Risiko der Strafverfolgung besteht auch nach Steuermahnbescheid fort

Czech Republic: Oberster Gerichtshof lässt die Möglichkeit der Strafverfolgung auch nach früherer Bestrafung durch das Finanzamt zu.

Im November 2015 machte ein Urteil des Obersten Verwaltungsgerichtshofs Schlagzeilen, in dem festgestellt wurde, dass ein gemäß Abgabenordnung verhängtes Bußgeld von seinem Charakter her ebenso eine „Strafe“ ist wie z.B. eine Geldstrafe oder der Freiheitsentzug. Die Rechtsanwender schlussfolgerten anhand dieser Entscheidung, das Verbot der Doppelbestrafung verhindere die strafrechtliche Belangung von Individuen, die bereits im Steuerverwaltungsverfahren bestraft wurden (gemäß dem Grundsatz „ne bis in idem“ – nicht zweimal in derselben Sache). Allerdings hatte der Oberste Verwaltungsgerichtshof seinerzeit nicht direkt die Möglichkeit erörtert, dass parallel bzw. nacheinander ein Steuerverfahren und ein Strafverfahren geführt werden.

Eine aktuelle Entscheidung des Großen Senats des Obersten Gerichtshofs hat nun die Möglichkeit der Strafverfolgung eines Mannes konzediert, der vom Finanzamt bereits wegen Steuerhinterziehung bestraft wurde, und führte hierzu aus, das Verbot der Doppelbestrafung werde nicht verletzt, wenn sich beide Verfahren ergänzen, auf unterschiedliche Aspekte des jeweiligen rechtswidrigen Handelns ausgerichtet sind und zwischen ihnen ein inhaltlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Allerdings betonten die Richter, der Täter dürfe keiner unbotmäßigen Beschwernis ausgesetzt werden; soweit dem Urteil im Strafverfahren eine Sanktion im Steuerverfahren vorausgegangen sei (und das dabei auferlegte Bußgeld ordentlich bezahlt wurde), müsse dies bei der Festsetzung des Strafmaßes berücksichtigt werden.

Zugleich bestätigte der Große Senat des Obersten Gerichtshofs die bisherige Rechtsprechung, wonach ein Täter sich der strafrechtlichen Verantwortung für sein Tun nicht dadurch entziehen kann, dass er tätige Reue ins Feld führt, wenn er seine Steuerpflicht erst infolge einer Außenprüfung oder unter dem Druck begonnener strafrechtlicher Ermittlungen nachträglich erfüllt, denn dies tut er dann nicht freiwillig und aus eigenem Antrieb, sondern angesichts der drohenden Strafe.

Die Entscheidung des Großen Senats des Obersten Gerichtshofs erging im Rahmen eines Verfahrens, das vor dem Bezirksgericht in Liberec seinen Ausgang genommen hatte. Darin ging es um einen Fall, in dem ein Mann fast 1,4 Millionen Kronen an Steuern hinterzogen hatte. Der Verdacht auf Begehen einer Straftat ergab sich aus einer Prüfung seitens der Steuerbehörden, nach deren Abschluss das Finanzamt nicht nur Mahnbescheide zur Nachbemessung der Steuer und Verhängung eines Bußgelds erließ, sondern außerdem die Staatsanwaltschaft auf die besagten Verdachtsmomente hinwies. Daraufhin nahm die Polizei Ermittlungen auf. Der Mann entrichtete zwischenzeitlich die nachbemessene Steuerschuld und das Bußgeld, sah sich aber weiterhin der strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt. Die Gerichte in Liberec sahen zwar von einer weitergehenden Bestrafung ab, befanden ihn aber dennoch für schuldig.

Der Mann legte Revision ein, mit der Begründung, das gegen ihn geführte Strafverfahren sei gemäß Gesetz unzulässig gewesen. Insbesondere sei mit der Verhängung der Steuerstrafe eine Entscheidung in der Sache gefällt worden, die ein Hindernis im Sinne von ne bis in idem bezüglich des Straftatbestands der „Hinterziehung von Steuern; Gebühren und ähnlichen pflichtigen Abgaben“ geschaffen habe. Der Mann unterlag jedoch in der Revision, da der OGH zwar zugestand, dass das fragliche Steuerverfahren und die Strafverfolgung Verfahren bezüglich desselben Tatbestands gewesen waren, zugleich jedoch entschied, dass parallel bzw. nacheinander geführte Steuerverfahren und Strafverfahren (als Verfahren strafrechtlichen Charakters) kein Hindernis im Sinne von ne bis in idem darstellen, falls zwischen dem einen und dem anderen Verfahren ein hinreichend enger inhaltlicher und zugleich zeitlicher Zusammenhang bestehe. In dieser Hinsicht verwies der OGH auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg vom letzten Jahr. Der EGMR war im Falle zweier norwegischer Staatsbürger zu dem Schluss gelangt, die Verurteilung wg. einer Steuerstraftat nach vorausgegangener Bestrafung im Steuerverwaltungszug stelle keine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem (nicht zweimal in derselben Sache) dar, dies deshalb, weil die beiden Sanktionen unterschiedliche Ziele hätten: das Steuerbußgeld spielt eine präventive Rolle und hat Zwangsmittelfunktion, während die Strafverfolgung außerdem ein repressives Ziel verfolgt.

Damit gilt für die Zukunft: wer Steuern hinterzieht, kann unter den vorstehend beschriebenen Umständen sowohl vom Finanzamt als auch vor Gericht bestraft werden.

Quelle: Entscheidung 15 Tdo 832/2016 des Obersten Gerichtshofs

 

 

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