Geschäftsbedingungen in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik – Teil II

Im zweiten Teil unseres Artikels widman wir uns der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Aufnahme von Geschäftsbedingungen in einen Vertrag und der einseitigen Änderung der Geschäftsbedingungen.

Änderung der Geschäftsbedingungen

Die Praxis wirft häufig die Frage auf, wie sich die Änderung von Geschäftsbedingungen (AGB) vereinfachen lässt. Dabei konzentriert sich die Diskussion für gewöhnlich auf zwei Methoden. Bei der einen wird damit gearbeitet, dass die jeweils andere Partei den Änderungsvorschlag stillschweigend annimmt, also dadurch, dass sie nicht reagiert. Wer die Geschäftsbedingungen ändern will, übersendet der anderen Partei ein Angebot auf Änderung mit dem vorgeschlagenen Wortlaut. Darauf kann die andere Partei reagieren, indem sie innerhalb einer gesetzten Frist die neuen AGB annimmt oder ablehnt. Reagiert sie nicht, so wird die Änderung mit Ablauf der vereinbarten Frist angenommen. Stillschweigen bedeutet hier also Zustimmung. Das kann so natürlich nur dann funktionieren, wenn die Vorgehensweise vorab von den Parteien so vereinbart wurde. Die vorschlagende Partei kann aber diese Art der Verabschiedung von Änderungen nicht etwa in den eigentlichen Änderungsvorschlag einarbeiten, denn dann kann die Änderung nicht durch Stillschweigen akzeptiert werden (denn die andere Partei erklärte sich nicht damit einverstanden, dass ihr Schweigen Rechtsfolgen zeitigt).

Die zweite diskutierte Methode ist als sog. ultimative Änderung bekannt. Eine Partei schlägt eine Änderung der AGB vor und die andere Partei kann diese entweder annehmen oder den Vertrag kündigen. Wer die Änderung vorschlägt, wird so davor geschützt, im Vertrag zu Bedingungen verbleiben zu müssen, die für ihn nicht länger günstig oder hinnehmbar sind. Insofern ist diese Methode dem Recht auf Kündigung ohne Angabe von Gründen vergleichbar.

Wo das Angebot einer ultimativen Änderung erfolgt, muss dies aber nicht in die Beendigung des Vertrags münden, sondern kann auch zur Fortführung des Vertrags zu beiderseits akzeptablen Konditionen führen. Die Parteien müssen die Möglichkeit der ultimativen Änderung vorab vereinbaren, sowie auch die Art und Weise, in der diese erfolgt. Ein Ultimatum erst zusammen mit der Änderung der AGB selbst vorzuschlagen geht natürlich nicht an.

Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt die ultimative Änderung von Geschäftsbedingungen in § 1752. Sie gilt nur für bestimmte Vertragstypen, und zwar Verträge, die mit einer großen Zahl von Personen geschlossen werden und die langfristige wiederholte Erbringung von Leistungen derselben Art betreffen. Die Möglichkeit deren ultimativer Änderung knüpft das Gesetz an eine Reihe von Bedingungen wie z.B. die Dringlichkeit und den Umfang der Änderungen, den vorgeschriebenen Inhalt der Klausel, mit der das Recht auf eine ultimative Änderung begründet wird, sowie die Frist für die Beendigung des Vertrags im Falle der Nichtannahme.

Die konkrete Regelung zur ultimativen Änderung von Geschäftsbedingungen in § 1752 BGB-cz warf logischerweise die Frage auf, ob dieselbe Art von Änderungen auch bei anderen Vertragstypen vereinbart werden kann, und zu welchen Bedingungen. Hierzu bezog bereits im Jahre 2013 die Kommission des Justizministeriums für die Anwendung des neuen Zivilrechts Stellung. In ihrer Stellungnahme zur Auslegung Nr. 6 erklärte sie, eine ultimative Änderung der Geschäftsbedingungen lasse sich tatsächlich auch im Falle anderer Vertragstypen vereinbaren. Die fragliche Klausel müsse dann aber im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen nach dem Schutz der schwächeren Partei (und insbesondere des Verbrauchers) stehen.

Der Oberste Gerichtshof hatte 2013 gemäß den Regeln des Handelsgesetzbuchs einen Nachtrag zu Geschäftsbedingungen zu lösen, welchen die Klägerin entworfen und an die andere Partei gesandt hatte, ohne ihn zu unterzeichnen. Die andere Partei unterzeichnete den Nachtrag und überstellte ihn an die Klägerin zurück. Für Änderungen des Vertrags war die Schriftform vereinbart gewesen, welche u.a. die Unterschrift des Nachtrags durch beide Parteien verlangt hätte. Das Gericht befand deshalb, die Änderung der Geschäftsbedingungen sei nicht rechtsgültig erfolgt. Auf allgemeiner Ebene führte es außerdem aus, Geschäftsbedingungen würden in derselben Weise geändert wie der Vertrag selbst. Es ließ zugleich die Möglichkeit offen, dass die Parteien vorab eine besondere Art und Weise der Änderung von Geschäftsbedingungen vereinbaren.

