Tschechien: EU ruft nach ausgewogenerer Vertretung von Frauen und Männern in Unternehmensgremien

Die EU-Mitgliedsstaaten werden künftig verbindliche rechtliche Regelungen verabschieden müssen, wonach börsennotierte Unternehmen verpflichtet sind, bei der Besetzung ihrer Gremien keines der Geschlechter zu benachteiligen.

Die Richtlinie (EU) 2022/2381 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Direktoren börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen wurde am 23. November 2022 verabschiedet. Der Titel weist bereits klar darauf hin, dass die neuen Pflichten vorläufig nur für börsennotierte Gesellschaften gelten sollen, in Anerkennung deren besonderer gesellschaftlicher (und wirtschaftlicher) Vorreiterrolle. Die Richtlinie stellt denn auch ausdrücklich fest, dass sie nicht für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen gilt, die aber dennoch dazu angeregt werden, auf freiwilliger Basis ähnlichen Regeln zu folgen.

Den Text der Richtlinie machen zum großen Teil ihre in der Präambel zusammengefassten Wertannahmen und Einschätzungen der heute herrschenden Situation aus. Gleichheit von Mann und Frau wird als einer der Grundwerte der Union wahrgenommen und es wird mehrfach auf diverse Vorschriften des Unionsrechts und Empfehlungen der EU-Organe Bezug genommen, die darauf hinarbeiten, den privaten Sektor zur Gleichstellung der Geschlechter anzuregen.

Erklärtes Ziel der Richtlinie ist es, eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter in Führungspositionen im Top-Management zu erreichen, indem eine Reihe von Verfahrensvorschriften in Bezug auf die Auswahl der Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren auf transparenter Grundlage festgelegt wird. Dabei wird auf zahlreiche Studien verwiesen, wonach Vielfalt zu einem vorausschauenderen Geschäftsmodell, ausgewogeneren Entscheidungen und besseren Fachkompetenzen führen soll. Lauf diesen Studien führt eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter im Topmanagement außerdem zu besseren Geschäftsergebnissen und stärkt den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, und ist damit von Bedeutung, wenn es darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit der Union zu erhalten. Eine stärkere Vertretung von Frauen in Leitungsorganen soll außerdem dazu beitragen, dass die Präsenz von Frauen auf allen Führungsebenen sowie in der Belegschaft des Unternehmens gesteigert wird.

Die Mitgliedsstaaten sollen mit neuer Rechtsprechung börsennotierte Gesellschaft dem Ziel unterwerfen, den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts unter nicht geschäftsführenden Direktoren in Leitungsorganen bis Jahresmitte 2026 auf mindestens 40% zu erhöhen, bzw. alternativ den Anteil unter sämtlichen (geschäftsführenden wie auch nicht geschäftsführenden) Direktoren auf wenigstens 33% anzuheben. Die Richtlinie konzediert dabei unumwunden, dass diese Anforderung mathematisch im Regelfall gar nicht erfüllt werden kann, regt aber an, diesen Zielvorgaben so nahe wie möglich zu kommen.

Das Auswahlverfahren soll von besonderer Transparenz geprägt sein. Klare, neutral formulierte und eindeutige Kriterien, die bereits vor dem Auswahlverfahren festgelegt wurden, sollen auf dieses Anwendung finden. Sind Kandidaten gleich qualifiziert, so soll dem unterrepräsentierten Geschlecht Vorrang eingeräumt werden. Wird allerdings im Einzelfall doch dem Kandidaten des anderen Geschlechts der Vorzug gegeben, so muss das Unternehmen die objektiven Gründe nennen können, mit denen die Auswahl zu rechtfertigen ist.

Diesbezüglich werden börsennotierten Gesellschaften besondere Auskunftspflichten gegenüber den Kandidaten im Auswahlverfahren auferlegt, sowie jährliche Berichterstattungspflichten gegenüber den zuständigen Behörden, um den Fortschritt der Unternehmen bei der Erreichung der gesteckten Ziele zu dokumentieren. Diese Informationen sollen von den Unternehmen außerdem auf ihren Websites veröffentlicht werden.

Die Richtlinie fordert die Mitgliedsstaaten außerdem dazu auf, die Pflichten vermittels verhältnismäßiger Sanktionen durchzusetzen und sicherzustellen, dass erfolglose Kandidaten den Rechtsweg beschreiten können, falls sie glauben, dass ihre Qualifikation der des Kandidaten des anderen Geschlechts, welcher letztlich zum Direktor bestellt oder gewählt wurde, ebenbürtig ist. Als Beispiele für solche Sanktionen sind in der Richtlinie z.B. Geldbußen aufgeführt, aber auch die gerichtliche Annullierung bzw. Nichtigerklärung von Beschlüssen über die Auswahl bestimmter Direktoren.

Quelle:
Richtlinie (EU) 2022/2381 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. November 2022 zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Direktoren börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen

Newsletter abonnieren

Wenn Sie den Newsletter abonnieren, stimmen Sie zugleich unseren Datenschutzbedingungen zu.