Wohnungseigentümergemeinschaft auch weiterhin rechtmäßige Verfahrungsbeteiligte

Der Oberste Verwaltungsgerichtshof hat es mit einem Urteil vom Januar dieses Jahres Wohnungseigentümergemeinschaften ermöglicht, unter bestimmten Bedingungen wieder Verfahrensbeteiligte an zusammengelegten Bauleit- und Genehmigungsverfahren zu werden.

Autoren: Kristina Mališová, Ondřej Sehnal

In seinem Urteil AZ 10 As 26/2021-50 vom 21.1.2022 hat das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik („OVerwG“) den Weg für Wohnungseigentümergemeinschaften („WEG“) frei gemacht, erneut Verfahrensbeteiligte an zusammengelegten Planfeststellungs- und Baugenehmigungsverfahren im Sinne des § 94k (e) des Baugesetzes (Ges. Nr. 183/2006 Slg., idgF) zu werden, vorausgesetzt, bestimmte Bedingungen sind erfüllt. Eine in Gesetz Nr. 350/2012 Slg. verwirklichte Neufassung des Baugesetzes hatte WEG von der Liste der Verfahrensbeteiligten ausgeschlossen (ausgenommen Fälle, in denen die WEG selbst als Bauherr auftritt). Die Begründung der Gesetzesvorlage für das Änderungsgesetz erklärte unter anderem unumwunden, die WEG sei aus dem Kreis der Verfahrensbeteiligten zu streichen, weil einzelne Wohnungseigentümer ja noch immer am Verfahren teilhaben könnten, so dass – laut den Autoren der Gesetzesvorlage – ein im Baugesetz geregelter Verfahrensstatus für WEG überflüssig erscheine.

Im vor das OVerwG gelangten Fall hatten drei WEG gemeinsam Einwendungen gegen eine Entscheidung eingelegt, mit der die Baubehörde der Errichtung eines Mehrfamilienhauses stattgegeben hatte. Die Baubehörde wollte sich jedoch nicht auf die von diesen drei WEG vorgebrachten Einwendungen einlassen, mit der Begründung, sie seien keine Verfahrensbeteiligten. Die WEG, die bestehende Wohngebäude in unmittelbarer Nachbarschaft des Bauprojekts vertraten, legten Berufung beim Magistrat der Stadt Pilsen ein, die aber als unzulässig abgewiesen wurde: auch der Magistrat war unter Bezugnahme auf den o.g. § 94k des Baugesetzes der Auffassung, die WEG könnten keinen Parteienstatus innehaben. Daraufhin legten die drei WEG Verwaltungsklage vor dem Bezirksgericht ein, welches ihnen letztlich Recht gab, u.a. unter Verweis auf die Rechtsaufassung, dass eine WEG als Verfahrensbeteiligte anerkannt werden sollte, obwohl das Baugesetz in der anzuwendenden Fassung (im Unterschied zu der bis zum 31.12.2012 in Kraft befindlichen Fassung) nicht ausdrücklich eine Teilnahme von WEG an zusammengelegten Planfeststellungs- und Baugenehmigungsverfahren vorsah, und zwar dann, wenn die gemeinsame Genehmigung sich auf die gemeinsamen Abschnitte von Nachbarimmobilien auswirken könnte, die unter der Verwaltung einer solchen Wohnungseigentümergemeinschaft stehen. Der Pilsner Magistrat legte eine Kassationsbeschwerde gegen das Urteil des Bezirksgerichts ein, war mit dieser aber erfolglos. Das OVerwG folgte der Rechtsaufassung des Bezirksgerichts, was die mögliche Beteiligung von WEG an zusammengelegten Planfeststellungs- und Baugenehmigungsverfahren (unter bestimmten Bedingungen) betrifft. Dabei konzedierte das OVerwG durchaus, dass die Begründung des Gesetzesvorschlags für eine Änderung des Baugesetzes tatsächlich nicht mit der Verfahrensteilnahme von WEG rechnet; es hielt aber fest – und zwar, wie wir finden, recht schlüssig – dass die Gerichte an den Wortlaut des Gesetzes (und eben nicht der Begründung einer Gesetzesvorlage) gebunden sind. Die Entscheidung des OVerwG war offensichtlich von dem Wunsch getrieben, die Unklarheiten ausräumen zu helfen, die wegen der Streichung der besonderen Vorschrift zu WEG im Baugesetz aufgetreten waren.

Allerdings führte das OVerwG weiter aus, dass es weder ihm selbst noch dem Bezirksgericht zukomme, die strittige Frage als erster zu klären. Damit ist der Fall wieder vor dem Magistrat der Stadt Pilsen gelandet, der nun erneut die Einwendungen der Klageführerinnen unter streng inhaltlichen Gesichtspunkten zu prüfen hat, um festzustellen, ob mit diesen dem Kriterium Genüge getan ist, wonach gemeinsame Abschnitte von Nachbargebäuden (unter der Verwaltung der WEG) direkt betroffen sein könnten – wird dies bejaht, so würde damit ein Parteienstatus zugunsten der Klageführerinnen in dem zusammengelegten Genehmigungsverfahren ausgelöst.

Abschließend müssen wir betonen, dass die o.g. höchstrichterliche Entscheidung praktische Konsequenzen hat: wer um eine gemeinsame Bauleitfeststellung und Baugenehmigung nachsucht oder über den Erwerb eines solcherart bereits genehmigten Projekts nachdenkt, sollte besonders aufmerksam und umsichtig vorgehen. Wurde nämlich in einem solchen Fall der WEG die entsprechende Entscheidung nicht angezeigt, so könnte sie als übergangene Verfahrensbeteiligte gelten; als solche könnte sie Einspruch gegen die Entscheidung einlegen, und zwar innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag, an dem sie vom Erlass der Entscheidung und der Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage erfuhr (jedoch höchstens bis zu einem Jahr ab dem Tag, an dem die Entscheidung dem letzten der Verfahrensbeteiligten rechtsförmig kundgetan wurde). Wir sind gerne bereit, in solchen Fällen die notwendige juristische Tiefenprüfung (Projekt-Due Diligence) vorzunehmen und zu klären, ob das Risiko eines übergangenen Verfahrensbeteiligten besteht.

Quelle:
Urteil AZ 10 As 26/2021-50 vom 21.1.2022
Begründung der Vorlage zum Änderungsgesetz zum Baugesetz, umgesetzt in Ges. Nr. 350/2012 Slg.

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