Der Oberste Gerichtshof konzedierte damit zum überhaupt ersten Mal, dass die gesetzlich geregelte Art und Weise des Vertragsschlusses nicht unabdingbar ist und die Parteien tatsächlich eigene Regeln vereinbaren dürfen.1 Im Kontext der damaligen Entscheidungspraxis war dies ein revolutionärer Ansatz. Heute ist dieses Prinzip ausdrücklich im neuen Bürgerlichen Gesetzbuch verankert.

Als möglichen Ansatz für die Vornahme von Änderungen erwähnte das Gericht in seiner Urteilsbegründung die Annahme durch bloße Zustellung des Änderungsvorschlags an die andere Partei. Dies kann so aber ohne Weiteres mit Sicherheit nicht vereinbart werden; der Text der Entscheidung ist in dieser Hinsicht unpräzise. Würde eine Änderung von Geschäftsbedingungen so vereinbart, dass eine Partei die Änderung vorschlägt und diese Änderung durch Zustellung an die andere Partei ohne Weiteres als angenommen gilt, so würde jegliche Willenserklärung der empfangenden Partei fehlen.

Eine solche Vereinbarung setzt vielmehr voraus, dass die Parteien bereits im Vorfeld genau definieren, welche Inhalte der Geschäftsbedingungen sich in welchem Umfang ändern lassen – Beispiel: das Recht, die Höhe einer Vertragsstrafe innerhalb einer bestimmten Spanne anzupassen. In einem solchen Fall wird die Willenserklärung – im Sinne der Einwilligung in die Änderung – dann eigentlich bereits im Rahmen der ursprünglichen vertraglichen Abrede getätigt.

Mit der Möglichkeit der ultimativen Änderung der Geschäftsbedingungen befasste sich der Oberste Gerichtshof 2018. Der Fall betraf einen Vertrag unter Kaufleuten, der sich nach dem damaligen Handelsgesetzbuch richtete. Gemäß den Regeln des BGB-cz würde es sich wohl um einen Vertrag handeln, der den Bestimmungen des § 1752 unterfällt.

In seinem Urteil führte der Oberste Gerichtshof aus, bei Verträgen unter Kaufleuten sei es zulässig, eine Änderung der AGB dergestalt zu vereinbaren, dass eine Partei der anderen die Änderung vorschlägt und diese dann die Änderung annehmen oder den Vertrag aufkündigen kann. Dem Gericht zufolge muss der Umfang einer solchen Änderung nicht im Vorfeld vereinbart werden; soweit die Vereinbarung des zulässigen Umfangs der Änderung zwischen den Parteien unterblieben ist, lassen sich auf diese Art und Weise sämtliche in den AGB enthaltenen Klauseln ändern. Allerdings befand der Oberste Gerichtshof, im konkreten Einzelfall könne die ultimative Änderung der Geschäftsbedingungen durchaus einen Rechtsmissbrauch darstellen.2

Diese Entscheidung lässt sich auch gemäß dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch heranziehen und findet auf Verträge gemäß § 1752 BGB-cz keine Anwendung. Freilich gilt, dass die ultimative Änderung (verständlicherweise) im Falle von Verbraucherverträgen problematisch ist und bleibt.

AGB als fester Vertragsbestandteil

In einer der jüngsten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs wird die Frage der Einbeziehung der Geschäftsbedingungen in den Vertrag behandelt. Im zu entscheidenden Fall verwies ein Vertrag unter Kaufleuten auf die im Internet eingestellten AGB. Der Vertrag war in Papierform geschlossen worden; die Bedingungen lagen aber nicht in Papierform vor. Die Berufungsinstanz entschied, soweit Geschäftsbedingungen auf einer Website gepostet seien, müsse die Anforderung an die Dauerhaftigkeit der dergestalt veröffentlichten Informationen im Sinne der europäischen Rechtsprechung gegeben sein.3

Der Oberste Gerichtshof wollte dieser Rechtsauffassung aber nicht folgen: die europäischen Entscheidungen hätten Beziehungen aus Verbraucherverträgen betroffen, nicht aber Vertragsbeziehungen unter Kaufleuten, und ließen sich von daher nicht auf Verträge zwischen Kaufleuten anwenden. Im Falle einer Streitigkeit müsse aber derjenige, der sich auf die AGB berufe, den Nachweis führen, welchen Inhalt diese AGB zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatten.4

In dieser wie auch weiteren Entscheidungen5 akzeptierte der Oberste Gerichtshof die Erklärung der Partei, wonach diese die AGB erhalten und sich mit diesen vertraut gemacht hatte, als ausreichenden Beweis dafür, dass die Geschäftsbedingungen den Parteien bekannt waren. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs betreffend die Bedeutung von Tatsachenerklärungen in Verträgen. Demzufolge gilt eine solche Erklärung als Beweis der erklärten Tatsache, wobei aber der Nachweis des Gegenteils zulässig ist. Die Beweislast ruht aber in einem solchen Fall auf dem, der die Erklärung abgegeben hat (und jetzt nachweisen muss, dass seine Erklärung nicht der Wahrheit entspricht).

