Die konstitutionelle Krise in Polen

Die polnische Regierung beachtet und veröffentlicht nicht die Urteile des Verfassungsgerichtshofes

Die konstitutionelle Krise hat in Polen nach den letzten Parlamentswahlen im Herbst 2015 begonnen. Das neu gewählte Parlament, der Sejm hat beschlossen, die Wahl von fünf Richtern des Verfassungsgerichtshofes durch das vorherige Parlament zu annullieren und eine neue Wahl durchzuführen. Der Staatspräsident, der von der Partei, die die Wahlen gewonnen hat, kommt, hat abgelehnt, die durch das vorherige Parlament gewählten Richtern des Verfassungsgerichtshofes zu vereidigen, und hat statt dessen die durch das neue Parlament gewählten Richter vereidigt. Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass das vorherige Parlament zwei Richter verfassungswidrig gewählt hat und dass die Wahl der drei anderen rechtsgemäß war und diese durch den Staatspräsidenten zu vereidigen sind.

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes hat in Folge dessen zwei durch das vorherige Parlament gewählte Richter zugelassen und erwartet, dass der Staatspräsident die drei durch das vorherige Parlament gewählte Richter vereidigt.

Allerdings hat die regierende Partei daraufhin im Sejm Novellen des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof verabschiedet. Bei der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der letzten Novelle hat der Gerichtshof diese Novelle selbst nicht berücksichtigt und erklärt, dass sie nicht die Basis für die Prüfung ihrer eigenen Verfassungsmäßigkeit sein darf. Als direkte Reaktion darauf, dass der Gerichtshof entschieden hat, ohne die Novelle anzuwenden, hat die Regierung erklärt, dass die Urteile des Gerichtshofes nichtig sind und nicht veröffentlicht werden, wie die Verfassung vorschreibt.

In Zusammenhang damit, dass die Urteile des Verfassungsgerichtshofes nicht veröffentlicht werden, stellt sich die Frage, ob diese geltend sind. Die Hauptfunktion des Gerichtshofes ist die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsakte zu prüfen. Eine unterschiedliche Betrachtung der Frage durch die Gerichte und Verwaltungsorgane, ob die durch den Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärten Vorschriften Anwendung finden sollen, ist zu erwarten.

Die allgemeine Versammlung der Richter des Obersten Gerichts hat inzwischen einen Beschluss angenommen, dass die Urteile des Verfassungsgerichtshofes beachtet werden müssen, unabhängig davon, ob sie veröffentlicht werden oder nicht. Ähnlich hat die allgemeine Versammlung der Richter des Hauptverwaltungsgerichts beschlossen sowie Berufungsgerichte und Bezirksgerichte. Ob die Verwaltungsorgane ebenso einheitlich entscheiden werden, ist allerdings zweifelhaft.

 

Quelle: Die Verfassung der Polnischen Republik, Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 9. März 2016, Aktenzeichen  K 47/15

 

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