Seit fast einem Jahr sollte es gemäß einem Änderungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch möglich sein, bei der Beitreibung überfälliger Unterhaltszahlungen auch Verzugszins zu fordern. Allerdings sieht die Praxiserfahrung dann doch anders aus: die tatsächliche Geltendmachung der Forderung nach Verzugszinsen ist vorläufig viel zu aufwändig, um empfohlen werden zu können, insbesondere wenn man bedenkt, dass die in Rede stehenden Zinsbeträge recht bescheiden sein dürften.
Seit dem 28.2.2017 ermöglicht es § 921 Abs. 2 BGB-cz den Unterhaltsberechtigten, vom säumigen Schuldner, der seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt, Verzugszins auf die ausstehenden Beträge zu fordern. Nach der früheren Gesetzeslage sprachen die Gerichte den Antragsstellern in Unterhaltssachen grundsätzlich keinen Verzugszins zu; der Oberste Gerichtshof sprach sich nach Inkrafttreten des neuen BGB sogar ausdrücklich gegen die Möglichkeit aus, solche Verzugszinsen zuzuerkennen. Allerdings ist der Anspruch auf Verzugszins seither von einem Änderungsgesetz zu geltendem Recht erhoben worden. Dies scheint zunächst einmal nur logisch, denn geschuldeter Unterhalt unterscheidet sich nicht von anderen Schulden, so dass kein Grund besteht, warum der Anspruchsberechtigte gerade hier keinen Verzugszins fordern dürfte.
Allerdings erfordert die Zwangsvollstreckung eines solchen Anspruchs einen sog. Vollstreckungstitel – im vorliegenden Fall ein rechtskräftiges Urteil. Damit also Verzugszins eingetrieben werden kann, muss er im Urteil zugesprochen worden sein. Hier sind zwei Möglichkeiten denkbar:
1) Das Urteil, in dem die Pflicht zu Unterhaltszahlungen festgeschrieben ist, liegt noch nicht vor.
Theoretisch könnte der Antragsteller das Gericht (seit Inkrafttreten der o.g. Änderung) darum ersuchen, direkt in diesem Urteil Verzugszinsen für den Fall des Verzugs zuzuerkennen. Dies hieße aber im Endeffekt, vom Gericht einen Vollstreckungstitel für einen Anspruch zu wollen, der noch gar nicht existiert und der auch nur dann zustande kommt, falls der Schuldner seiner primären Verpflichtung zu Unterhaltszahlungen nicht nachkommt. Unter diesen Umständen ist es keinesfalls klar, wie die Gerichte auf ein solches Ansinnen reagieren würden.
2) Die Verpflichtung zu Unterhaltszahlungen ergibt sich aus einem bereits ergangenen Urteil.
Liegt bereits ein rechtskräftiges Urteil vor, welches sich aber bezüglich der Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen ausschweigt, dann kann dieses Urteil nicht als Vollstreckungstitel für Verzugszins dienen, ganz egal, wie der Wortlaut des BGB-cz zum Thema aussieht. In einem solchen Fall ließe sich der Verzugszins nur beitreiben, indem im Wege einer weiteren (neuen) Klage die Zuerkennung von Verzugszinsen auf seit März 2017 ausstehende Unterhaltszahlungen angestrengt würde. Dies birgt eine Reihe erheblicher Komplikationen. Zunächst einmal sind hiermit weitere Verfahrenskosten verbunden, die den in Frage stehenden Zinsbetrag wesentlich übersteigen können. Des Weiteren wird der Anspruchsberechtigte nicht selten minderjährig sein. Die Einreichung einer Klage gehört aber nicht zu den üblichen Rechtsgeschäften, die der gesetzliche Vertreter namens eines ihm anbefohlenen Kindes wahrnehmen kann, und bedarf deshalb der gerichtlichen Zustimmung. Damit müssen nicht weniger als drei Verfahren initiiert werden, bevor Verzugszins im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden kann! Zuerst muss die gerichtliche Zustimmung zur Klageeinreichung namens des Minderjährigen eingeholt werden. Dann muss die Klage selbst eingereicht werden, mit der die Zuerkennung des Anspruchs auf die Zahlung von Verzugszinsen angestrengt wird, und schließlich bedarf es noch des Zwangsvollstreckungsverfahrens, um den eigentlichen Betrag zu erlangen.
Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Gerichtsvollzieher und Gerichte, die sich einerseits weigern, Zinsen beizutreiben, die nicht in einem rechtskräftigen Urteil zugesprochen wurden, andererseits unfähig sind, einen vernünftigen Ausweg aus dieser Zwickmühle aufzuzeigen. Von daher warten wir gespannt auf das erste Urteil, in dem sich die Gerichte dazu äußern, wie dieses juristische Paradox ausgelegt werden soll.
Quelle: Ges. Nr. 89/2012 Slg. (Bürgerliches Gesetzbuch), Entscheidung Cpjn 204/2012 des Obersten Gerichtshofs