Die Verweigerung der Impfpflicht ist ein brandaktuelles Thema in Tschechische Republik. Was aber, wenn die Auffassungen der Kindeseltern in dieser Frage auseinandergehen?
Gemäß dem Gesetz zum Schutz der allgemeinen Gesundheit müssen alle natürlichen Personen, deren Wohnsitz in der Tschechischen Republik liegt, sich regelmäßigen vorgeschriebenen Impfungen gemäß der Verordnung Nr. 537/2006 Slg. unterziehen, unter Androhung eines Bußgelds, das (mit Wirkung zum 1.7.2017) bis zu 10.000 CZK beträgt.
Die Einhaltung dieser Impfpflicht wird darüber hinaus indirekt auf sehr viel empfindlichere Weise gewährleistet. Eltern, die ihr Kind nicht impfen lassen, droht „lediglich“ die o.g. Geldstrafe von 10.000 CZK, während z.B. ein Kindergarten, der ein nicht geimpftes Kind am Unterricht teilnehmen lassen würde, sich einer um ein Mehrfaches höheren Geldbuße ausgesetzt sieht. Auch der behandelnde Arzt ist verpflichtet dafür zu sorgen, dass alle Pflichtimpfungen verabreicht werden, und zwar wiederum unter Androhung empfindlicher finanzieller Strafen.
Ungeachtet des Vorstehenden handelt es sich bei einer Impfung um einen medizinischen Eingriff, der als solcher die sog. informierte Einwilligung erfordert, welche im Falle von Minderjährigen von den Eltern gegeben wird. Ohne die Einwilligungserklärung kann die Impfung grundsätzlich nicht erfolgen.
Im Zusammenhang mit dem vorstehenden Thema ist in jüngerer Zeit eine breite Debatte losgebrochen, was die potenziell nachteiligen Folgen von Kindesimpfungen anbelangt, in deren Zuge manche Eltern vorsätzlich ihrer Pflicht nicht nachkommen, ihre Kinder impfen zu lassen. Der vorliegende Beitrag beabsichtigt nicht, sich in dieser Debatte auf die eine oder andere Seite zu schlagen, sondern möchte vielmehr die juristischen Aspekte des Falls beleuchten, in dem ein Elternteil das Kind impfen lassen möchte, das andere aber nicht.
Eltern erfüllen ihre elterlichen Pflichten (zu denen die Pflichtimpfung gehört) „im gegenseitigen Einvernehmen“. Dort, wo in Fragen betreffend das Kind nur ein Elternteil gegenüber einem Dritten auftritt, und dieser Dritte gutgläubig ist, wird davon ausgegangen, dass der handelnde Elternteil die Zustimmung des jeweils anderen Elternteils hatte. Mit anderen Worten: ein Kinderarzt, bei dem ein Elternteil mit Kind zur Impfung in der Praxis erscheint, muss nicht nachprüfen, ob der andere Elternteil der Impfung zustimmt – es sei denn, er hätte begründete Zweifel an der Einwilligung des anderen Elternteils.
Falls der Impfgegner unter den beiden Eltern den Arzt davon informiert hat, dass er der Impfung nicht zustimmt (womit er den medizinischen Eingriff effektiv verunmöglicht), wird der Konflikt zwischen den beiden Eltern vom Gericht geschlichtet werden müssen. Für den Fall, dass sich die Eltern in einer Frage von Wichtigkeit für das Kindeswohl nicht einigen können, sieht § 877 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor, dass das Gericht auf Antrag desjenigen Elternteils entscheidet, der mit seinem Antrag ausdrücklich die Willenserklärung des anderen Elternteils durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt sehen möchte. Bis dato unbeantwortet ist die Frage, ob eine Impfung „von Wichtigkeit für das Kindeswohl“ im Sinne der genannten gesetzlichen Regelung ist, die sich ja über medizinische Standardeingriffe als Beispiel für „Fragen von Wichtigkeit“ ausschweigt. Auf der anderen Seite ist die Impfung von Kindern eine gesetzliche Elternpflicht, begründet mit dem öffentlichen Interesse an einer Verhinderung des Ausbruchs und der Verbreitung von Infektionskrankheiten; von sehr speziellen Fällen einmal abgesehen ist die Impfung selbst außerdem im Interesse des Kindes. Von daher ziehen wir den Schluss, dass die Gerichte in einem solchen Fall wohl die Einwilligung des impfunwilligen Elternteils ersetzen würden, ohne sich näher mit der Frage der „Wichtigkeit“ zu befassen.
Damit dürfte der Elternteil, der das Kind geimpft sehen möchte, vor Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit obsiegen. Die rechtliche Position des anderen Elternteils ist unvergleichlich schwächer, denn er vertritt ja nicht nur eine bestimmte Auffassung betreffend die Unversehrtheit des Kindes, sondern verstößt außerdem gegen eine öffentlich-rechtliche Pflicht. Damit genießt diese Position keinen Rechtsschutz und würde vor Gericht scheitern, selbst wenn die Vorenthaltung der Einwilligung den Arzt zunächst einmal daran hindert, das Kind ohne weiteres zu impfen. (Allerdings ließe sich umgekehrt auch so argumentieren, dass die Pflicht des Arztes gemäß dem Gesetz zum Schutz der allgemeinen Gesundheit zur Sicherstellung und Verabreichung vorgeschriebener Impfungen zu einem gewissen Grad die fehlende elterliche Einwilligung zu „ersetzen“ in der Lage ist.)
Quelle:
Gesetz zum Schutz der allgemeinen Gesundheit (Ges. Nr. 258/2000)