Können Geschäftsführer und Prokurist die Gesellschaft gemeinsam vertreten?

In deutschsprachigen Ländern ist es üblich, dass Unternehmen von einem Mitglied der Geschäftsführung zusammen mit einem Prokuristen vertreten werden. Ist dies auch nach tschechischem Recht zulässig?

Die Vier-Augen-Regel ist als Instrument zur gegenseitigen Kontrolle des Managements im Rahmen der Unternehmensleitung beliebt. Im Regelfall wird sie so umgesetzt, dass für die Gesellschaft verbindliche Geschäfte ein gemeinsames Handeln mehrerer – meist zweier – Mitglieder des Führungsgremiums erfordern. Das gemeinsame Handeln mehrerer Mitglieder des Führungsgremiums („Statutarorgans“) ist gang und gäbe und gesetzlich zulässig; wie sieht es aber mit dem gemeinsamen Handeln eines Mitglieds der Geschäftsführung und eines Prokuristen aus?

In der Praxis treten immer wieder Mandanten mit der Anforderung an uns heran, die Vier-Augen-Regel solle in ihrem Unternehmen in Form eines gemeinsamen Handelns des Geschäftsführers und des Prokuristen umgesetzt werden. Dieser Wunsch wird zumeist seitens ausländischer Mandanten mit deutschem oder österreichischem Management geäußert, denn in den deutschsprachigen Ländern ist eine derartige Regelung üblich.

Als noch das (bis zum 31.12.2013 in Kraft befindliche) Handelsgesetzbuch (Ges. Nr. 513/1991 Slg.) galt, war ein solches gemeinsames Handeln von Geschäftsführer und Prokurist nicht möglich (siehe z.B. die Entscheidung AZ 7 Cmo 55/99 des Prager Obergerichts). Zu den Hauptargumenten, die eine solche Vertretungsregelung verneinten, gehörte der unterschiedliche Grad der Verantwortung der beiden Gesellschaftsämter (denn den Geschäftsführer traf die kaufmännische Sorgfaltspflicht, den Prokuristen aber nicht), sowie der Umstand, dass der Geschäftsführer namens der Gesellschaft handelt, während der Prokurist lediglich ein Vertreter der Gesellschaft, faktisch auf Grundlage einer Vollmacht, war.

Die Debatte über die Zulässigkeit eines gemeinsamen Handelns des „Statutarorgans“ und des Prokuristen lebte mit der Verabschiedung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Ges. Nr. 89/2012 Slg.) und des Körperschaftsgesetzes (Ges. Nr. 90/2012 Slg.) wieder auf, die beide zum 01.01.2014 in Kraft getreten sind. Nach der aktuellen Regelung ist auch der Prokurist verpflichtet, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Wirtschafters zu handeln; außerdem gilt das Mitglied der Geschäftsführung gemäß der gegenwärtigen Regelung als ‚Vertreter‘ der Gesellschaft. Es mag so scheinen, als ob damit die Hauptargumente für die Unzulässigkeit des gemeinsamen Handelns aus dem Weg geräumt sind.

Dass dem nicht so ist, hat das Obergericht erneut in seinen Entscheidungen AZ 4 Cmo 184/2014 bzw. 14 Cmo 576/2014 bestätigt, in denen es festhielt, dass das gemeinsame Handeln eines Prokuristen zusammen mit einem Mitglied des Statutarorgans keine zulässige Art und Weise der Vertretung eines Unternehmens darstellt, und als solche auch nicht ins Handelsregister eingetragen werden kann.

Das eindeutige Fazit zog sodann gegen Ende des letzten Jahres der Oberste Gerichtshof der Tschechischen Republik, der in seinem Beschluss AZ 29 Cdo 387/2016 vom 31. Oktober 2017 die vorgenannte Rechtsauffassung des Obergerichts bestätigte. Gemäß dem Obersten Gerichtshof kann die Vertretungsberechtigung von Mitgliedern des Statutarorgans nicht an ein gemeinsames Handeln mit weiteren Personen geknüpft werden, die diesem Gesellschaftsgremium nicht angehören. Eine solche Vereinbarung würde die Rechtsvorschriften betreffend Statutarorgane und die Art und Weise der Vertretung juristischer Personen durch Mitglieder derselben verletzen. Darüber hinaus betonte der OGH, es dürfe nicht übersehen werden, dass die Vertretungsbefugnisse des Prokuristen im Gegensatz zu denen der Geschäftsführung auf die in § 450 Abs. 1 BGB-cz aufgeführten Rechtsgeschäfte beschränkt sind. Der OGH erläuterte des Weiteren, eine Klausel über das gemeinsame Handeln von Geschäftsführer und Prokuristen als Art und Weise der Vertretung des Unternehmens durch die Mitglieder der Geschäftsführung widerspreche dem Gesetz (§ 1 Abs. 2, § 164 Abs. 2 BGB-cz) und verletze augenscheinlich das Recht betreffend die Rechtsstellung von Personen und damit auch die öffentliche Ordnung. Der Oberste Gerichtshof schloss, eine derartige Abrede im Gesellschaftsvertrag sei absolut nichtig, und müsse von den Gerichten auch ohne Parteiantrag so gewertet werden.

Zusammenfassend bleibt nur zu sagen, dass ein gemeinsames Handeln eines Mitglieds des Geschäftsführung zusammen mit einem Prokuristen auch weiterhin unzulässig bleibt, mit der Empfehlung an alle, die eine solche Regelung bei sich im Unternehmen verankert haben, so rasch wie möglich den Gesellschaftsvertrag zu ändern und so die gesetzeswidrige Lage zu beheben.

Quelle: 
Ges. Nr. 89/2012 Slg. 
Ges. Nr. 90/2012 Slg. 
Ges. Nr. 304/2013 Slg. 
Beschluss 29 Cdo 387/2016 des Obersten Gerichtshofs 
Entscheidung 7 Cmo 55/99 des Prager Obergerichts 
Entscheidung 4 Cmo 184/2014 des Prager Obergerichts 
Entscheidung 14 Cmo 576/2014 des Prager Obergerichts

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