Abtreibungsrecht in Polen – Gewissensklausel verhindert legale Schwangerschaftsabbrüche

Von Werbeverboten bis Gewissensklauseln – Das Abtreibungsrecht innerhalb der EU weist teils gravierende Unterschiede auf. Auch medizinische Fachkräfte, die keine Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sollten die Regelungen kennen, um Patienten mit entsprechenden Anliegen gesetzesgemäß zu beraten. In einer dreiteiligen Artikelreihe geben wir einen Überblick anhand der Beispiele Polen, Litauen und Deutschland.

Das polnische Recht hinsichtlich Schwangerschaftsabbrüche gilt als eines der strengsten in Europa. Abtreibungen auf Anfrage sind illegal.

Eine Unterbrechung der Schwangerschaft (mit der Zustimmung der Frau) wird grundsätzlich mit Gefängnis bis zu 3 Jahren bestraft. Die gleiche Strafe gilt für Personen, die eine schwangere Frau im Zuge eines geplanten Schwangerschaftsabbruchs unterstützen oder sie hierzu überreden. Ein qualifizierter Tatbestand liegt bei Begehung dieser Handlungen, wenn der Fötus bereits die Fähigkeit erlangt hat, unabhängig vom Körper der schwangeren Frau zu leben, vor. Hier reichen die Strafen von 6 Monaten bis zu 8 Jahren Haft.

Es bestehen bestimmte Ausnahmen für das o.g. allgemeine Abtreibungsverbot. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nur in drei Fällen zulässig:

  • Die Schwangerschaft ist eine Bedrohung für das Leben oder die Gesundheit der schwangeren Frau (ohne Einschränkungen hinsichtlich des Alters des Fötus)
  • Pränatal-Tests oder andere medizinische Maßnahmen weisen auf eine hohe Wahrscheinlichkeit einer schweren und irreversiblen Beeinträchtigung des Fötus oder einer unheilbaren Krankheit hin, die sein Leben bedroht (bis der Fötus die Fähigkeit erreicht, unabhängig vom Körper einer schwangeren Frau zu leben)
  • Es besteht der begründete Verdacht, dass die Schwangerschaft auf eine Straftat zurückzuführen ist (bis zur Beendigung der 12. Schwangerschaftswoche)

Die Umstände, welche die Abtreibung notwendig machen, müssen von einem anderen Arzt als dem, der die Schwangerschaft abbrechen soll, bestätigt werden. Eine Ausnahme gilt, wenn eine Schwangerschaft das Leben der Frau unmittelbar bedroht. Ist bei einer Frau bereits ein dritter gerechtfertigter Schwangerschaftsabbruch notwendig, muss der zuständige Staatsanwalt diesen zunächst genehmigen (ein Schwangerschaftsabbruch in diesem Fall wäre jedoch lediglich noch möglich, wenn seit Beginn der Schwangerschaft nicht mehr als 12 Wochen vergangen sind). Das Gesetz setzt hohe Hürden an die berufliche Qualifikation der Ärzte, die zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs berechtigt sind.

Die Abbruchverfahren variieren je nach Schwangerschaftsstadium und Einrichtung, die den Schwangerschaftsabbruch durchführt. Sowohl die Absaugmethode oder die Ausschabungsmethode als auch der medikamentöse Abbruch sind gesetzlich erlaubt.

Die Kosten für den legalen Schwangerschaftsabbruch und die zugehörige Behandlung werden vom Nationalen Gesundheitsfonds getragen.

Obwohl die Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich garantiert sind, wird diese Garantie in der Praxis nur selten gewährt. Die staatlichen medizinischen Einrichtungen in Polen existieren in starker Abhängigkeit von der Politik. Ärzte indes fürchten arbeitsrechtliche Konsequenzen, wenn sie Abtreibungen ermöglichen. Häufig verweigern sie Patienten aus diesem Grund auch Auskunft darüber, welche anderen Ärzte Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Sie berufen sich dabei auf die sogenannte Gewissensklausel aus Artikel 39 des Arzt- und Zahnarztberufsgesetzes, wonach sie keine mit ihrem Gewissen unvereinbare Gesundheitsdienste erbringen müssen. Eigentlich wären Ärzte auch verpflichtet, den Patienten an einen anderen Arzt oder eine andere medizinische Einrichtung zu verweisen. Das polnische Verfassungsgericht erklärte im Jahr 2015 dieses Auskunftsgebot jedoch für verfassungswidrig, sofern es dem Arzt, eine Verpflichtung auferlegt.

Dies führt dazu, dass die Suche nach einem Arzt und das Verfahren häufig länger dauern als 12 Wochen bzw. der Moment „bis der Fötus in der Lage ist, unabhängig vom Körper einer schwangeren Frau zu leben” überschritten wird und Schwangerschaftsabbrüche dann nicht mehr möglich sind.

Quellen:
Polnisches Strafgesetzbuch
Polnisches Arzt- und Zahnarztberufsgesetz
Urteil des polnischen Verfassungsgerichts vom 7. Oktober 2015 (sygn. akt K 12/14)

 

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