Sogar die bloße Verfahrensaussetzung kann zum K(r)ampf werden in der Tschechischen Republik

Sie haben einen Rechtsstreit wg. Gültigkeit der Kündigung des Mietverhältnisses laufen und wissen deshalb nicht, ob sie vom “Hausbesetzer” Mietzins oder ungerechtfertigte Bereicherung einklagen sollen. Auch dem juristischen Laien würde an dieser Stelle die korrekte Lösung einfallen: einfach mal abwarten. In der Sprache der Juristen: Aussetzung des Verfahrens wg. Zahlung. Die Gerichte sind aber offenbar in der Lage, auch eine solche Situation ordentlich zu verkomplizieren.

Im Falle von Wohnungsmieten ist ein Verfahren wg. Nichtigkeit der Kündigung im Grunde die einzige Möglichkeit, wie der Mieter sich gegen eine unberechtigte Kündigung wehren kann. Falls der Mieter aber nach Zustellung der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist weiterwohnt, und erklärt, er werde auf Nichtigkeit der Kündigung klagen, ansonsten aber – das kann durchaus vorkommen – seine Mietzinszahlungen einstellt, steht der Vermieter vor einer Zwickmühle. Soll er vom Mieter für den fraglichen Zeitraum Mietzins einfordern, weil er glaubt, zur Kündigung in Wirklichkeit nicht berechtigt gewesen zu sein (womit er aber seine Argumentation im Verfahren wg. Nichtigkeit der Kündigung untergräbt? Oder soll er auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung (in Form der fortgesetzten Nutzung der Wohnung) klagen, weil er die von ihm erteilte Kündigung für rechtens hält (und damit alles auf die Karte setzen, die er im anderen Verfahren ausspielt)?

Ist der Vermieter aus welchem Grund auch immer gezwungen, die mieterische Leistung tatsächlich einzuklagen, so ergibt sich ein echtes Problem. Er klagt – weiß aber nicht, worauf: Erfüllung des Mietvertrags, oder ungerechtfertigte Bereicherung. Wählt er falsch, riskiert er die Abweisung seiner Klage.

In einer derartigen Situation bleibt dem Vermieter nur, Klage einzureichen und zeitgleich bei Gericht die Verfahrensaussetzung zu beantragen, und zwar für solange, bis der Rechtsstreit wg. Nichtigkeit der Kündigung entschieden ist. Diese Lösung ist einfach und logisch insofern, als nach Vorliegen der Entscheidung über die Feststellungsklage des Mieters die Rechtslage geklärt sein wird. Zugleich gilt für Verfahren über die Gültigkeit einer Kündigung, dass die Frage der Gültigkeit der Kündigung nicht in einem anderen Verfahren entschieden werden kann. Das heißt: ein anderes Gericht, welches die Antwort auf diese Frage benötigt, kann diese nicht selbst im Wege der sog. Vorabentscheidung geben, sondern muss warten, bis das Ergebnis im Verfahren über die Feststellungsklage vorliegt.

Als unsere Kanzlei mit einem der vorstehend beschriebenen Fälle betraut wurde, gingen wir denn auch genau so vor und beantragten die Aussetzung des Verfahrens wg. der Klage auf Zahlung. Wir fielen aus allen Wolken, als das Berufungsgericht die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts über die Verfahrensaussetzung dahingehend abänderte, dass es zu keiner Verfahrensaussetzung kommen würde. Die abenteuerliche Begründung: wenn der Kläger nicht weiß, ob er auf Erfüllungsleistung oder ungerechtfertigte Bereicherung klagen soll, kann auch nicht entschieden werden, ob das Ergebnis des Verfahrens wg. Nichtigkeit der Kündigung verfahrensrelevant ist, so dass eine Verfahrensaussetzung nicht möglich ist. Damit argumentiert das Berufungsgericht faktisch mit einem Zirkelschluss – der Kläger braucht das Verfahrensergebnis, um zu wissen, worauf er klagen soll; solange er aber nicht weiß, worauf er klagen soll, lässt sich nicht sagen, ob er das Verfahrensergebnis wirklich braucht. Eine solche Entscheidung arbeitet ganz offensichtlich mit einem rhetorischen Trick und einem logischen Irrtum, wie sie sich das Berufungsgericht nicht erlauben kann.

Damit stand zu erwarten, dass wir vor dem Obersten Gerichtshof obliegen würden. Der Oberste Gerichtshof befand, dass das Gericht in der Situation, in der wir uns befanden, das Verfahren aussetzen muss – es bleibt ihm gar keine andere Wahl. Um das Urteil des OGH zu zitieren: „Soweit im anstehenden Fall die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung für die Nutzung der im klägerischen Eigentum stehenden Wohnung (als Anspruch auf Zahlung des geschuldeten Mietzinses oder auf finanzielle Erstattung der sich aus der Wohnungsnutzung ergebenden ungerechtfertigten Bereicherung) von der Lösung der Frage abhängt, ob die Kündigung der Wohnungsmiete berechtigt war (…), liegen klar die gesetzlichen Voraussetzungen für eine obligatorische Verfahrensaussetzung gemäß § 109 Abs. 1 Buchst. b) der Zivilprozessordnung vor. Die vom Berufungsgericht gezogenen Schlüsse, wonach die gesetzlichen Gründe für eine Verfahrensaussetzung nicht gegeben sind, sind also haltlos.“

Damit bedurfte diese aus juristischer Sicht eigentlich banale Frage also einer Intervention des Obersten Gerichtshofs und der höchstrichterlichen Bestätigung einer Regel, die uns allen bereits wohlbekannt war.

Quelle:
Beschluss 28 Cdo 2879/2020 des Obersten Gerichtshofs vom 21.10.2020

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