Eine kurze Zusammenfassung der Anwendung der Massenzustrom-Richtlinie
In der Ukraine, dem Nachbarland Ungarns, wütet Krieg. Im Hinblick auf die daraus resultierende Flüchtlingswelle hat der Rat der Europäischen Union in seinem Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 vom 4. März 2022 (der „Beschluss“) die Anwendbarkeit der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie 2001/55/EG des Rates (die „Richtlinie“) festgelegt. In der Praxis bedeutet dies, dass Kriegsflüchtlinge fast ausnahmslos automatisch Anspruch auf vorübergehenden Schutz in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben.
Die Richtlinie legt lediglich einen Rahmen für den vorübergehenden Schutz fest, dessen genauer Inhalt von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ist. Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Rechte und Pflichten von Asylbewerbern in Ungarn.
Die Dauer des vorübergehenden Schutzes beträgt 1 Jahr und kann in begründeten Fällen auf bis zu 3 Jahre verlängert werden. Während dieses Zeitraums sind die Asylbewerber berechtigt, sich in Ungarn aufzuhalten, und darüber wird ihnen ein besonderer Ausweis ausgestellt.
Der Asylbewerber hat das Recht auf angemessene Unterkunft, Verpflegung, Hygieneartikel und medizinische Versorgung. Letzteres umfasst die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten. Personen, die vorübergehenden Schutz genießen und besondere Bedürfnisse haben (z. B. Opfer von schwerwiegenden Formen psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt), haben ebenfalls Anspruch auf angemessene medizinische und sonstige, z. B. psychologische Hilfe.
Jungen Asylbewerbern unter 18 Jahren gewährt Ungarn unter denselben Bedingungen wie ungarischen Schülern Zugang zum Bildungssystem.
In Ungarn können Asylbewerber in Mangelberufen ohne Arbeitserlaubnis arbeiten. In anderen Berufen können sie nach den allgemeinen Regeln für Ausländer arbeiten, d. h. auf der Grundlage einer Arbeitserlaubnis. Der Staat gewährt ungarischen Arbeitgebern, die Asylbewerber beschäftigen, finanzielle Unterstützung.
Im Falle einer getrennten Familie ist es möglich, die Familie in einem der Mitgliedstaaten wieder zusammenzuführen, der einen der Familienangehörigen als Asylbewerber aufgenommen hat. Auch in anderen Fällen ist eine Verlegung des Aufenthaltsortes in einen anderen Mitgliedstaat möglich. Dies geschieht jedoch nicht automatisch, sondern hängt von den Aufnahmekapazitäten und der Entscheidung des vorgesehenen Bestimmungslandes ab und benötigt längere Zeit.
Es ist wichtig zu beachten, dass ukrainische Staatsbürger, die die Grenze mit einem biometrischen Reisepass überqueren, aber in Ungarn kein Asyl beantragen, im Prinzip innerhalb von 180 Tagen 90 Tage lang frei zwischen den EU-Mitgliedstaaten reisen können. Das bedeutet, dass sie die Möglichkeit haben, den für sie günstigsten Mitgliedstaat nach ihren individuellen Kriterien (z.B. Beschäftigungsmöglichkeiten, Wohnort von Verwandten oder Freunden) auszuwählen und dort einen Asylantrag zu stellen.
Unsere Kanzlei hat eine detaillierte Zusammenfassung der Vorschriften in allen Nachbarstaaten der Ukraine erstellt. Die regelmäßig aktualisierten Informationen finden Sie hier.
Quelle:
Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates
Richtlinie 2001/55/EG des Rates
Gesetz Nr. LXXX aus dem Jahr 2007 über das Asylrecht
Gesetz Nr. IV aus dem Jahr 1991 über die Förderung der Beschäftigung und die Versorgung der Arbeitslosen
Regierungsverordnung Nr. 86/2022. (III. 7.)