Mögliche Kriterien zum Aufbau eines betrieblichen Vergütungssystems nach dem Genfer Schema
Autor: Lennart Mewes, Referendar am Landgericht Dresden (zur Zeit bei bnt Vilnius)
Einleitung
Durch die Änderung des Arbeitsgesetzbuches der Republik Litauen ist ein Arbeitgeber mit einer Arbeitnehmeranzahl von mindestens 20 Personen dazu verpflichtet, in einem eigenen Vergütungssystem unter anderem eine Auflistung der Gehälter jeder Arbeitsgruppe seines Unternehmens zu erstellen. Wie diese Liste aussehen muss und welche Kriterien an sie gestellt werden, ist aufgrund der noch jungen Gesetzgebung bisher jedoch unklar, was vielen Arbeitgebern zusätzliche Unsicherheit bereitet.
Das Ziel der Gesetzesänderung ist es, Transparenz für Arbeitnehmer zu schaffen. Dadurch sollen ihnen ihre Aufstiegschancen aufgezeigt und ein Anreiz für Weiterbildungen geschaffen werden. Gleichzeitig dient sie der Klassifizierung der Berufe und fördert die Gleichheit der Gehälter. Ein Arbeitnehmer muss daraus entnehmen können, wie sich sein und andere Gehälter zusammensetzen. Die Kriterien für die Zusammenstellung des Gehalts können sowohl in der Person des Arbeitnehmers, als auch in den äußeren Einflüssen der Tätigkeit und seiner Umgebung liegen.
Das 1950 erstellte sogenannte Genfer Schema ist eine gute Vorlage zur Entwicklung einer solchen Liste. Es diente dazu, eine Grundlage für Arbeitsplatzanforderungen und Arbeitsbewertung zu schaffen. Es teilt sich in 4 Punkte: geistige Tätigkeit, körperliche Tätigkeit, Verantwortung und Umgebungseinflüsse. Im Folgenden soll dargestellt werden, wie eine solche Liste nach diesem Schema aussehen würde.
Einteilung nach dem Genfer Schema
Das Genfer Schema zielt auf zwei besondere Faktoren für die Bewertung von Arbeitsleistungen ab: Können und Belastung des Arbeitnehmers. Diese bestimmen, welche Wertung eine Tätigkeit hat und damit auch welche Vergütung sie verdient.
Zunächst unterteilt das Genfer Schema das Können des Arbeitnehmers in geistige und körperliche Arbeit. Die Trennung ist nachvollziehbar, da die Charakteristika beider Arbeitsarten so unterschiedlich sind, dass eine genaue Klassifizierung sonst nicht möglich wäre. Diese Einteilung sollte allerdings nicht als qualitative Wertung der Tätigkeiten verstanden werden. Die Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen ist noch kein Garant für ein höheres Gehalt.
Gibt es Arbeitsplätze, die beide Kriterien erfüllen, so muss nach dem entsprechenden Anteil der Arbeit qualifiziert werden. Je nachdem wo der Schwerpunkt liegt, wird der Arbeitnehmer einer der beiden Kategorien zugeordnet.
Nach der Zuordnung wird die Belastung auf den Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit bestimmt. Je höher sie ist, desto höher muss sein Gehalt ausfallen.
Neben den grundsätzlichen, kommen weitere spezielle Belastungen – Verantwortung und Umgebungseinflüsse – hinzu. Das Können eines Arbeitnehmers ist hier nicht mehr direkt ein Kriterium. Zwar bedarf es für bestimmte zusätzliche Tätigkeiten einer weiteren Qualifikation, dennoch steht dabei die zusätzliche Belastung im Vordergrund der Bewertung.
Eine zusätzliche Verantwortung kann z.B. die Leitung von mehreren Mitarbeitern oder die Leitung des Kassensystems einer Firma sein. Interessant ist der Umgang mit bestimmten Personen oder Stoffen, wozu der Arbeitnehmer aber eine zusätzliche Qualifikation braucht. Erwirbt er diese, kann er in eine höhere Gehaltsstufe aufsteigen. Je nachdem, wie hoch die jeweilige Verantwortung und die damit einhergehenden Zusatzqualifikationen sind, steigt auch das Gehalt des Arbeitnehmers.
Umgebungseinflüsse sind von außen, teilweise unabhängig von der Tätigkeit oder des Betriebes, auf den Arbeitnehmer eindringende Beeinträchtigungen. Sei es, das ganzjährig draußen gearbeitet werden muss oder aber die Tätigkeiten nur an bestimmten Orten auszuführen sind. Auch hier steigt das Gehalt mit der höheren Belastung oder auch Gefahr, der ein Arbeitnehmer ausgesetzt ist.
Kritik kann allerdings dahingegen geäußert werde, dass das Genfer Schema die Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmer als Kriterium nicht mit einbezieht. Das dadurch das Gehalt eines Arbeitnehmers steigt, ist in Litauen jedoch durchaus üblich. In Anbetracht des Ziels des Schemas war dies aber auch nicht nötig. Es diente der Bewertung einer Tätigkeit rein bezüglich Könnens und der Belastung. Die Betriebszugehörigkeit hat darauf aber gerade keinen Einfluss. Nach dieser Aufteilung werden somit fast alle Kriterien zur Gehaltsbildung ausschöpfend berücksichtigt. Es werden insbesondere die beiden wichtigsten Kriterien zur Beurteilung einer Arbeit ausreichend berücksichtigt; Können und Belastung eines Arbeitnehmers.
Ergebnis
Es zeigt sich, dass das Genfer Schema sehr gut geeignet ist, ein Vergütungssystem für Arbeitnehmer zu erstellen. Folgt man den Gedanken dieses Schemas ergibt sich ein für jedermann nachvollziehbarer Aufbau der Zusammenstellung eines Gehaltes. Zu beachten ist aber, dass auch die Betriebszugehörigkeit mit in einfließen muss. Aus diesem Grund ist das Genfer Schema auch nicht als abschließend zu betrachten, sondern als Leitfaden zur Bildung eines nachvollziehbaren und Transparenten Vergütungssystems. Dadurch ist es jedem Arbeitnehmer in einem Betrieb möglich, sich selbst einzuschätzen. Gleichzeitig gibt ihm das die Möglichkeit, sich gezielt weiterzubilden und in eine höhere Gehaltsklasse aufzusteigen. Das Genfer Schema sollte somit dem Ziel der Gesetzesänderung und der Pflicht des Vergütungssystems gerecht werden.
Dennoch bleibt es abzuwarten, was durch den litauischen Gesetzgeber und die Gerichte zu diesem Thema in den nächsten Jahren ausgeführt wird. Da es sich um eine besonders junge Gesetzesänderung handelt, kann eine Änderung der Anforderungen jederzeit geschehen. Es ist daher wichtig, das Vergütungssystem stets auf dem aktuellen Stand zu halten.