Die Europäische Kommission bereitet derzeit eine Neufassung der bestehenden Mehrwertsteuerrichtlinie vor, mit dem primären Ziel, gegen Mehrwertsteuerbetrug zu kämpfen und den Verwaltungsaufwand für kleine und mittelständische Unternehmen bei deren Auftritt auf dem grenzüberschreitenden Markt weiter zu reduzieren.
In naher Zukunft kommt auf die EU-Mitgliedsstaaten eine weitreichende Neufassung der Mehrwertsteuerrichtlinie zu. Im Rahmen des Mehrwertsteuerforums in Prag im Januar 2018 stellte die Europäische Kommission ihre Strategie für eine einheitliche Anwendung der Mehrwertsteuer – das „endgültige Mehrwertsteuersystem“ – im Rahmen eines Aktionsplans vor. Die Gründe für diesen Schritt sind vorrangig der Kampf gegen Mehrwertsteuerlücken durch Betrugsvorgänge, daneben aber auch die Reduzierung des Verwaltungsaufwands für KMU.
Die EU hat errechnet, dass der Verwaltungsaufwand bei innergemeinschaftlichen Geschäften für Unternehmen um 11% größer ist als bei rein innerstaatlichen Geschäften. Das sog. endgültige Mehrwertsteuersystem soll darin bestehen, dass der Lieferant die Mehrwertsteuer für die gelieferte Ware zu demjenigen Mehrwertsteuersatz abführt, der in dem Staat gilt, in dem die Warenbeförderung endet, und zwar über einen sog. One Stop Shop in dem Land, in dem er selbst niedergelassen ist. In der Praxis müsste ein tschechischer Lieferant, der Ware nach Frankreich liefert, den anzuwendenden französischen Mehrwertsteuersatz in Erfahrung bringen und diesen dem tschechischen Finanzamt mitteilen (und an dieses die Steuer abführen); das tschechische Finanzamt würde dann die „französische“ Steuer ans französische Finanzamt überweisen.
Dem Lieferanten drohen in dieser Hinsicht vielerlei Fallstricke, so z.B. die Anwendung des falschen im jeweiligen Mitgliedsstaat geltenden Steuersatzes oder die Anmeldung erbrachter Lieferungen und Leistungen gegenüber einem anderen Mitgliedsstaat. Die Europäische Kommission rechnet in der neuen Richtlinie mit einer Vereinfachung für Lieferanten. Es soll ein neues Rechtsinstitut eingerichtet werden: das des sog. zertifizierten Steuerzahlers. Dieses Statut kann von Unternehmern erlangt werden, die bestimmte Zuverlässigkeitskriterien erfüllen (Unbescholtenheit, ein aufwändigeres Buchhaltungssystem). Aus tschechischer Sicht handelt es sich im Grunde um das Gegenstück zum sog. unzuverlässigen Steuerzahler.
Die Prüfung der zertifizierten Steuerzahler würde seitens der EU erfolgen. Diejenigen, denen dieses Status zuerkannt wird, würden praktisch keine Änderungen bei der Anmeldung und Abfuhr der Umsatzsteuer erfahren und könnten das System in gleicher Weise wie bisher nutzen. Weitergehende Details betreffend den Vorschlag des „endgültigen Systems“ werden im Laufe des Jahres 2018 bekannt werden. Die einzelnen Mitgliedsstaaten sind über diese Änderungen im Bereich Mehrwertsteuer nicht eben begeistert. Die Europäische Kommission hat aber unmissverständlich signalisiert, dass sie die Vorschläge einbringt, während der Ministerrat die Entscheidungen trifft. Falls die Neufassung der Richtlinie zu geltendem Recht wird, würden damit etablierte Vorgänge bei den Finanzämtern in Frage gestellt. Erwogen wird nämlich u.a. die Abschaffung der sog. zusammenfassenden Meldung. Damit würde die Finanzverwaltung praktisch jeden Überblick über einzelne innergemeinschaftliche Lieferungen verlieren.
Quelle: „VAT Forum 2018“ Konferenz in Prag