In Tschechien kann bereits eine Probearbeit zur Entstehung eines Beschäftigungsverhältnisses führen

Am 20.01.2020 erging eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik (AZ 21 Cdo 2034/2019), die sich mit der Frage befasste, wann genau ein Beschäftigungsverhältnis zustande kommt, wenn Arbeit nur „zur Probe“ geleistet wird, sowie mit der Frage der Haftung auf Seiten des Arbeitgebers für einen infolge von Tätigkeiten des Arbeitnehmers erlittenen Arbeitsunfall, in die der Arbeitgeber gar nicht eingewilligt hatte.

Im vorliegenden Fall befasste sich das OGH mit einem Fall, in dem ein potenzieller Arbeitgeber (der Beklagte) eine Probearbeit an einen Bewerber (den Kläger) vergeben hatte, um dessen Fähigkeiten zu testen. Die ihm zugeteilte Arbeit bewältigte der Bewerber erfolgreich noch vor Ende der Arbeitszeit. Die Parteien hatten vereinbart, man werde sich am darauffolgenden Arbeitstag zwecks Abschlusses des Arbeitsvertrags zusammenfinden und bei dieser Gelegenheit den Vertrag auch unterzeichnen. Allerdings missachtete der Bewerber die Weisung seines potenziellen Arbeitgebers und arbeitete weiter, ohne hierfür die Zustimmung des Arbeitgebers einzuholen. Hierbei erlitt er einen Unfall und machte anschließend beim zuständigen Gericht als Kläger Schmerzensgeld geltend, sowie eine Entschädigung für die Einschränkung seiner Teilhabe am öffentlichen Leben.

Der Beklagte argumentierte zu seiner Verteidigung, der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt nicht sein Arbeitnehmer, sondern lediglich ein Stellenbewerber gewesen, dem eine klare Arbeitsaufgabe lediglich zu dem Zweck gegeben worden war, seine Fähigkeiten zur anschließenden Anstellung zu prüfen. Die Unterzeichnung des Vertrags mit dem Kläger hatte der Beklagte erst für den darauffolgenden Tag vereinbart, so dass kein Arbeitsvertrag zustande kam. Der Beklagte wandte außerdem ein, dass der Kläger Tätigkeiten ausgeführt hatte, zu denen er gar nicht berechtigt war, und zwar trotz der ausdrücklichen Weisung des Beklagten, er solle den Arbeitsplatz verlassen.

Das Oberste Gericht in seiner Eigenschaft als Revisionsgericht befand, das Verhältnis zwischen Beklagtem und Kläger sei ein arbeitsrechtliches Verhältnis gewesen, und zwar ungeachtet des Fehlens eines schriftlichen Vertrags: „Wurde ein Rechtsgeschäft, mit dem ein grundlegendes arbeitsrechtliches Verhältnis zustande kommt oder geändert wird, nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form getätigt, so lässt sich dessen Ungültigkeit nur dann einwenden, wenn mit der Erfüllungsleistung noch nicht begonnen wurde; da Arbeitsverträge und Vereinbarungen über die Erbringung von Arbeiten außerhalb eines Arbeitsverhältnisses Rechtsgeschäfte sind, mit denen ein grundlegendes arbeitsrechtliches Verhältnis begründet wird, sind sie – soweit mit deren Erfüllung bereits begonnen wurde – als gültig zu betrachten, selbst wenn sie nicht in der vom Gesetz geforderten Schriftform geschlossen wurden, sondern bloß mündlich oder sonst in einer Form, die keinen Zweifel daran lässt, was die Handelnden zum Ausdruck bringen wollten (also konkludent), denn die Einrede der Ungültigkeit ist dann nicht länger möglich. Zur Bestimmung, welche Art von Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten zustande gekommen ist, sind die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten bezüglich ihrer Beziehungen nicht maßgeblich; von Bedeutung ist vielmehr – und zwar ungeachtet dessen, wie die Beteiligten ihre Rechtsstellung späterhin bewerten – die Beurteilung des Inhalts ihrer Willenserklärung, sprich, die Feststellung, welcher Wille tatsächlich (sei es ausdrücklich oder bloß konkludent) zum Ausdruck gebracht wurde.“ Daraus ergibt sich, dass an der Existenz eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses zwischen Kläger und Beklagtem kein Zweifel besteht, und dass die Vereinbarung, wonach der Arbeitsvertrag erst am nächsten Tag unterzeichnet werden sollte, sich lediglich auf die Dauer dieses arbeitsrechtlichen Verhältnisses auswirkt.

Eine weitere grundlegende Frage war die Zuerkennung von Schmerzensgeld. Nach aktueller Rechtslage (§ 269 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuchs) gilt: „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer den durch einen Arbeitsunfall entstandenen materiellen oder immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit der materielle oder immaterielle Schaden bei der Ausübung von Arbeitsaufgaben oder in direktem Zusammenhang mit dieser entstanden ist.“ In diesem Zusammenhang gelangte der OGH zu dem Schluss, man dürfe „bei der Beurteilung der Weisung des Beklagten, der Kläger solle ’nach Hause gehen‘, nicht die Umstände außer Acht lassen, unter denen diese Weisung erging – d.h. insbesondere den Umstand, dass dem Kläger die für die Reparatur der Gitterboxen benötigten Bretter ausgegangen waren und er seine Arbeitstätigkeit ohne weiteres Material nicht fortsetzen konnte – und die diese Weisung reflektierte. Unter diesen Umständen hatte der Kläger keinen Grund anzunehmen, der Beklagte würde Einwände dagegen haben, dass der Kläger sich das fehlende Material selbst besorgt, indem er auf der frei zugänglichen Kappsäge Holz zuschneidet, zumal der Beklagte ihm kurz zuvor Arbeit zugeteilt hatte, die den Einsatz von Schweißgerät und Schleifmaschine erforderten, welche unzweifelhaft ebenso eine potenzielle Quelle von Verletzungen sein können.“

Die vorliegende Entscheidung dürfte einigermaßen problematisch sein, wenn man bedenkt, wie ein Einstellungsverfahren für Mitarbeiter aussehen soll, deren Fähigkeiten sich nur schwer durch ein bloßes Gespräch beurteilen lassen. Die hier beschriebene Entscheidung berührt damit v.a. Arbeiter, die sog. „manuelle Tätigkeiten“ verrichten, und deren Arbeitsfähigkeiten im Rahmen des Einstellungsgesprächs bisher am effektivsten durch eine sog. „Probearbeit“ geprüft werden konnten. Wie die Einstellungsgespräche für diese Gruppe von Arbeitnehmern künftig aussehen werden, ohne dass sie für den Arbeitgeber das sofortige Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses zur Folge haben, ist momentan noch nicht ganz klar.

Quelle:
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, AZ 21 Cdo 2034/2019

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