ändert sich einiges: zum einen werden die Fristen, die für die Beantragung notwendig sind, mehr als halbiert: es reichen für einen Einbürgerungsantrag schon fünf (statt acht) Jahre Aufenthalt in Deutschland mit einer Aufenthaltsgenehmigung, bei besonderen Integrationsleistungen reichen nur drei Jahre. Die Erfordernisse an die deutschen Sprachkenntnisse werden herabgesetzt, und die Mehrstaatigkeit wird generell zugelassen, d.h. die Notwendigkeit entfällt, eine andere Staatsangehörigkeit vor dem Erwerb der deutschen abzulegen oder eine Beibehaltungsgenehmigung einzuholen. Schließlich gibt es großzügige Erleichterungen für ehemalige Gastarbeiter.

Verschärft werden die Anforderungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit; ab jetzt muss in der Regel Einkommen nachgewiesen werden, das nicht auf staatlichen Leistungen beruht; und die Anforderungen an die Unbescholtenheit der Antragsteller wird auch verschärft: bei fremdenfeindlichen oder antisemitischen Straftaten oder Ermittlungsverfahren (wie auch immer das festgestellt werden mag) droht eine Ablehnung der Einbürgerung. Sogar Antragsteller nach § 15 StAG, also Antragsteller auf Wiedergutmachungseinbürgerung, meist Nachfahren von jüdischen Emigranten aus Deutschland, die zwischen 1933 und 1945 oder später geflohen sind, müssen diese Bescheinigungen vorlegen (nicht jedoch Antragsteller nach Art. 116 Abs. 2 GG): kann ein Jude oder sein Nachfahre Antisemit sein, kann er überhaupt Mitglied der Hamas, von Al-Qaida oder vom IS sein? Das wird aber abgefragt. Und wie soll diese Gesinnungsprüfung vorgenommen werden?

Leider wird diese Bürokratie die ohnehin überlasteten Ämter im Inland (Ausländer- und Staatsbürgerschaftsbehörden) und für Antragsteller mit Wohnsitz im Ausland das Bundesverwaltungsamt (BVA in Köln) zusätzlich paralysieren. Schon jetzt gibt es in großen Städten wie Hamburg, München oder Berlin – dort gibt es ab 1.1.2024 das völlig überlastete Landesamt für Einwanderung (LEA), das von den Berliner Bezirken über 40000 unbearbeitete Anträge übernommen hat – jahrelange Rückstände. Es wird von Wartezeiten von bis zu vier Jahren, beim BVA wird für § 15-StAG-Verfahren von Wiedervorlagezeiten von über sechs Jahren berichtet.

Fazit

In beiden Ländern sind Liberalisierungen geplant (nur in Deutschland sind die aber schon in Kraft getreten), leider bleibt ein erheblicher bürokratischer Aufwand. Die Novelle in der Tschechischen Republik verfehlt ihr Ziel, dass die Kinder, die von Sir Nicholas Winton gerettet wurden, und deren Nachkommen eingebürgert werden könnten, und sie räumt mit dem bürokratischen Marathon nicht auf, das Verfahren besteht aus drei unabhängigen Verfahren, der Antragsteller muss die Informationen in Archiven und Ämtern selbst beantragen. In Einzelfällen werden die eingeführten Erleichterungen im tschechischen Staatsbürgerschaftsgesetz aber helfen. Die Bearbeitungszeiten in beiden Ländern betragen mindestens ein Jahr, beim BVA bis zu sechs Jahre.

Quelle:
Gesetzesvorschlag der Abgeordneten Roman Bělor, Vladimír Balaš, Ondřej Benešík, Eva Decroix, Jakub Michálek, Martina Ochodnická und Hayato Okamura zur Änderung des Gesetzes Nr. 186/2013 Sb., über die Staatsbürgerschaft der Tschechischen Republik

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