In jüngerer Zeit hatte der Oberste Gerichtshof der Tschechischen Republik eine Reihe von Streitigkeiten zu entscheiden, in denen sich eine der Parteien auf das Prinzip der materiellen Publizität der Eintragung im Grundbuch berief. Im vorliegenden Beitrag werfen wir einen näheren Blick auf zwei dieser Fälle, in denen jedes Mal die (Un-)Gültigkeit eines Übertragungsgeschäfts die tragende Rolle spielte.
Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Prinzips der materiellen Publizität des Grundbuchs, die implizit in § 984 BGB-cz zum Ausdruck kommt, besteht darin, dass das Rechtsgeschäft, mit dem ein dingliches Recht erworben worden sein soll, rechtsgültig zustande kam. Das mag als triviale Selbstverständlichkeit erscheinen, sobald man es auch nur ausspricht – und doch hat der Oberste Gerichtshof in jüngerer Zeit mindestens zwei Fälle entschieden, in denen die (Un-)Gültigkeit des Übertragungsgeschäfts eine entscheidende Rolle spielte.
In 22 Cdo 1980/2020 hatte der OGH einen Fall zu entscheiden, in dem der im Grundbuch als Eigentümer eingetragene Übertragende eine Wohnung auf den Erwerber übertrug, obwohl er in seiner Verfügung über sein Eigentum durch ein generelles Veräußerungsverbot (Inhibitorium) eingeschränkt war.
In dieser Rechtssache gelangte der Oberste Gerichtshof (wie schon vor ihm das Berufungsgericht) zu dem Schluss, dass kein Raum für die Anwendung des § 984 BGB-cz vorhanden war, den der Erwerber insbesondere mit Verweis auf seinen guten Glauben in die Eintragung im Grundbuch ins Felde führte.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte, dass die Übertragung einer Wohneinheit im Widerspruch zu einem generellen Inhibitorium kraft Gesetzes von Anfang an unheilbar nichtig ist, so dass der Erwerber auch als potenziell gutgläubiger Erwerber im Sinne des § 984 BGB-cz nicht das Eigentum erwerben konnte. Der Oberste Gerichtshof wies außerdem darauf hin, dass das sog. generelle Inhibitorium gar nicht Gegenstand der Eintragung ins Grundbuch ist, so dass bezüglich des Prinzips der materiellen Publizität noch mindestens eine weitere Voraussetzung nicht gegeben war, nämlich die faktische Unrichtigkeit der grundbücherlichen Angaben.
Damit war der Erwerber mit seiner Klage auf Herausnahme der übertragenen Wohnung aus der gegen den Übertragenen geführten Zwangsvollstreckung erfolglos.
In einer früher entschiedenen Sache (21 Cdo 3017/2019) befasste sich der Oberste Gerichtshof mit der Gültigkeit der Bestellung eines Pfandrechts durch einen Ehegatten, der im Grundbuch als ausschließlicher Eigentümer des verpfändeten Hauses eingetragen war, welches allerdings zur Gütergemeinschaft beider Partner gehörte und in dem sich der gemeinsame familiäre Haushalt befand.
Nachdem die im Grundbuch nicht eingetragene Gattin von der Bestellung des Pfandrechts erfuhr, strengte sie gegen den Pfandgläubiger die Feststellung der relativen Ungültigkeit des Pfandvertrags gemäß § 747 BGB-cz an. Der Pfandgläubiger verteidigte sich insbesondere durch Verweis auf seinen guten Glauben an die Eintragung im Grundbuch, wonach der Ehemann berechtigt war, das Haus zu verpfänden.
Hier gab der Oberste Gerichtshof der Ehefrau Recht, indem er unter Verweis auf seine frühere Entscheidungspraxis ausführte, eine erfolgreiche Berufung auf die relative Ungültigkeit eines Rechtsgeschäfts habe unter den Teilnehmern bzw. unter den betroffenen Rechtspersonen aus zeitlicher Sicht dieselben Folgen wie eine absolute Ungültigkeit, d.h. sie macht sich von Anbeginn (ex tunc) bemerkbar. Aus diesem Grund war auch in diesem Fall die Grundvoraussetzung für die Anwendung des materiellen Publizitätsprinzips nicht gegeben, nämlich das gültige Übertragungsgeschäft.
Der Oberste Gerichtshof wies außerdem noch auf einen weiteren Grund hin, warum die Verteidigung des Pfandgläubigers ins Leere läuft: für die Beurteilung des Sachverhalts war nicht maßgeblich, dass die Ehefrau nicht (als gemeinsame Miteigentümerin in Gütergemeinschaft mit ihrem Mann) als Eigentümer des Hauses eingetragen war, sondern dass der Haushalt der Familie im Haus untergebracht war (wobei letzterer Umstand nicht ins Grundbuch eingetragen wird). Schon deshalb konnte der Pfandgläubiger nach Auffassung des OGH sich nicht auf das Prinzip der materiellen Publizität berufen.
Da die Gerichte niederer Instanz zum gegenteiligen Schluss gelangt waren, hob der Oberste Gerichtshof deren Entscheidungen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an diese zurück. Allerdings darf davon ausgegangen werden, dass die Ehegattin im zweiten Anlauf mit ihrer Klage auf Feststellung der Ungültigkeit des Pfandvertrags erfolgreich war.
Quelle:
Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 9.12.2020 (AZ 22 Cdo 1980/2020)
Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 2.6.2020 (AZ Cdo 21 Cdo 3017/2019)
einschlägige Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs