Litauische Startup-Mentalität gegen strenge Alkoholgesetze – damit soll jetzt Schluss sein

Alkoholische Getränke dürfen in Litauen nur zu bestimmten Tageszeiten verkauft werden. Ein litauisches Unternehmen machte sich monatelang eine Gesetzeslücke geschickt zunutze, um diese Regelungen zu umgehen. Jetzt wird wohl endgültig das Gesetz geändert.

Bereits seit einigen Jahren orientiert sich Litauen an den strengen Alkoholgesetzen der Nordischen Länder und schränkt den Verkauf alkoholischer Getränke immer weiter ein. Alkoholische Getränke, d.h. Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent (Bier mit mehr als 0,5 Volumenprozent), dürfen in Geschäften nur zu bestimmten Zeiten verkauft werden – Montag-Samstag zwischen 10.00 Uhr und 20.00 Uhr sowie an Sonntagen zwischen 10.00 Uhr und 15.00 Uhr. Vollständig verboten ist bereits jetzt der Verkauf von alkoholischen Getränken via Automaten. 

Dass das litauische Alkoholkontrollgesetz ausdrücklich von „Verkauf“ spricht, machten sich findige Unternehmer Mitte des vergangenen Jahres zunutze. Plötzlich tauchten an mehreren Orten in der Hauptstadt Vilnius Automaten auf. Über Mundpropaganda und Zeitungsartikel wurde die Nachricht verbreitet, dass es dort rund um die Uhr Alkohol zu kaufen gäbe – und das angeblich völlig legal.

Der vermeintliche Trick ist, dass über die Automaten kein Verkauf erfolgt. Das System funktioniert in etwa folgendermaßen: Kunden, die das gesetzliche Mindestalter für den Alkoholkauf erreicht haben (20 Jahre), können sich über eine App registrieren. Für die Registrierung wird eine einmalige Gebühr fällig. In der App kann aus einer begrenzten Zahl an Getränken gewählt werden. Der Kunde kann über die App jederzeit eines dieser Getränke bei einem Kooperationspartner des Betreibers (mit Alkoholverkaufslizenz) gegen Zahlung einer „Servicegebühr“ reservieren – allerdings ohne Bezahlung und ohne Übergabe des eigentlichen Getränks. Er erhält lediglich eine „Speichernutzungs-Berechtigung“. 

Der Kunde ist anschließend rund um die Uhr berechtigt, aus einem der Automaten entsprechend seiner Reservierung ein „gleichwertiges Getränk“ zu entnehmen. Das entnommene Getränk wurde zuvor nicht vom Betreiber oder Kooperationspartner, sondern einem anderen Kunden dort hinterlegt bzw. „gelagert“.

Um das System am Laufen zu halten ist Bedingung für die Entnahme aus dem Automaten, dass der Kunde anschließend innerhalb von 72 Stunden ein „gleichwertiges Getränk“ in einem der Automaten „lagert“. Dieses Getränk kauft der Kunde jedoch nicht beim Betreiber, sondern völlig legal bei einem beliebigen Geschäft in der Republik Litauen. Damit wären weder Betreiber noch Kooperationspartner am eigentlichen Verkauf des Getränks beteiligt. Der Verkauf findet außerhalb dieses Systems statt.

Finanziert wird das System über die einmalige Anmeldegebühr sowie die „Servicegebühr“. Für den Kunden sind dies Mehrkosten im Vergleich zum Kauf im Geschäft – allerdings verbunden mit der Flexibilität, zu jeder Tages- und Nachtzeit Alkohol „kaufen“ zu können. 

Schnell waren sich die Beobachter einig, dass dies nicht legal sein könne. Die litauische Behörde für Drogen-, Tabak- und Alkoholkontrolle kündigte an, den Vorgang zu prüfen. Gleich zahlreiche Verstöße gegen das litauische Alkoholkontrollgesetz standen im Raum: Verkauf von alkoholischen Getränken ohne Lizenz, Nichteinhaltung des Verkaufsverbots von alkoholischen Getränken aus Automaten, Verkauf von alkoholischen Getränken an Minderjährige oder die Verletzung der Regelungen zur Lagerung alkoholischer Getränke.

Das System steht auf tönernen Füßen – aber es steht.

Lizenz für den Verkauf von Alkohol

Eine Lizenz in Bezug auf den Handel mit alkoholischen Getränken wird nur für den Groß- oder Einzelhandel benötigt. Beim Einzelhandel werden Waren für den persönlichen Gebrauch oder für den Hausgebrauch an den Endverbraucher verkauft. Beim Großhandel werden Waren zum Wiederverkauf oder zur Herstellung verkauft.

Der Betreiber, der Kooperationspartner oder die Kunden müssten die alkoholischen Getränke also tatsächlich verkaufen, damit hierfür überhaupt eine Lizenz erforderlich wäre. In einem Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer, einen Gegenstand an den Käufer als Eigentum zu übertragen, und der Käufer verpflichtet sich, den Gegenstand anzunehmen und einen Preis zu zahlen.

Zweifelsohne wird bei einem Modell wie dem beschriebenen das Eigentum am alkoholischen Getränk auf eine andere Partei übertragen. Man könnte die Verschaffung des Eigentums sogar dem Betreiber zuordnen – in dem Moment, in dem der Betreiberautomat das alkoholische Getränk zur Verfügung stellt. Doch fehlt es hierbei an der Gegenleistung – dem Preis. Der einzige Geldfluss innerhalb des Systems ist die bereits genannte „Servicegebühr“. Allerdings übersteigt der Wert des Getränks diese bei Weitem, wodurch nur schwer argumentiert werden könnte, dass es sich bei dieser um die adäquate Gegenleistung für das Getränk handelt und ein Kauf stattfindet. Nur wenn der Kunde das Ersatz-Getränk beim Kooperationspartner kaufen sollte, könnte man unter Umständen von einem Verkauf durch den Betreiber/Kooperationspartner ausgehen. Wenn die Kunden jedoch angehalten sind, das Getränk in einem beliebigen Geschäft in der Republik Litauen zu kaufen, ist dieser Fall eher unwahrscheinlich. Ebenso problematisch wäre, wenn Betreiber oder Kooperationspartner den Automaten hin und wieder auffüllen, um den Kreislauf am Laufen zu halten. Wirtschaftlich ist allerdings fraglich, ob das Sinn ergäbe, da mit jedem Auffüllen Verluste in Höhe des Werts der wieder aufgefüllten Getränke entstehen würden.

Betrachtet werden muss abschließend noch die Frage, ob nun zwischen den Kunden irgendeine Form des Kaufs stattfindet. Aber auch diese lässt sich verneinen. Es handelt sich dagegen um ein Sachdarlehen. Hierbei überträgt der Darlehensgeber das Eigentum an Gegenständen einer bestimmten Art und Güte auf den Darlehensnehmer, und der Darlehensnehmer verpflichtet sich, dem Darlehensgeber die gleiche Anzahl an anderen Gegenständen der gleichen Art und Güte zurückzugeben.

Natürlich gleicht das Ganze einem Hütchenspieler-Trick, doch eine Lizenz wäre hierfür nicht erforderlich.

Alkoholabgabe an Minderjährige

Personen unter 20 Jahren ist in Litauen der Konsum oder Besitz von alkoholischen Getränken untersagt. Auch wenn die App-Nutzung (und damit die Teilnahme am System) erst ab 20 Jahren erlaubt ist, wäre keineswegs sichergestellt, dass nicht auch Minderjährige alkoholische Getränke aus dem Automaten beziehen könnten. Nicht ganz eindeutig ist jedoch, ob den Betreiber wirklich eine besondere Fürsorgepflicht trifft.

Es ist zwar verboten, alkoholische Getränke an Personen unter 20 Jahren zu verkaufen. Allerdings müssen nach dem Gesetz nur litauische Unternehmen, die für den Einzelhandel mit alkoholischen Getränken zugelassen sind, sicherstellen, dass Personen unter 20 Jahren keine alkoholischen Getränke konsumieren. Der Kooperationspartner wäre ein solches Unternehmen, der Betreiber jedoch nicht. 