Eine in den Vertrag eingebundene Erklärung, wonach sich die erklärende Partei mit den Geschäftsbedingungen vertraut gemacht hat, verbessert von daher die Beweislage für denjenigen, der sich auf die Geschäftsbedingungen beruft. Im Anwendungsbereich des neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs werden der Relevanz einer solchen Erklärung allerdings Grenzen gezogen, und zwar durch die Regeln betreffend überraschende Klauseln und durch die Regeln betreffend die Einbeziehung indirekter vertraglicher Abreden in Formularverträge.

Der Oberste Gerichtshof setzte sich außerdem mit der Frage einer mehrstufigen Einbeziehung von Geschäftsbedingungen auseinander. Dabei geht es um Fälle, in denen die AGB selbst auf ein weiteres Dokument verweisen, welches seinerseits vertragliche Abreden enthält (z.B. eine Preisliste). Das Gericht schloss logischerweise, dass eine mehrstufige Einbeziehung unzulässig ist. Es geht also nicht an, in einem Vertrag auf Geschäftsbedingungen zu verweisen, die dann auf weitere Dokumente verweisen. Die korrekte Vorgehensweise verlangt, dass auf sämtliche Konditionen und Klauseln direkt im Vertag verwiesen wird. Sollen die Bestimmungen verschiedener Geschäftsbedingungen in einer bestimmten Rangfolge angewandt werden, dann muss diese Rangfolge der einzelnen Dokumente klar im Vertrag geregelt sein.6

Es liegen konkrete Entscheidungen vor, die die Frage der Kenntnisnahme der Geschäftsbedingungen lösen, und zwar für Versicherungsverträge mit den zugehörigen Versicherungsbedingungen. Das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der seinerzeit geltenden Fassung verlangte, dass der Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss nachweislich mit den Versicherungsbedingungen vertraut gemacht wurde. Die Regelungen zum Versicherungsvertrag sind heute im Bürgerlichen Gesetzbuch enthalten, wobei der gesetzliche Wortlaut derselbe ist, freilich unter Weglassung des Worts „nachweislich„.

Das Gericht befand7, diese Bedingung lasse sich auf verschiedene Art und Weise erfüllen; am stichhaltigsten und zugleich übersichtlichsten sei die Vorlage der Versicherungsbedingungen gegenüber dem Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss (ausweislich einer im Versicherungsvertrag getätigten Erklärung des Versicherungsnehmers). Erfolge die Kenntnisnahme auf andere Art und Weise, so müsse der, der sich auf die Bedingungen beruft, diesen Umstand nachweisen. Ein Verweis auf die Versicherungsbedingungen im Vertrag in Kombination mit der Auflage der Versicherungsbedingungen zur Einsichtnahme in den Geschäftsstellen des Versicherers (wovon der Versicherungsnehmer informiert war) genügte dem Gericht nicht als Nachweis des Einklangs mit der gesetzlichen Anforderung.

 

Die beschriebenen höchstrichterlichen Entscheidungen werden zunächst keinen allzu großen Beitrag zur geschäftlichen Praxis und zu Verträgen gemäß dem neuen BGB-cz haben. Positiv ist, dass bei Verträgen unter Kaufleuten angemessen Verlass darauf ist, dass Änderungen der AGB in Form einer (vorvereinbarten) ultimativen Änderung bzw. einer Annahme durch Stillschweigen möglich und statthaft sind. Entscheidungen zur Auslegung der neuen Regeln des BGB-cz stehen aber noch aus.

Quelle:
Rechtsprechung des Tschechischen Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts, BGB-cz

________________________

1) Urteil 23 Cdo 1098/2012 des Obersten Gerichtshofs
2) Urteil 23 Cdo 1580/2018 des Obersten Gerichtshofs
3) Vgl. das Urteil des EuGH in C-49/11 vom 5.7.2012 und in E-4/09 vom 27.10.2010
4) Urteil 23 Cdo 240/2015 des Obersten Gerichtshofs
5) Urteil 23 Cdo 3731/2014 des Obersten Gerichtshofs
6) So z.B. im Urteil 23 Cdo 2865/2016 des Obersten Gerichtshofs
7) Etwa im Urteil 31 Cdo 1566/2017 des Obersten Gerichtshofs

 

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