Der Oberste Gerichtshof Litauens hat über die indirekte Diskriminierung von gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern entschieden.
Am 26. August 2021 entschied der Oberste Gerichtshof Litauens über die mittelbare Diskriminierung von gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern.
Das Gericht sah sich mit einem Sachverhalt konfrontiert, in dem ein Arbeitgeber bestimmten Arbeitnehmern auf Anordnung des Geschäftsführers einen längeren Jahresurlaub von insgesamt 30 Arbeitstagen gewährt hatte. Im Rahmen eines zwischen dem Arbeitgeber und der Gewerkschaft geschlossenen Kollektivvertrags sollte diesen Arbeitnehmern, die Mitglieder der Gewerkschaft waren, jedoch ein Jahresurlaub von insgesamt nur 27 Arbeitstagen gewährt werden. Der längere Jahresurlaub kam zustande, weil die Arbeitnehmer 15 Jahre ununterbrochen im Betrieb gearbeitet hatten.
Nachdem der Arbeitgeber und die Gewerkschaft den Kollektivvertrag unterzeichnet hatten, weigerte sich der Arbeitgeber, die Anordnung des Geschäftsführers auf die Gewerkschaftsmitglieder anzuwenden. So hatten Gewerkschaftsmitglieder, die noch keine 15 Jahre für den Arbeitgeber gearbeitet hatten, nur Anspruch auf einen längeren Jahresurlaub von 27 bzw. 29 Arbeitstagen, während andere nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Berufserfahrung Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen hatten.
Der Oberste Gerichtshof Litauens stellte fest, dass die Situation im vorliegenden Fall die Kriterien für eine mittelbare Diskriminierung erfüllte: Die Regelung des Arbeitgebers über die Anzahl der Urlaubstage war nominell neutral, wirkte sich jedoch negativ auf die Rechte einiger Arbeitnehmer (Arbeitnehmer mit weniger als 15 Jahren Berufserfahrung) aus, und diese negative Auswirkung hing mit der Gewerkschaftsmitgliedschaft zusammen. Der Gerichtshof stellte fest, dass der Arbeitgeber unter diesen Bedingungen nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer durch die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage förderte.
Das Gericht entschied zusätzlich über das Verhältnis zwischen dem Kollektivvertrag und der örtlichen Verordnung (der Anordnung des Geschäftsführers) und stellte fest, dass in solchen Fällen der Grundsatz „in favorem“ angewandt werden muss, d.h. die Bedingungen müssen so angewandt werden, dass die Rechte der Arbeitnehmer erhöht werden. Eine gegenteilige Auslegung würde bedeuten, dass der Arbeitgeber einen erheblichen Vorteil gegenüber den Arbeitnehmern (Gewerkschaftsmitgliedern) erlangen würde, da die örtlichen Rechtsvorschriften die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft für die Arbeitnehmer ungünstig und die Gewerkschaft selbst ineffektiv machen könnten.
Quelle: Urteil des Obersten Gerichtshofs von Litauen vom 26. August 2021 in der Zivilsache Nr. e3K-3-199-701/2020