Sinn und Zweck des Instituts des sog. Notwegerechts ist es, zu den gesetzlich vorgegebenen Bedingungen den notwendigen Zugang zu Immobilien vom öffentlichen Wegenetz aus zu schaffen. Wie gestaltet sich dies im Falle von (Wohn- oder gewerblich genutzten) Einheiten?
Das Bürgerliche Gesetzbuch (Ges. Nr. 89/2012 Slg.) hat ins tschechische Zivilrecht das Institut des sog. Notwegerechts neu (bzw. wieder) eingeführt. Es ermöglicht den Eigentümern von Immobilien, die ihr Eigentum nicht ordentlich nutzen können, weil keine Verbindung zum öffentlichen Wegenetz besteht, bei Gericht einen Zugang zur Immobilie über Nachbargrundstücke (gegen Entgelt) zu erwirken.
Generell verdient der Gesetzgeber ein Lob dafür, das Notwegerecht wiederbelebt zu haben. Das Rechtsinstitut findet in der Praxis reichlich Anwendung, was u.a. aus der umfänglichen (und zum Glück für Immobilienbesitzer auch konsistenten) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu ersehen ist. Bereits früher nahm der OGH ausführlich zu den allermeisten Aspekten des Notwegerechts Stellung, von den Bedingungen für dessen Errichtung über die Rechtsform des Notwegs bis zur Feststellung der Höhe des Entgelts, auf welches der Eigentümer des Nachbargrundstücks Anspruch hat. Erst kürzlich aber hat sich das Gericht zu der Frage geäußert, zugunsten welcher Immobilien ein Notwegerecht eingeräumt werden kann, und zwar im nachstehend beschriebenen Fall.
Der Kläger als Eigentümer einer Einheit hatte gerichtlich die Genehmigung eines Notwegerechts zugunsten der besagten Einheit angestrengt, weil der Weg vom öffentlichen Wegenetz zum Haus, in dem sich die Einheit befand, über die Grundstücke des Beklagten führte. Das erstinstanzliche Gericht befand die Klage für unbegründet, denn der Beklagte hatte den Kläger nicht am Zugang zur Einheit über seine Grundstücke gehindert; deshalb wies es die Klage ab.
Das Berufungsgericht gelangte zum umgekehrten Schluss betreffend die Möglichkeiten des Klägers, die Einheit zu erreichen, d.h. es befand, der Kläger habe keinen Zugang vom öffentlichen Wegenetz zur Einheit. Zugleich aber befand es, die Einheit als solche sein bloß „ein künstliches Konstrukt von Rechtsbeziehungen“, wohingegen das Notwegerecht als „Rechtsinstitut der wirklichen Welt“ nur für „physisch existierende Immobilien“ gewährt werden könne. Diese seine Schlussfolgerung stützte das Berufungsgericht auf der Fehlanwendung einer früheren höchstgerichtlichen Entscheidung betreffend die Existenz einer Dienstbarkeit zugunsten der gesamten im Miteigentum stehenden Immobilie (und eben nicht nur bezüglich eines bestimmten Miteigentumsanteil an derselben), und schloss, zugunsten einer Einheit könne kein Notwegerecht eingeräumt werden. Den Umstand, dass eine Einheit kraft Gesetzes eine eigenständige Immobilie darstellt, ließ es dabei völlig außer Acht.
Der Kläger ließ (zu seinem Vorteil, wie sich herausstellen sollte) in seinen Bemühungen nicht nach und wandte sich im Wege der Revision an den Obersten Gerichtshof, dieser möge entscheiden, ob ein Notwegerecht auch zugunsten einer (Wohn- bzw. gewerblich genutzten) Einheit bestellt werden könne. Der Oberste Gerichtshof gab ihm selbstverständlich recht, denn – wie bereits erwähnt – Einheiten sind gemäß § 1159 BGB-cz selbständige Immobilien. Die grundlegende Bedingung für die Genehmigung des Notwegerechts – also die der Existenz der Immobilie (deren ordentliche Bewirtschaftung mangels Anschlusses ans öffentliche Wegenetz nicht möglich ist) – war damit im vorliegenden Fall erfüllt.
Mit dieser seiner Entscheidung räumte der Oberste Gerichtshof möglicherweise bestehende Restzweifel aus, was die Definition von Immobilien anbelangt, an denen ein Notwegerecht bestellt werden kann. Dank dessen ist nunmehr außer Frage gestellt, dass hierzu auch sogenannte Einheiten gehören.
Quelle:
BGB-cz (Ges. Nr. 89/2012 Slg., idgF)
Urteil des Obersten Gerichtshofs AZ 22 Cd0 1373/2024 vom 28.5.2024