Am 1.1.2021 ist ein Änderungsgesetz zum Gesetz über die Führung von Verfahren vor Verwaltungsbehörden (Verwaltungsverfahrensordnung) und zum Baugesetz in Kraft getreten, welches wichtige Änderungen für die Herausgabe sog. verbindlicher Stellungnahmen der betroffenen staatlichen Verwaltungsbehörden enthält und in Bezug auf verbindliche Stellungnahmen, die als Grundlage für Entscheidungen gemäß dem Baugesetz dienen, die Fiktion einer zustimmenden verbindlichen Stellungnahme einführt.
Beim Erlass verbindlicher Stellungnahmen der betroffenen Behörden kommt es häufig zu Verzögerungen; es handelt sich hierbei um eine der wesentlichen Ursachen dafür, warum Baugenehmigungsverfahren in der Tschechischen Republik so langwierig sind. Auf diesen Umstand hat jetzt ein Änderungsgesetz reagiert, indem es verbindliche Fristen für den Erlass dieser verbindlichen Stellungnahmen einführt. Die Verwaltungsbehörde ist jetzt verpflichtet, die verbindliche Stellungnahme unverzüglich abzugeben, jedenfalls aber innerhalb von 30 Tagen ab Stellung des Gesuchs. Ist für den Erlass der verbindlichen Stellungnahme eine Ortsbegehung notwendig oder handelt es sich um einen besonders komplexen Fall, so kann diese Frist um bis zu 30 weitere Tage verlängert werden.
Allerdings ist die Frist für den Erlass der verbindlichen Stellungnahme gehemmt, falls das Gesuch um den Erlass einer verbindlichen Stellungnahme nicht den vorgeschriebenen inhaltlichen Anforderungen genügt oder sonst von Mängeln behaftet ist und die Verwaltungsbehörde den Gesuchsteller zur Beseitigung dieser Mängel auffordert. Sind sämtliche Mängel des Gesuchs beseitigt, so beginnt eine neue Frist für den Erlass der verbindlichen Stellungnahme.
Im Falle verbindlicher Stellungnahmen, die als Grundlage für eine Entscheidung gemäß dem Baugesetz dienen sollen, geht das Änderungsgesetz noch einen Schritt weiter, indem es die Rechtsfiktion einer zustimmenden verbindlichen Stellungnahme einführt. Versäumt es die Verwaltungsbehörde, die verbindliche Stellungnahme, die als Grundlage für die Entscheidung gemäß dem Baugesetz dient, fristgerecht abzugeben, so gilt, dass eine verbindliche Stellungnahme vorliegt, die dem Vorhaben ohne jegliche Auflagen stattgibt.
Nun besteht aber der Sinn und Zweck der verbindlichen Stellungnahmen darin, von Sonderrechtsvorschriften geschützte öffentliche Interessen zu wahren, so dass dieser Schutz nicht völlig außen vor gelassen werden kann. Aus diesem Grund verleiht das Änderungsgesetz der höherinstanzlichen Verwaltungsbehörde die Befugnis, eine neue verbindliche Stellungnahme abzugeben, mit der die fiktive zustimmende Stellungnahme aufgehoben wird, und zwar dann, wenn die Bedingungen für den Erlass einer zustimmenden verbindlichen Stellungnahme ohne Auflagen eigentlich nicht gegeben waren. Dies kann insbesondere dann vorkommen, wenn die erstinstanzliche Verwaltungsbehörde eine ablehnende verbindliche Stellungnahme hätte erteilen müssen, weil das zu beurteilende Vorhaben im Widerspruch zu einem von einer Sonderrechtsvorschrift geschützten öffentlichen Interesse steht, dies aber nicht innerhalb der gesetzlichen Frist tat. Die neue verbindliche Stellungnahme kann das höherinstanzliche Verwaltungsorgan innerhalb von 6 Monaten ab Rechtskraft der Entscheidung erlassen, die an die verbindliche Stellungnahme geknüpft war. Der Erlass einer solchen neuen verbindlichen Stellungnahme würde dann eine Verfahrenswiederaufnahme begründen; erst im neuen Verfahren erginge dann eine Entscheidung, die sich nach dieser neuen verbindlichen Stellungnahme richten muss.
Falls eine fiktive zustimmende verbindliche Stellungnahme im Rahmen des Widerspruchs angefochten würde, so müsste nach der diesbezüglichen Handreichung des Ministeriums für Regionalentwicklung ebenso vorgegangen werden wie bei einer “tatsächlichen” zustimmenden Stellungnahme ohne Auflagen. Die mit der Bearbeitung des Widerspruchs betraute Verwaltungsbehörde (als “Berufungsinstanz”) müsste also diejenige Verwaltungsbehörde, die der Behörde übergeordnet ist, welche die fiktive verbindliche Stellungnahme “erlassen” hat, darum bitten, diese fiktive Stellungnahme entweder zu bestätigen oder zu ändern.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die neuen Regeln für den Erlass verbindlicher Stellungnahmen in der Praxis bewähren und ob sie tatsächlich zu einer Beschleunigung der Baugenehmigungsverfahren führen, oder ob Gesuchsteller vermehrt dazu aufgefordert werden, die Mängel ihres Gesuchs um den Erlass einer solchen Stellungnahme zu beseitigen. Aber auch die Fiktion der zustimmenden verbindlichen Stellungnahme selbst ist ein zweischneidiges Schwert – einerseits kann sie durchaus zu einer Beschleunigung des Genehmigungsprozesses führen, andererseits birgt sie ein größeres Risiko der Anfechtbarkeit im Widerspruchsverfahren und des anschließenden Erlasses einer neuen verbindlichen Stellungnahme durch die höherinstanzliche Behörde auch noch nach Rechtskraft der bereits ergangenen Entscheidung über die Genehmigung.
Quelle:
Ges. Nr. 403/2020 Slg., über die Änderung von Ges. Nr. 416/2009 über die Beschleunigung von infrastrukturellen Bauvorhaben in Verkehr, Wasserwirtschaft, Energie und elektronische Kommunikation und die Änderung weiterer, damit zusammenhängender Gesetze