Litauen: Gamechanger für die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung?

Seit 1. August 2022 können Arbeitnehmer aus Drittstaaten wieder als Leiharbeiter in litauischen Unternehmen eingestellt werden.

Seit 2018 konnten litauische Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen Drittstaatsangehörige grundsätzlich nicht mehr beschäftigen. Obwohl es kein direktes Verbot gab, einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit einem Drittstaatsangehörigen abzuschließen, folgte ein solches Verbot aus der Auslegung der Rechtsnormen des Gesetzes über die Rechtsstellung von Ausländern der Republik Litauen.

Am 1. August 2022 sind nun Änderungen des Gesetzes über die Rechtsstellung von Ausländern in Kraft getreten. Die Beschäftigung wird unter engen Voraussetzungen nun wieder möglich.

Wird der Ausländer im Rahmen eines Arbeitnehmerüberlassungsverhältnisses beschäftigt, muss das Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen sich verpflichten, den ausländischen Arbeitnehmer für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten Vollzeit zu beschäftigen und ihm während der Dauer der Arbeit in der Republik Litauen ein monatliches Gehalt zu zahlen, welches nicht weniger als der durchschnittliche monatliche Bruttolohn in der Republik Litauen (ermittelt vom litauischen Statistikamt) beträgt, sowie in den Zeiträumen zwischen den Einsätzen nicht weniger als den litauischen Mindestlohn.

Was die Arbeitnehmerüberlassung Drittstaatsangehöriger innerhalb Litauens damit wieder möglich macht, stößt grenzüberschreitend allerdings an seine Grenzen (z.B. bei der Entsendung nach Deutschland). Hintergrund sind die Beschränkungen bei der Vergabe von sog. Vander-Elst-Visa.

Grundsätzlich benötigen Drittstaatsangehörige für die Einreise und den Aufenthalt im Rahmen der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung ein Visum für Deutschland – das sog. Vander-Elst-Visum. Das Vander-Elst-Visum ist eine Art Visum bzw. eine Arbeitserlaubnis für Drittstaatsangehörige, die bei einem Unternehmen in einem Mitgliedsstaat (EU/EWR/EFTA) angestellt sind und für dieses arbeiten. Das Visum ermöglicht es dem Arbeitnehmer, für dieses Unternehmen auch in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, sofern er bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Nähere Informationen zum Vander-Elst-Visum finden Sie hier: https://bnt.eu/de/legal-news/posting-of-third-country-nationals-from-lithuania-to-germany/

Nach vom BVerwG bestätigter Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg vom 9. November 2018 muss es sich als Voraussetzung für die Ausstellung eines Vander-Elst-Visums allerdings um eine „vorübergehende Ausübung“ der grenzüberschreitenden Dienstleistung nach Art. 57 Satz 3 AEUV handeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es für diesen vorübergehenden Charakter der Tätigkeit nicht nur auf deren Dauer, sondern auch auf Häufigkeit, regelmäßige Wiederkehr oder Kontinuität an. Die Erbringung einer Dienstleistung kann sich über einen längeren Zeitraum, bis hin zu mehreren Jahren, erstrecken. Ergibt eine Gesamtbetrachtung allerdings das Vorliegen eines längerfristig angelegten Rotationssystems zur verfestigten und auf Dauer angelegten Zuführung von Arbeitskräften in den Aufnahmestaat, so entfällt die Grundlage für die Ausstellung eines Vander-Elst-Visums.

Laut Urteil des EuGH vom 11.09.2014 -C-91/13- kann zwar auch die vorübergehende Überlassung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer unter die Vander-Elst-Rechtsprechung fallen. Soweit allerdings ausschließlich die befristete Überlassung der drittstaatsangehörigen Arbeitnehmer an den Entleiher in Deutschland selbst die vorübergehende Dienstleistung darstellt, müssen die entsandten Arbeitnehmer ihre Haupttätigkeit im EU/EWR-Sitzstaat des Unternehmens, bei dem sie ordnungsgemäß beschäftigt sind, ausüben – d.h. im vorliegenden Fall in Litauen.

Eine pauschale Ablehnung der Ausstellung eines Vander-Elst-Visums, nur weil es sich um Arbeitnehmerüberlassung handelt, ist damit zwar nicht möglich, allerdings muss wie so häufig einzelfallbezogen geprüft werden, ob eine grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung Drittstaatsangehöriger umsetzbar wäre.

Diese neuen Regelungen werden daher eher dabei helfen, den Fachkräftemangel in Litauen selbst zu bekämpfen. Die große Hoffnung ausländischer, insbesondere deutscher, Unternehmen, Drittstaatsangehörige dauerhaft im großen Stil aus Litauen entleihen zu können, erfüllt sich indes nicht.

Quelle:

Gesetz der Republik Litauen über die Rechtsstellung von Ausländern

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