Vertraulichkeit in vorvertraglichen Beziehungen: neue Rechtsprechung in Litauen

In bestimmten Fällen kann eine Vertraulichkeitspflicht bestehen, selbst wenn Parteien Informationen nicht als vertraulich bestimmt haben.

In seinem Urteil vom 21. Februar 2019 hat das Oberste Gericht Litauens in einem auf Schadensersatz wegen unlauterem Wettbewerb gerichteten Fall erklärt, dass vertrauliche Informationen, die eine Partei während Verhandlungen von der anderen Partei erhalten hat, geschützt sind. Dies unabhängig davon , ob eine Vereinbarung über den Schutz dieser Informationen geschlossen ist.

Das Gericht prüfte eine rechtswidrige Nutzung einer Projektidee des geschädigten Klägers, die er an den Beklagten verkaufen wollte. Während der Verhandlungen (noch bevor eine Absichtserklärung (engl. Letter of Intent) vereinbart wurde) kontaktierte ein Mitarbeiter des Beklagten den Direktor des Klägers und bat um Zugang zu den Datenbanken Google Analytics und Google Adwords. Nachdem der Direktor des Klägers die Login-Daten für die Datenbanken zur Verfügung gestellt hatte, endeten die Verhandlungen der Parteien. Gleichwohl nutzte der Beklagte die vom Kläger erhaltenen vertraulichen Informationen für seine eigenen Zwecke.

Das Gericht stellte fest, dass die Beurteilung eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses eine Bewertung der Vereinbarung über die von den Parteien erzielten Vertragsbedingungen, die Dauer der Verhandlungen und die Offenlegung vertragsrelevanter Informationen erfordert. Eine Geheimhaltungspflicht entsteht entweder, weil die Parteien selbst Informationen als vertraulich kennzeichnen, oder aber weil die Geheimhaltungspflicht aufgrund der Art der offengelegten Informationen oder der Stellung der Parteien besteht. Im zu entscheidenden Fall stellte das Gericht fest, dass der Beklagte bei Erhalten des Zugangs zu den Datenbanken Kenntnis davon hatte, dass er vertrauliche Informationen der Klägerin erhielt. Daher habe er mit Verwendung dieser Informationen für seine eigenen Zwecke rechtswidrig gehandelt, auch wenn die Parteien keine schriftliche Geheimhaltungsvereinbarung getroffen hatten. Damit haftete die Beklagte zivilrechtlich.

Aus dem Urteil des Gerichts folgt, dass in bestimmten Fällen eine Vertraulichkeitsverpflichtung entstehen kann, auch wenn die Parteien Informationen nicht als vertraulich vereinbart haben. Allerdings ist es trotz der zu begrüßenden Gerichtsentscheidung weiterhin ratsam, vor der Offenlegung vertraulicher Informationen mit der anderen Partei eine schriftliche Geheimhaltungsvereinbarung abzuschließen. Diese sollte nicht nur klar definieren, welche Informationen als vertraulich gelten, sondern auch die Sanktionen für die rechtswidrige Offenlegung und Verwendung dieser Informationen bestimmten. Dies schafft Rechtssicherheit und schützt die Interessen einer Partei, die sensible Informationen offen legt, besser, als das Verlassen auf die skizzierte noch junge Rechtsprechung.

Quelle: Urteil des Litauischen Obersten Gerichtshofs vom 21. Februar 2019 in der Zivilsache Nr. 3K-3-58-378/2019

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