Haftung für Medizinprodukte

Gibt es einen Mehrwert durch die neue Medizinprodukteverordnung?

 

Hersteller von Medizinprodukten haften aufgrund der die Produkthaftungsrichtlinie umsetzenden nationalen Rechtsakte verschuldensunabhängig und oft zusätzlich aufgrund nationaler Deliktshaftung.

Die neue Medizinprodukteverordnung, welche ab Mai 2020 verpflichtend anzuwenden ist, enthält eine zusätzliche Bestimmung, welche vorsieht, dass Hersteller (mit Sitz innerhalb oder außerhalb der EU) ihre potenzielle Haftung mit einer ausreichenden finanziellen Deckung absichern müssen. Diese Deckung muss gemäß der Risikoklasse, der Art des Produkts und der Unternehmensgröße angemessen sein.

Nicht erwähnt wird jedoch, wie eine „ausreichende finanzielle Deckung ihrer potenziellen Haftung“ zuverlässig zu bemessen ist. Deswegen stellt sich die Frage, wer hier die Höhe der Deckung festlegen wird und wie dies geschieht, damit Hersteller sicher sein können, dass sie ihren gesetzlichen Pflichten ausreichend nachkommen.

Eine andere Frage ist, wie Dienstleister, welche die finanzielle Deckung bereitstellen, auf die neue Regelung reagieren und ob ein Anstieg von Versicherungskosten hiermit verbunden sein wird.

Wenn die Verhältnismäßigkeit der Deckung mit der Risikoklasse und der Art des Produkts noch logisch erscheinen, so sind die Vorhersehbarkeit der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Höhe des potentiellen Schadens sowie die Logik einer Angemessenheit hinsichtlich der Größe des Unternehmens eher zweifelhaft. Betrachtet man den Schaden, den die Produkte des eher kleinen Unternehmens PIP bei Hundertausenden von Frauen auf der gesamten Welt verursacht und wie diese damit einen der größten Skandale auf dem Gebiet der Medizinprodukte hervorgerufen haben, muss man die Frage stellen, ob die Größe eines Unternehmens für die Deckungssumme wirklich ausschlaggebend sein sollte, wenn der Schutzzweck erreicht werden soll.

Obwohl die neue Verpflichtung lediglich für Hersteller gilt, müssen Händler und Importeure beachten, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen, wie zum Beispiel der Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt unter eigenem Namen, eigenem eingetragenen Handelsnamen oder unter der eigenen eingetragenen Handelsmarke, zu Quasi-Herstellern werden. In solchen Fällen gelten auch für sie die Pflichten eines Herstellers.

Des Weiteren haften Bevollmächtigte für fehlerhafte Produkte eines Herstellers ohne Niederlassung in einem der EU-Mitgliedstaaten auf der gleichen Grundlage wie der Hersteller mit diesem als Gesamtschuldner, wenn der Hersteller seine Verpflichtungen nicht erfüllt hat.

Resümee:

Es ist eher zweifelhaft, ob die neue Vorschrift einen Mehrwert zu den bereits bestehenden Haftungssystemen für Medizinprodukte schafft. Es ist weiterhin fragwürdig, ob die vorgesehene finanzielle Deckung einen besseren und sicheren Schutz für Patienten in Fällen wie dem PIP-Skandal bereitstellen kann. Auch sind keinerlei Kriterien dahingehend festgelegt, wie die ausreichende finanzielle Deckung einer potenziellen Haftung bemessen werden soll.

Klar ist jedoch, dass sich alle Hersteller von Medizinprodukten, insbesondere die kleineren Unternehmen, mit Niederlassung in oder außerhalb der EU auf diese neue Verpflichtung und die zu erwartenden zusätzlich hierdurch entstehenden Kosten einstellen sollten.

Ihr Kontakt:

Yvonne Goldammer
Rechtsanwältin
Partnerin

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