Erwerb des Eigentums vom Nichtberechtigten

Czech Republic: Sowohl Bürgerliches Gesetzbuch als auch die Rechtsprechung konzedieren die Möglichkeit des Eigentumserwerbs vom Nichtberechtigten

Während die aktuelle rechtliche Regelung, die im sog. „Neuen“, seit dem 1.1. 2014 in Kraft befindlichen Bürgerlichen Gesetzbuch (Ges. Nr. 89/2012 Slg.) enthalten ist, den Erwerb des Eigentumsrechts an Immobilien vom Nichteigentümer durch einen gutgläubigen Erwerber bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ermöglicht, schwiegen sich die vormals geltenden Gesetze hierüber aus; soweit die Frage zur richterlichen Entscheidung anstand, erging üblicherweise die Entscheidung, ein Erwerb vom Nichteigentümer sei ausgeschlossen. Der Kern der damit einhergehenden Argumentation lässt sich in der These zusammenfassen, dass niemand an einen anderen mehr Rechte übertragen kann als er selber hat.

Mit dieser Praxis wollte das Verfassungsgericht brechen, was aber zu relativ heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Obersten Gerichtshof führte, welch letzterer die genannte herrschende Rechtsprechung mittrug. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entscheidung des Verfassungsgerichts IV. ÚS 402/15 vom 8.6.2015 von fundamentaler Bedeutung, insofern als das Verfassungsgericht darin befand, dass es auch nach der bis zum 31.12.2013 geltenden Regelung möglich gewesen sein musste, das Eigentumsrecht an einer im Grundbuch geführten Immobilie vom Nichteigentümer zu erwerben, und zwar auf der Grundlage des guten Glaubens des Erwerbers an die Eintragung im Grundbuch.

In seiner Begründung führte das Verfassungsgericht insbesondere aus, dass der gute Glaube des Erwerbers an die Eintragung ins Grundbuch den gleichen rechtlichen Schutz genießt wie das Eigentumsrecht des ursprünglichen Eigentümers. In einem solchen Fall muss es notwendigerweise zu einer Kollision zweier Grundrechte kommen: das Recht des gutgläubigen Erwerbers auf den Schutz des Eigentums im Sinne des Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, und das Eigentumsrecht des ursprünglichen Eigentümers im Sinne des Art. 11 der Charta der Grundrechte und -freiheiten. Dieser Konflikt sei von den allgemeinen Gerichten im Einklang mit dem generellen Gerechtigkeitsgedanken zu lösen, unter Berücksichtigung dessen allgemeiner Zusammenhänge aber auch der konkreten Umstände des jeweiligen Falls. In derartigen Fällen komme der Beurteilung des guten Glaubens auf Seiten des Erwerbers grundlegende Bedeutung zu; soweit sich die allgemeinen Gerichte mit dieser Beurteilung des guten Glaubens des Erwerbers überhaupt nicht befassten, verletzten sie das Recht des potenziell gutgläubigen Erwerbers auf ein rechtsstaatliches (faires) Verfahren im Sinne des Art. 36 Abs. 1 der Charta der Grundrechte und -freiheiten.

Darüber hinaus nutzte das Verfassungsgericht seine Entscheidung, um die Position zum Ausdruck zu bringen, dass die allgemeinen Gerichte nicht länger in begründeten Ausnahmefällen davon absehen dürfen, die Rechtsauffassung des Verfassungsgerichts zu respektieren, falls letzteres die vorgeschlagene abweichende Rechtsauffassung ausdrücklich zurückgewiesen hat, denn im Einklang mit Artikel 89 Abs. 2 der Verfassung sind sämtliche vollstreckbaren Entscheidungen des Verfassungsgerichts für alle Stellen, Behörden und Personen verbindlich. Dieses für Entscheidungen des Verfassungsgerichts geltende Verbindlichkeitsprinzip erstreckt sich also auch auf den Obersten Gerichtshof, der in einem solchen Fall sogar seine ständige Rechtsprechung kurzerhand ändern muss, indem er die sich aus dem verfassungsrichterlichen Entscheid hervorgehende Rechtsauffassung schlicht übernimmt.

Gemäß dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch drohen derartige rechtliche Streitigkeiten nicht mehr. Die grundlegende Bestimmung des § 1111 BGB-cz schreibt generell fest, dass derjenige zum Eigentümer einer beweglichen Sache wird, der sie objektiv im guten Glauben an die Berechtigung des Veräußerers erlangt hat, das Eigentumsrecht an der Sache auf ihn zu übertragen, vorausgesetzt, dem neuen Eigentümer kommt ein ordentlicher Erwerbstitel zu (also im Regelfall ein Kaufvertrag). Im Zweifelsfalle ist der Nachweis zu führen, dass der Käufer angesichts aller Umstände die legitime Überzeugung hegte, die Sache vom wahren Eigentümer zu kaufen.

Im Unterschied etwa zum deutschen oder österreichischen Recht ist nach tschechischem Recht in derselben Weise auch der Erwerb einer Sache vom Nichteigentümer möglich, die in einem öffentlichen Verzeichnis eingetragen ist – und damit u.a. auch eine im Grundbuch eingetragene Immobilie. Hier kommt das Prinzip der sog. materiellen Publizität der öffentlichen Register zum Ausdruck, welches besagt, dass dem eingetragenen Stand der Dinge bei Widersprüchen der Vorzug vor dem tatsächlichen rechtlichen Stand zu geben ist. Im Unterschied zum Mobiliarsachenrecht ist dieser Erwerb aber außerdem an eine weitere Bedingung geknüpft: das Erwerbsgeschäft muss entgeltlich sein. Deshalb kann das Eigentumsrecht an einer Immobilie vom Nichtberechtigten nicht im Wege einer Schenkung erworben werden. Darüber hinaus kennt das Bürgerliche Gesetzbuch im Rahmen seiner Übergangsbestimmungen zum Prozess der rechtlichen Vereinheitlichung von Grundstücken und den darauf errichteten Gebäuden (gemäß dem Grundsatz superficies solo cedit) auch den speziellen Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten dort, wo der Erwerber eines Grundstücks zugleich auch das darauf befindliche Gebäude ins Eigentum erwirbt, welches ursprünglich nicht dessen Bestandteil war, vorausgesetzt er war guten Glaubens, dass das Gebäude eben doch Grundstücksbestandteil war. Der vorherige Eigentümer des Gebäudes hat allerdings gegenüber dem Veräußerer ein Recht auf Wiedergutmachung in Höhe des Werts des Gebäudes.

 

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