Ebenso trifft diese Pflicht mit dem Unternehmen verbundene Gastronomiebetriebe. Es müsste deshalb geprüft werden, inwieweit Betreiber und Kooperationspartner miteinander verbunden sind. Man kann jedoch davon ausgehen, dass der Betrieb der Automaten in dieser Form nicht als Gastronomiebetrieb angesehen werden kann.

Auch hier gilt daher: Es werden keine alkoholischen Getränke „verkauft“ und der Betreiber fällt auch in keine der genannten Kategorien. Einzig der Kooperationspartner hat unter Umständen besondere Pflichten.

Lagerung von Alkohol

Eine allgemeine Lizenz zur Lagerung von alkoholischen Getränken für Unternehmen, die nicht Hersteller sind und auch keinen Einzel- oder Großhandel betreiben, ist nicht erforderlich. Allerdings ist es allen Unternehmen (gleich welchen Geschäftszweigs) untersagt, in der Republik Litauen (unabhängig von der letztendlichen Bestimmung der alkoholischen Getränke) Folgendes zu lagern:

  • alkoholische Erzeugnisse ohne Bescheinigung der Konformität der alkoholischen Erzeugnisse
  • alkoholische Produkte, für die keine Lizenz zur Herstellung, Einfuhr, zum Verkauf und keine rechtsverbindlichen Dokumente zum Erwerb oder zur Verbringung solcher Produkte vorliegen
  • alkoholische Getränke, die nicht mit besonderen Zeichen versehen sind
  • alkoholische Getränke, deren Kennzeichnung nicht den Anforderungen der Republik Litauen entspricht
  • alkoholische Produkte ohne eine rechtsverbindliche Kopie der Kauf- oder Transportdokumente dieser Produkte am Verkaufsort (Lagerung) und / oder während ihres Transports

Hier würde sich der Betreiber erstmals evident angreifbar machen. Denn auch er müsste sicherstellen, dass die Lagerung der alkoholischen Getränke nicht die genannten Kriterien verletzt – ganz gleich ob ein Verkauf stattfindet oder nicht. Werden die Ersatz-Getränke tatsächlich legal in einem Geschäft in der Republik Litauen gekauft, ist davon auszugehen, dass diese mit den meisten der genannten Kriterien konform seien dürften. Allerdings würde es wohl an der rechtsverbindlichen Kopie der Kaufdokumente am Lager fehlen. Ein Kaufbeleg, den der Kunde einfach an die Flasche heftet, würde eher nicht ausreichen.

Der Betreiber könnte sich auch nur schwer herausreden, dass er die Produkte ja nicht lagert, sondern den Kunden nur ein „neutrales“ Lager zur Verfügung stellt. Er ist es schließlich, der den Zweck des Lagers bestimmt hat und die Regeln festsetzt. Will er außerdem sicherstellen, dass wirklich nur Getränke im Automaten hinterlegt werden, welche nicht gegen diese Kriterien verstoßen oder die oben genannten Anforderungen an „gleiche Art und Güte“ erfüllen, muss er den Automateninhalt gelegentlich überprüfen und gegebenenfalls eingreifen. Zweifelsohne wird deutlich, dass nicht nur die Kunden Lagerbetreiber sind, sondern auch er. 

Alles hat ein Ende

Dass dieses System über so viele Monate bestand hatte, zeigt, mit welchem Erfindergeist die Macher vorgingen. Obwohl alles auf den ersten Blick so einfach erschien, fiel es offenbar schwer, dem Ganzen mit den geltenden Gesetzen Einhalt zu gebieten. Die Regierung der Republik Litauen sieht sich deshalb offenbar gezwungen, einzuschreiten. Das Wirtschaftsministerium kündigte nun Anpassungen am Alkoholkontrollgesetz an, die ein Verbot der Automaten bzw. Regeln zur Leihe und Aufbewahrung von Alkohol vorsehen sollen.

Qellen:
Zivilgesetzbuch der Republik Litauen
Alkoholkontrollgesetz der Republik Litauen

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